Für eine holländische Übersetzung meines Büchleins "Begegnungen mit dem Leibhaftigen" musste ich das letzte Kapitel "Faktencheck" aktualisieren, welches die Story "Der Untergang des Weissen Mannes" (ebenfalls auf diesem Blog) überprüft. Update vom 16.11.2021.
Worauf es ankommt
Die Treibhausgase steigen seit Jahrzehnten
unerbittlich und immer schneller (für CO2 google man «Keeling-Curve», erster
Treffer). Entsprechend geht die gemessene Erwärmung immer schneller. Darauf allein kommt es an, und daran hat
die Klimapolitik rein nichts geändert.
Das Pariser Abkommen
2015 glaubten wir noch, dass das Pariser Abkommen die globale Erwärmung
bis 2100 auf 1,5 Grad begrenzen werde. Früher Einspruch kam von James
Hansen, der die durch Treibhauseffekt erwartete Erwärmung und ihre Folgen 1981
recht genau vorausgesagt und dann 1988 auch festgestellt hatte. Hansen
bezeichnet die vom Pariser Abkommen geforderte grosstechnische Entfernung von
riesigen CO2-Mengen aus der Atmosphäre als illusorisch. Matchentscheidend seien
die Selbstverstärkungsmechanismen, das zeige die frühere Erdgeschichte. Das
Abkommen sei ein «fake».
Stand heute
Inzwischen betont auch das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) die Wichtigkeit von Selbstverstärkungsmechanismen und die 1,5 Grad kommen wohl ab 2030 (1) - eine
Vorverlegung von 70 Jahren gegenüber den Absichtserklärungen vor 6 Jahren! Viele offizielle Voraussagen zur Klimaerwärmung waren zu optimistisch, z.B. schmilzt das arktische Eis rascher und der Permafrost taut rascher auf als vorausgesagt. Das heissere Klima
hat inzwischen zu bösartigen Wetterveränderungen geführt mit Hitzewellen,
Stürmen und Überschwemmungen, grossflächigen Waldbränden bis in den hohen
Norden und zu Wasserknappheit und Dürren. Die Kriege und Migrationen des
Mittleren Ostens, Ostafrikas und Mittelamerikas sind schon wesentlich durch die
Klimaerwärmung mit verursacht. Der auftauende Permafrost entlässt - ein weiterer Selbstverstärkungsmechanismus -
zusätzliches CO2 und Methan in die Atmosphäre (Methan stammt auch aus
Viehhaltung, aus Reisanbau und der Gewinnung fossiler Brennstoffe). Methan ist
ein bis 80mal stärkeres Treibhausgas als das CO2, und macht zur Zeit ca. einen
Drittel des Treibhauseffekts aus.
Artensterben
Wir
sind im grössten Artensterben seit der Dinosaurierzeit: Anfangs war es
unabhängig vom Klima durch Bejagung (Grosswild, Wale, Fische), dann durch
Ausdehnung von Siedlungen und Ackerland mit Einsatz von Monokulturen,
Dünger und Giften. Nicht nur Tiere, auch mindestens ein Drittel der 60’000 Baumarten sind
vom Aussterben bedroht, vor allem durch Abholzen, Rodung und Überweidung, immer mehr auch
durch Trockenheit und Brände. Als Arzt weiss man, dass erste Symptome oft nicht
den Anfang einer Krankheit anzeigen, sondern den Anfang vom Ende: Raucher oder
Trinker brauchen Jahrzehnte, bis Atemnot oder Gelbsucht auftreten, weil Lunge
und Leber lange kompensieren können. Wenn Symptome kommen, sind die Organe
schon zu 80 Prozent kaputt und es geht es nicht mehr Jahrzehnte, sondern eher
Jahre. Entsprechend ist das sichtbare Absterben der Natur wohl nicht ein
Anfang, sondern ein Anfang vom Ende. Männer in Industrienationen haben
übrigens immer weniger Spermien, wohl wegen Umweltgiften und den
Weichmachern in Plastikpackungen und Plastikflaschen, welche auch die Geschlechtsdifferenzierung stören.
Klimazukunft
Nach Voraussage der UNO sind wir auf dem Weg
zu 2,7 Grad globaler Temperaturerhöhung bis 2100. Über Land heisst das knapp doppelt soviel. Und mögliche Selbstverstärkungsmechanismen eingerechnet
können es auch 3 oder 4 Grad Celsius werden, oder mehr, sicher weiss das niemand. Wissenschaftler wie
z.B. Prof. Peter Wadhams, Arktisforscher und emeritierter Physikprofessor an
der Universität Cambridge meinen sogar, dass die arktische CO2- und
Methanfreisetzung zu einer akuten Beschleunigung der Erwärmung führen
könnte. Wenn die Klimakatastrophe noch 2015 in weiter Ferne von vielen Generationen
schien, so scheint sie jetzt eher eine Frage von Jahrzehnten, oder
schlimmstenfalls von Jahren.
Alibimassnahmen
Publikum, Medien, Parteien und Regierungen
vernebeln sich den Blick mit Absichtserklärungen, Plänen und Erfolgsmeldungen über
qualitatives und nachhaltiges Wachstum, Energiesparmassnahmen,
Alternativenergien sowie e-Mobilität, blenden aber das einzige Kriterium aus,
auf das es ankommt: Die gnadenlos steigenden Treibhausgase. In vierzig Jahren
war man nicht imstande, die beiden naheliegendsten Massnahmen zu treffen,
nämlich die Milliardensubventionen für die Fossilindustrie abzustellen,
geschweige denn das ausgestossene CO2 wirksam zu besteuern. Beides wäre
unproblematisch aus marktwirtschaftlicher Sicht, sei sie nun konservativ oder
liberal. Aber jetzt braucht es viel einschneidendere Massnahmen, und auch für
die wird der Bremsweg sehr lang.
Folgen
Bei Erwärmung über 2 Grad beginnen Küsten und
Küstenstädte zu versinken, Bäume und Wälder beginnen grossflächig abzusterben, Wüsten
wachsen, Dürre, Insekten- und Bienensterben würgen die Ernten ab. Probleme bei
Trinkwasser, Nahrung, Rohstoffen, Energie und Sicherheit werden dominoartig
zunächst die komplexesten Systeme beschädigen, wie Welthandel, Geldwert,
Finanzkasino, Versicherungswirtschaft, Dienstleistungsgesellschaft, Metropolen
und Städte. Demokratie, Rechtsstaat, Klimagerechtigkeit und Menschenrechte werden
untergehen in Staatsversagen, Bandenwirtschaft, Völkerwanderungen und Kriegen,
alles wie im Nahen Osten. Bei einer Erwärmung von global 4 Grad wird die Erde
vielleicht noch halb so viel Bewohner ernähren. Zuletzt zugrunde gehen wird
lokale Subsistenzwirtschaft in kühleren und unwegsamen Gebieten. Am Schluss
steht die unbewohnbare Erde.
So könnte der indianische Häuptling recht behalten, der vorausgesagt hat, dass der weisse Mann untergehe werde, mit Zivilisation, übriger Menschheit und halber Schöpfung. Vielleicht sollte man sich nicht mehr mit Massnahmen, sondern eher mit der richtigen Einstellung zum Sterben beschäftigen.
Immerhin stellt sich noch die Frage, wie dieses lemmingartig blinde in den Tod Laufen zustande kommen konnte. Dazu einige Nachbemerkungen:
Verdrängung des Todes
Seit Impfungen und Antibiotika ist der Tod
nicht mehr allgegenwärtiger Teil des Lebens und er wird gern verdrängt.
Elisabeth Kübler-Ross hat beschrieben, was passiert, wenn er dann doch
auftritt, z.B. als Krebskrankheit - die Parallelen zur Reaktion auf die
tödliche Klimakatastrophe sind frappant: Zuerst kommt die Verdrängung - wer den
Tod nicht sehen kann, kann auch die tödliche Gefahr nicht wahrnehmen. Deshalb
der harmlose Ausdruck Klimawandel an Stelle von Selbstverbrennung. Nach der
Verdrängung kommt das Hadern mit dem Schicksal: Der Überbringer der Nachricht
wird angegriffen, sei das nun der Arzt oder Greta Thunberg. Dann kommt das
Markten mit dem Schicksal, man versucht Alternativkuren und Scharlatane, oder glaubt
an umweltverträgliches Wachstum und e-Mobilität. Der Einsicht, dass das auch
nichts bringt folgt die Depression, die wir bei Schwerkranken und bei
Umweltbewussten in genau gleicher Form finden. Im besten Fall folgt ein
Annehmen des Schicksals. Bezüglich Klimakatastrophe ist die Mehrheit noch am
Verdrängen, Hadern und Markten.
Schuldzuweisungen
Nicht nur die Überbringer der Nachrichten
dienen als Sündenböcke, auch die Politiker. Aber immerhin, in den Demokratien
sind sie gewählt. Und in der Schweiz wird sowieso alles vom Volk entschieden:
Im Sommer 2021 hat das Schweizer Volk in einer Abstimmung eine milde
CO2-Besteuerung abgelehnt, auch abgelehnt wurden Initiativen gegen Pestizide
und gegen Trinkwasservergiftung. Hierzulande verbrennt und vergiftet man sich
also eigenverantwortlich und freiwillig, es gibt keine Sündenböcke. Und so
sitzen wir denn wie alle anderen wohlstandsnarkotisiert in unserer Wachstums-
und Konsumgesellschaft und wissen so wenig vom nahenden Ende, wie die glücklich
wohlgenährten Truthähne und Gänse vor Thanksgiving und Weihnachten.
Politischer Druck
Die angeschuldigten Politiker und Machthaber
wollen im Sattel bleiben und deshalb kehren sie Probleme immer und überall
unter den Teppich. Als James Hansen ab 1981 bei der NASA über das Klimaproblem
alarmierte wurde er verwarnt und es wurden ihm die Finanzmittel gestrichen. Das
Intergovernmental Panel on Climate Change schrieb und schreibt seine Berichte
unter politischem Druck der öl- und kohleabbauenden Länder, wohl deshalb wurden
optimistische Mittelwerte verwendet und extremere Risiken
ausgeblendet. Noch neulich hat das IPCC die 1,5 Grad auf 2040 vorausgesagt, dabei aber «vergessen», dass die Treibhausgase weiter steigen: Wird
das eingerechnet kommen die 1,5 Grad schon 2030 (1).
Untaugliches Risikomanagement
Ein Arzt muss mit Risiken realistisch
umgehen: Patienten mit Blutung aus dem Enddarm haben fast immer nur harmlose
Hämorrhoiden. Aber dieser statistische Mittelwert bedeutet nichts. Wenn der
Arzt die wenigen Prozent mit Darmkrebs verpasst so droht der
Kunstfehlerprozess. Entsprechend muss ein Arzt immer auf die schlimmstmöglichen
Varianten gefasst sein. Nachdem sich die optimistischen Annahmen der
Klimapolitik laufend als falsch erweisen, so würden die Verantwortlichen vor
Gericht gehören, wenn wir die Massstäbe der Medizin anlegen würden.
Generationenproblem
Auf COVID wurde weltweit recht rasch und
entschlossen reagiert, man konnte Flüge und Kreuzfahrten durchaus verbieten.
Warum wird das nur für COVID gemacht und nicht für das Klima? Weil die
Entscheidungsträger vorwiegend ältere Herren sind, für die COVID gefährlich
ist. Solange es keine Impfung gab schützten sie sich durch Lockdown. Vom Klima
wähnen sie sich nicht mehr gross betroffen, aber sie könnten sich noch wundern.
Jetzt organisiert die denkende Jugend die Proteste, zu denen denkende
Erwachsene während 50 Jahren nicht fähig waren. Entsprechend werden die
Mehrheiten bald ändern, die Frage ist nur, ob die Zeit noch reicht.
Die Endlichkeit der Lebensgrundlagen
Ein endlicher Planet hat nur Platz für eine
beschränkte Zahl von Menschen, alles andere ist infantile Allmachtphantasie.
Frühe Warnungen von Malthus (1798) und von Ehrlich (The population bomb, 1968)
erwiesen sich als vorläufig unbegründet wegen der technischen und der grünen
Revolution. Der Bericht «Grenzen des Wachstums» des Club of Rome sah 1972 die
nachhaltig mögliche Obergrenze der Weltbevölkerung bei vier Milliarden. Das
Buch wird oft falsch zitiert, um es zu entkräften. Aber eine Verknappung der
Ressourcen oder der Agrarproduktion ab dem Jahr 2000 wurde dort nie
vorausgesagt, sondern offengelassen. Feste Voraussage jedoch war,
dass weiteres Wachstum in der Mitte des 21. Jahrhunderts zu einem
Zusammenbruch führen werde, mit Rückgang von Produktion und Bevölkerung. Und
zwar sei der in jedem Fall kritische Faktor die Umweltverschmutzung. Auch der
Treibhauseffekt des CO2 wurde erwähnt, und wie sich herausstellt, scheint
dieser jetzt der begrenzende Verschmutzungsfaktor zu werden.
Was getan werden müsste
Windräder, e-Mobilität, A-Werke oder Veganismus haben bisher am CO2-Anstieg nichts geändert. Alles kann diskutiert werden, aber Einzelmassnahmen sind nicht hinreichend. Auch ein «Systemwechsel» oder eine Enteignung der «Reichen» kann nicht ein Gesamtpaket ersetzen, das unseren Konsum oder unsere Zahl, oder beides reduziert. Elemente dazu wäre: Optimal isolierte Häuser, Holzbau, verkehrsarme Siedlungen, leistungsfähiger öffentlichen Verkehr bei massiv eingeschränktem motorisiertem Privatverkehr, Verzicht auf Flüge, vorwiegend vegetarische und lokal produzierte Nahrung, weniger Konsum von allem, u.a. Warmwasser, Wasser und Kleidern, dazu Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre, soweit möglich. Weniger Produktion heisst auch weniger Arbeitszeit. Mit all dem wäre es wohl möglich, auch bei der heutigen Bevölkerungsgrösse den Energieverbrauch massiv zu senken und fast vollständig durch erneuerbare Quellen zu decken (2). Aber das Artensterben würde dadurch wohl nicht verhindert, dazu meint der berühmte Insektenforscher E.O.Wilson, dass wir die Hälfte der Erde der Natur überlassen müssten. Und das würde wohl nicht ohne Bevölkerungsreduktion gehen.
Es war mir persönlich immer schleierhaft, wieso Bevölkerungszahlen und Bevölkerungsvermehrung nicht verhandelbar sein sollen. Dem Planeten und uns würde es wohl mit einer Weltbevölkerung von zwei Milliarden Menschen besser gehen. Dazu bräuchte es Generationen freiwilliger Einkindfamilien, wenn nicht die Umweltgifte unsere Fruchtbarkeit noch rechtzeitig eindämmen. Wenn wir die Kurve nicht mehr kriegen wird uns jedenfalls die Umweltkatastrophe dezimieren oder ausrotten. Ob das ethischer und gescheiter ist?
(1) Global warming will happen faster than we think - Nature 2018
(2) Providing decent living with minimum energy: A global scenario - ScienceDirect
(1) Ein anderes Tabu ist diese Fixiertheit auf das Jahr 2100. Wie heiß es 2100 sei wird. Viel wichtiger ist doch, auf welchem Niveau sich die TEmperatur stabilisieren wird, egal zu welchem Zeitpunkt. Wie heiß wird die Erde werden, bevor sie wieder abkühlt? Dazu liest man so wenig...
AntwortenLöschen(2) Mittelfristig mach ich mir gar keinen so großen Kopf mehr wegen Klimapolitik. Es ist klar, dass sie zu spät kommen wird, um eine große Katastrophe abzwenden. Inzwischen halte ich die FRage für wichtiger, was man tun kann, dass die Menschheit, jedenfalls ie Politiker, im Moment der Katastrophe auf einen richtigen Weg (der Kooperation, des Lastenausgleichs) zurückfinden, statt dem Reflex zu folgen, "rette sich wer kann".
(3) Im schlimmeren Fall werden sich in den Refugien, in denen man noch halbwegs normal leben kann, Warlords breitmachen, die jedem den Zutritt verweigern werden, der sich nicht von ihnen versklaven lassen will.
Die Fixiertheit auf das Jahr 2100 scheint mir auch widersinnig und zwar, weil die Erde durchaus schon in einigen Jahrzehnten oder schlimmstenfalls in einigen Jahren unbewohnbar werden könnte. Schliesslich gibt es 65 positive Feedbackmechanismen, die alle vereint die Erwärmung beschleunigen. Und die Entwicklungen dieses Sommers hat niemand vorausgesehen, es beschleunigt sich alles rapid.
LöschenGibt es eine Bewegung oder eine Partei, bei der sich jedes Mitglied verpflichtet, die eben genannten notwendigen Interventionen für sich selbst zu erfüllen (zumindest zu einem hohen Prozentsatz)? Falls ja, würde ich gerne beitreten ! Falls nein würde ich gerne die Gründung mit versuchen.
LöschenWinfried Humpert Konstanz
Lieber Herr Humpert, es gibt die Grüne Partei in verschiedenen Kantonen und Ländern. Viele Grüne leben auch was sie predigen, viele leben es sogar, ohne zu predigen oder sogar ohne nach aussen "grün" zu sein. Da kann man sich anschliessen. Aber sicher muss man zuerst bei sich selber anfangen: Kein Auto, nicht fliegen, wenig heizen, kein Wegwerfkonsum etc. Ein Problem vieler Grüner ist, dass sie vor lauter Gutmenschentum ausblenden, dass das Grundproblem die Überbevölkerung ist. Z.B. faselt der Praesident der Schweizer Grünen von der 10-Millionenschweiz, wo wir doch schon mit 8 Millionen mindestens im doppelten Overshoot sind.
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