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Sonntag, 11. April 2021

Scheinfunktion Risk-Officer

(Erstmals erschienen auf Insideparadeplatz.ch am 8.4.2021)

Für die Credit Suisse hatte ich früher ein gewisses sentimentales Interesse, wegen 1’000 sozusagen historischen CS-Aktien, die ein Vorfahre einst bei der Gründung erworben und mir über die Generationen vererbt hatte.



Ich habe diese Aktien rechtzeitig abgestossen und auch schon meine Enttäuschung über die CS geäussert (siehe unten). Und schon haben wir den nächsten Skandal: ungeheure Risiken, die Chief Risk Officer wird in die Wüste geschickt – was läuft hier ab und was läuft falsch?

Auch ein Laie darf sich ja Überlegungen machen. Das erste Mal zweifelte ich am Risikomanagement dieser Bank schon vor 25 Jahren.

Ich behandelte als Arzt eine CS-Filialleiterin aus einem Alpental mit Grandhotels, Tourismusbetrieb und Kurgästen, ein Bergkind aus einer abgeschlossenen Region, wo die Einheimischen nicht viel reden, wo aber jeder jeden kennt, wo jeder von jedem bis zurück zum Urgrossvater weiss, wer Rechnungen pünktlich bezahlt, wer Schulden macht, wer ein Spieler oder Angeber ist, wer seriöse und termingerechte Arbeit liefert, wer eine ruinöse Scheidung hinter sich oder gar noch vor sich hat, wer säuft oder wer querulatorische Prozesse führt.

Alles fast wie zu Gotthelfs Zeiten.

Wer kann Kreditgeschäfte in einer solchen geschlossenen alpinen Gesellschaft besser beurteilen, als eine Filialleiterin die dort aufgewachsen ist und von Familie und Schule, vom Trachtenchörli und den Abfahrtsrennen im Sportverein jeden kennt und über jeden Erkundigungen einziehen kann?

Sie hat mir mal nebenbei geklagt, dass die Credit Suisse in ihrer Weisheit den Filialleitern jetzt die Kompetenz zur Krediterteilung entziehe und in Zürich zusammenfasse. Aber die dort unten hätten ja keine Ahnung, wie es bei ihnen oben laufe, und viele Entscheide seien nicht nachvollziehbar.

Die Gründe für die Neuorganisation konnten somit kaum in der Sache liegen, schliesslich musste man kein grüner Anhänger von Dezentralisation und „Small is beautiful“ sein, um einzusehen, dass man solche Situationen in einer solchen Gesellschaft vor Ort besser beurteilen konnte.

Wahrscheinlich wollte einer dort unten seinen Machtbereich vergrössern, um Direktor oder Generaldirektor zu werden – übliches Säugetierverhalten halt.

Banking ist – wie die Medizin – ein risikobehafteter Beruf. Niemandem in der Medizin würde es einfallen, die Risiken irgendjemandem zu delegieren, beispielsweise einer spezialisierten Beurteilungsstelle oder einem Chief Risk Officer.

Denn nur der, der den Fall am besten kennt, kann das Risiko am besten beurteilen, und das ist halt der Mann (oder die Frau) an der Front, welche(r) den Fall managt.

Das wird im Banking kaum anders sein. Ich kann deshalb nicht glauben, dass ein Chief Risk Officer irgendwelche Risiken für die Bank abwenden kann, denn er kann die Abertausende von Geschäften, die jeden Tag abgewickelt werden, unmöglich kennen, und er ist nie vor Ort.

Und was nützt ein Heer von Risk-Managern und Mathematikern im Backoffice, wenn man an der Front nicht merkt, dass der fromme koreanische Grosskunde ein vorbestrafter Grossbetrüger ist? Ganz zu schweigen vom nächsten „Black swan“.

Im Klartext sind der Chief Risk Officer und seine Leute lediglich als Bauernopfer und Sündenbock bezahlt, damit man jemanden in die Wüste jagen kann, wenn etwas schief läuft.

Das heisst, sie wenden nicht Risiken von der Bank ab, sondern nur von den wirklich Verantwortlichen. So jetzt wieder bei der Credit Suisse.

Wie lange werden Publikum und Aktionariat (also unsere Pensionskassen) noch an solche Scheinmanöver glauben? Und wie lange werden Publikum und Aktionariat (also unsere Pensionskassen) noch obszöne Millionenboni für Zocker garantieren, die selber null Risiko laufen, weil sie kein eigenes Geld investiert haben?

Und wann wird man die nächste Bank mit Steuergeldern sanieren müssen?

In Erinnerung kommt einem, was C. Northcote Parkinson schon 1957 gesagt hat, nämlich, dass eine so verkommene Institution unrettbar verloren sei. Einzige Lösung bleibe, das Personal mit hervorragenden Arbeitszeugnissen zu versehen und an die gefährlichste Konkurrenz wegzuempfehlen sowie alle Geräte und Dokumente zu entsorgen. Die Gebäude seien hoch zu versichern und dann anzuzünden.

Erst wenn nur noch eine geschwärzte Ruine zurückbleibe, sei ein Rückfall ausgeschlossen.

Nur werden unsere Regierungsstellen solche Überlegungen ganz sicher nicht aufgreifen, erhalten unsere Bundesrätli doch bei Wohlverhalten von den Banken regelmässig ein Verwaltungsratssitzli bei Rücktitt.


Weiteres zumThema:

https://insideparadeplatz.ch/2019/09/26/obszoene-bankerloehne-als-symptom/

https://insideparadeplatz.ch/2019/10/16/banken-inkompetenz-und-neid-als-toedliche-infektion/

C.Northcote Parkinson: Parkinson’s Law or the Pursuit of Progress (1957). Der ganze Text findet sich online hier.




Donnerstag, 26. September 2019

Obszöne Bankerlöhne als Symptom

(Zuerst erschienen auf insideparadeplatz.ch und journal21.ch am 26.9.2019)


Zugegeben, ich bin nicht unparteiisch.
Mein Ur-Ur-Grossvater Heinrich Fierz-Etzweiler (1806-1891), Unternehmer und Seidenhändler war Verwaltungsrat der Schweizerischen Kreditanstalt (1859–1881), von 1877–1881 auch dessen Vizepräsident und Präsident. Aber was ist aus diesem Laden geworden...

Jahreslöhne von 13 Millionen und Boni in Millionenhöhe sind weitab irgendwelcher Durchschnittseinkommen, man kann sie als Abnormität einordnen.

Abnormität wäre an sich noch keine Wertung. Sie sind aber mehr als abnorm, sie sind ungesund, denn kein Mensch kann 13 Millionen im Jahr durch Leistung verdienen, kein Mensch kann 13 Millionen im Jahr vernünftig verbrauchen, und - das kann man wohl sagen - kein wirklich anständiger Mensch könnte oder würde ein solches Honorar als verdient annehmen. Kommentatoren verwundern sich denn auch immer wieder kopfschüttelnd, dass solche Exzesse von Aktionariat und Verwaltungsrat widerspruchslos abgenickt würden. Ist die kopfschüttelnde Verwunderung berechtigt?

Das Ungesunde und Krankhafte liegt hier im Urteilen und Bewerten, wir sind im Bereich der Psychopathologie. Wie immer bei einem abnormen medizinischen Befund stellt sich die Frage, ob das Symptom schon die ganze Krankheit sei, oder ob sich eine andere Grundursache dahinter verberge. Um bei einem medizinischen Beispiel zu bleiben: Beim einfachen hohen Blutdruck ist das Symptom auch die Krankheit, aber hoher Blutdruck kann auch Symptom einer Nierenerkrankung sein, und die Behandlung wird ganz anders.


Um zur Psychopathologie zurückzukehren: Nach Sigmund Freud können neurotische Symptome aus verdrängten psychischen Inhalten - quasi als Abfallprodukt - entstehen. Alfred Adler hat dazu ergänzt, dass psychische Symptome nicht notwendigerweise ein "Abfallprodukt" sein müssen, sie können durchaus einen Zweck haben, ja sie können einen Zweck geradezu durchsetzen (1). Diese Adlersche Erkenntnis hat mich zur Frage gebracht: Was, wenn die obszönen Bankerhonorare nicht die Krankheit wären, sondern nur ein Symptom, hinter dem sich ein ganz anderer Zweck versteckte?

Zum Beispiel könnten solche Honorare signalisieren, dass sich gar kein anständiger Mensch melden solle, weil es nicht um verdientes Geld geht. Denn das ganz grosse Geld macht man mit Oligarchen und Drittweltpotentaten, mit Drogenhändlern und drogenproduzierenden Pharmabossen (Purdue), die den zusammengerafften Reichtum in Sicherheit bringen wollen. Kommen dazu die Bankspekulationen mit hundertfachen Hebeln.

Klar, man betreibt auch Swiss Retail Banking, dies als Tarnung und vor allem als Rückversicherung, damit die tumben Schweizer Steuerzahler die Milliardenverluste decken, wenn wieder mal was schiefläuft. Hat ja bisher immer blendend funktioniert. Schliesslich ist man systemrelevant und die Bundesrätli bekommen bei Wohlverhalten auch immer ein Verwaltungsratssitzli, damit das Volk weiter geradestehen darf.


Wenn das Geschäft mit den Drittweltpotentaten gut laufen soll, braucht es Bereitschaft zur Korruption, und genau das wird mit den obszönen Honoraren signalisiert und honoriert. Und am besten gibt man die Leitung des ganzen Schweizer Instituts auch gerade Vertretern der Drittweltpotentaten, dann ist gegenseitiges Vertrauen garantiert. Dass damit Schweizer Solidität, soweit sie denn noch restweise vorhanden war, vor die Hunde geht, dass damit die Umgangsformen einer Bananenrepublik und einer Bananenfirma importiert werden ist in Kauf zu nehmen. Verwaltungsrat und Aktionariat nicken ab, nicht trotz der Excesse und Auswüchse, sondern eben gerade, weil diese begründet und gewollt sind. Es gibt weder was zum Verwundern, noch zum Kopfschütteln.

Übrigens habe ich die generationenlange Beziehung meiner Familie zur Credit Suisse schon lange gekappt.


Literatur:
(1) C.G.Jung, "Über die Psychologie des Unbewussten", 8.vermehrte und verbesserte Auflage, von "Das Unbewusste im normalen und kranken Seelenleben" Rascher 1943, Nachdruck Rascher Paperback 1966, S.47.