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Sonntag, 15. September 2019

Die Fragilität von Menschenrechten und von Klimagerechtigkeit


Ich teile die Sehnsucht aller, die sich für Menschenrechte und die von diesen abgeleitete Klimagerechtigkeit einsetzen, wie z.B. Denknetz, Greenpeace, Fastenopfer, Brot für alle, Klimastreiker oder Grüne Partei, die sich die Klimagerechtigkeit vor den Wahlen auf die Fahne geschrieben hat.

Mit diesen Forderungen bestätigt man sich und anderen, dass man ein guter Mensch ist - möglicherweise werden sie manchmal überhaupt nur deshalb geäussert, und das ist akzeptabel. Wenn aber diese Forderungen ein unrealistischer frommer Wunsch wären, betriebe man dann vielleicht Selbstbetrug? Und wenn man damit in Wahlen zöge, betriebe man dann nicht sogar Betrug am Wähler? (Wobei falsche Versprechungen ja seit jeher das Kerngeschäft der Politiker sind).

Natürlich werden Menschenrechte sowieso gebetsmühlenartig von verschiedensten Seiten eingefordert: Von Politikern auf Chinareise, die ihrer Klientel versichern wollen, wie zuhause alles so menschlich sei (auf USA-Reisen wird davon nicht geredet).

Gerne faseln Grossmächte von Demokratie und Menschenrechten, um Ausbeutungskriege und Umsturzversuche zu rechtfertigen, welche die betroffenen Länder regelmässig ruinieren. Z.B. ist zu bezweifeln, dass die gewaltsame Ausschaltung Gadaffis in Libyen irgendeinen positiven Effekt gehabt habe.

Nicht zuletzt dienen Menschenrechte den Linken und Grünen als Begründung für Asylgewährung und Klimagerechtigkeit, selbst wenn die Turnschuhe, die sie tragen unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wurden (ich trage auch Turnschuhe).

Nun wäre es zweifellos schön, wenn jedem Menschen die Menschenrechte gegeben wären, wie Nase und Ohren. Sind sie aber nicht. Menschenrechte sind ein Konstrukt von Neuzeit und Aufklärung - möglicherweise inspiriert durch den Kontakt mit Naturvölkern - und ihre erste Proklamation in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 beginnt so:

“We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness..."


Die Formulierung "We hold these truths to be self-evident..." zeigt klar, dass es sich um eine Ansicht bzw. um einen Glaubenssatz handelt und nicht um eine objektiv überprüfbare Tatsache, wie eben diejenige, dass der Mensch Nase und Ohren hat. Eine modernere Formulierung wurde 1948 von den Vereinten Nationen angenommen. 1966 kam noch der sog. Zivilpakt über bürgerliche und politische Rechte dazu, sowie der Sozialpakt über wirtschaftliche und soziokulturelle Rechte. Alles zusammen bildet die internationale Menschenrechtscharta.

Wenig bewusst ist dem Westen die islamische Version der Menschenrechte von 1990 (EMRI): Sie basiert auf der Scharia, Frauen sind nicht gleichgestellt und Nichtmuslimen wird das vollwertige Menschsein abgesprochen. Gemäss Präambel der EMRI soll das global durchgesetzt werden, wogegen sich unter den 1,8 Milliarden Muslimen bisher kaum Gegenstimmen vernehmen liessen.  

Breit durchgesetzt haben sich die Europäischen Menschenrechtsideen im 19. und 20. Jahrhundert und zwar vor allem in Europa und Nordamerika, wo durch koloniale Ausbeutung, fossile Energieträger und Industrialisierung der Überfluss so gross wurde, dass es für die herrschende Elite bequemer wurde, der Unterschicht bescheidenen Wohlstand und den Anschein von Rechten zuzugestehen, um Konflikte zu vermeiden.

Ausserhalb von Europa und Nordamerika herrscht dagegen meist nicht Überfluss, sondern Mangel und dann setzt sich fast zwangsläufig eine Clique an die Macht, die für sich schaut, dabei oft stellvertretend die Rolle der früheren Kolonialmächte übernimmt und den Rest der Bevölkerung unterdrückt. Deshalb sind für über 80 Prozent der Weltbevölkerung die Menschenrechte nur Wunschtraum oder Lüge. Auch durch die USA werden sie nur teilweise eingehalten (Guantanamo, Tötungen mit Drohnen ohne Gerichtsverfahren, Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung durch Polizei und Rechtspflege). 

Bei dieser Cliquenherrschaft sind die Unterdrückungsmechanismen immer gleich: Der innere Machtzirkel stützt sich auf zugewandte Profiteure und zusammen kontrollieren sie das Gewaltmonopol des Staates, d.h. Polizei und Armee, denen auch Privilegien zugeschanzt werden. Demokratie, Opposition und unabhängige Justiz werden ausgehebelt und denkende Menschen zum Schweigen gebracht. Die dafür nötige Brutalität und Terror werden oft einem eigenen Repressionsapparat übertragen (Gestapo, KGB, SAVAK). Auch die Wissenschaft ist nicht sicher, wenn sie dem Machtmonopol in die Quere kommt: Papst gegen Galilei, Hitler gegen Einstein, Stalin mit Lysenko gegen die Genetik.

Meist findet diese Unterdrückung hinter einer Fassade oder Benutzeroberfläche statt, die verschieden aussehen, aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass der zugrundeliegende Mechanismus immer gleich ist. Das Kostüm ist religiös (Iran, Saudiarabien, pseudoreligiöser Marxismus), oder nationalistisch-militärisch (China, Ägypten), oder beides (Russland, USA). Die detaillierte Beschreibung und Klassifizierung dieser Fassaden scheint nicht sehr relevant, handelt sich doch nur um Rationalisierungen und Konfabulationen.

Selbst fortschrittlichen Staaten droht der Rückfall in Klüngel- und Gewaltherrschft, sobald Mangel eintritt, wie z.B. Deutschland nach der Wirtschaftskrise nach 1929. Auch Trumps Vereinigte Staaten zeigen Anfangssymptome: Verarmung der Mittelschicht, Verzerrung der Demokratie durch Gerrymandering und Behinderung des Wahlrechts, Nähe zu Generälen, Knebelung des Geheimdienstes, der Justiz und der Klimawissenschaft, Liebäugeln mit einer zeitlich unlimitierten Regierungzeit, sodass selbst Republikaner Besorgnis über eine totalitäre Entwicklung äussern. Die Fassade in den USA ist ähnlich nationalistisch-religiös wie in Russland, was wohl die gegenseitigen Sympathien begründet.

Im Zusammenhang mit der Klimakatastrophe reden viele Gutwillige von Menschenrechten und von Klimagerechtigkeit. Aber bei weiterer Erwärmung werden sich Dürre, Mangel und Hungersnöte flächendeckend in der ganzen Welt ausbreiten. Johan Rockström, Direktor am Potsdamer Klimaforschungsinstitut meint, dass die Erde bei vier Grad Globalerwärmung vielleicht nicht mehr acht Milliarden Menschen wird ernähren können, vielleicht nicht einmal mehr die Hälfte davon.

Damit drohen Verteilkämpfe und Massaker auch bei uns. Ein Überlebender des Warschauer Ghettos hat mir erzählt, dass man sich selbstverständlich um das letzte Brotstück totschlage.

Dann gilt nur noch das Recht des Stärkeren, und wenn nichts mehr übrigbleibt hat auch der Kaiser sein Recht verloren. Gleichzeitig wird es langsam auch die Pflanzen- und Tierwelt verbrennen, sodass das Einfordern höherer Rechte speziell für Menschen sowieso illusionär wird.

Wer im Ernst meint, dass 1,5 Grad-Ziel, Menschenrechte und Klimagerechtigkeit mehr als Wunschvorstellungen seien täuscht sich selber und und vielleicht andere. Vor allem beweist er, dass er vom Ernst der Lage nichts begriffen hat.