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Freitag, 31. Mai 2024

Old-Age Pensions running out of Sperm

Declining sperm counts will have consequences. 

Mother Nature only wants one thing from a man: for him to produce sperm and deposit it in a fertile woman. The man as a business. And the sperm as a dividend that is released two to three times a week, normally 50-500 million at a time.

Nature needs abundance: below 40 million, reproduction begins to struggle.

Sperm cells were first seen by cloth merchant Anthony van Leuwenhoek in Delft. 

He had invented a very primitive microscope. That was 350 years ago.

He regarded the sperm cells as little animals, each containing a preformed human being.

They have been counted like blood cells for 150 years. The count is not an opinion, but a measurement result that cannot be changed, only interpreted.

In 1992, the first report came from Denmark about a dramatic decline in sperm counts since around 1950. After scepticism, the findings were confirmed in Western countries.

In 2017, a survey showed a decline of around one per cent per year to less than half. The male sex hormone testosterone is falling in parallel. Involuntarly childless couples are becoming more frequent.

As a result, male fertility will decline from around 2045. Devastating for any old-age pension. Without a reversal of the trend, the only option is to hope for the retort or fertile southern migrants.

But in 2022, the latest findings show an accelerated decline to 2 per cent per year. Also in Asia, Africa and South America. No trend reversal. Reproduction problems even before 2045.And little hope for fertile southern migrants.

There is a lot of talk about old age pensions in many media. but the decline in sperm count has gone largely unmentioned in this context.

As for causes the falling testosterone levels hint to hormone imbalance. There is a lot of evidence to blame the plasticisers in plastic. They distort hormone effects, and we ingest them through milk bottles and yoghurt pots, among other things. I elaborated on this here: Sperm Loss by Castration in the Womb - by Lukas Fierz (substack.com)

The French parliament has just banned many of these chemicals. And the parliaments of other countries? 

Yes I know, probably they are doing nothing as always. Not so bad in view of overpopulation. So we could go back to business as usual, as with bees, other insects and songbirds.

Nevertheless, there are some questions that keep me going. But this is perhaps for another time. 






Donnerstag, 23. Mai 2024

Spermienschwund: Weichmacher kastrieren im Mutterleib

Weichmacher aus dem Plastik machen Spermienschwund durch eine Art milde, in der Schwangerschaft wirkende chemische Kastration.  

DerAHV gehen die Spermien aus. Jedes Jahr 2 Prozent weniger und bis ins Jahr 2045 werden wir in Reproduktionsprobleme laufen. Das kann man gut finden oder nicht. Beidemale interessieren die Ursachen:  

Der Rückgang begann schon 1950, vor den Handys und vor den mRNA-Impfstoffen. Und es gibt ihn auch ohne die nachgewiesenen Lifestyle-Faktoren wie Übergewicht, Trainingsmangel, Nikotin, Marihuana, Alkoholexzesse, Süssgetränke und Stress. 

Ausserdem passiert es schon im Mutterleib. 

Hier kommen die Weichmacher aus dem Plastik ins Spiel, die Phtalate: In fast jedem Plastik vorhanden sind sie schlecht abbaubar und langlebig («forever chemicals») und gehen überall hin, auch in uns und in den Urin. Phtalate haben eine ähnliche Struktur wie gewisse Hormone und damit verwirren sie unsere hormonelle Signalübertragung: Man nennt sie "endokrine Disruptoren". 


Strukturformel des Testosterons

Phtalate reduzieren die Testosteronwirkung und bei Einwirkung in der Schwangerschaft  beim Tier machen sie Missbildungen der männlichen Geschlechtsteile, das sogenannte "Phtalatsyndrom". 

Beim Tier ist das messbar am Abstand zwischen After und Geschlechtsteil. Mehr Testosteron macht mehr Abstand, er ist ab Geburt bei Männchen grösser als bei Weibchen. Wenn Phtalate die Testosteronwirkung reduzieren, so reduzieren sie diesen Abstand.

Am Menschen fand Frau Prof. Shanna Swan in New York dasselbe: Phtalate in der Schwangerschaft verkleinern die anogenitale Distanz des männlichen Nachwuchses und stören die Entwicklung der Hoden. Die kleinere Distanz wird ins Erwachsenenalter mitgenommen und geht u.a. mit verminderter Spermienzahl, vermindertem Testosteron und verminderte Fruchtbarkeit einher. 

Damit haben wir das Phtalatsyndrom beim Menschen, verursacht durch eine Art milde, vorgeburtliche chemische Kastration im Mutterleib. Das ungeborene Kind ist sehr empfindlich. Dem erwachsenen Mann machen Phtalate weniger.  

Phtalate gehen auch in die Muttermilch und in den USA haben schon ein Viertel aller Frauen eine riskante Phtalatkonzentration im Blut. Aber selbst eingehaltene Grenzwerte trügen, denn verschiedene dieser Stoffe - jeder in behördlich "sicherer" Dosierung, aber zusammen gegeben - wirken trotzdem schädlich. Und als weitere Gemeinheit: Bei Gabe über mehrere Generationen verstärkt sich die Wirkung. 

Weltweit beobachtet man nicht nur einen Spermienrückgang, sondern auch eine Zunahme von Missbildungen der männlichen Geschlechtsteile, von im Bauchraum verbliebenen Hoden und von Hodenkrebs. Und immer stehen endokrine Disruptoren im Verdacht. Nicht nur Phtalate, auch Bisphenole und gewisse Unkraut- und Insektenvertilgungsmittel. 

Frauen sind nicht ausgenommen, sondern wie immer mitgemeint: Ihnen machen endokrine Disruptoren eine verfrühte Pubertät, verminderte Libido, Fehl- und Frühgeburten, beschädigte Kinder oder Unfruchtbarkeit, polycystische Ovarien, sowie vorzeitige Menopause. Vielleicht sogar Endometriose und Brustkrebs. 

Vernebelt wird die Orientierung durch die Vielzahl der angeschuldigten Stoffe, durch die unklare Deklaration und vor allem weil man keine beweisenden Versuche an Menschen machen kann. Somit ist man auf Indizien und auf Parallelen aus dem Tierversuch angewiesen.  

Aber die Indizienkette ist mittlerweile so suggestiv, dass sich die Frage stellt, wie man den endokrinen Disruptoren entgehen könnte. 

Und weil Hormone auch auf das Verhalten wirken, fragt sich weiter, was diese Hormonmanipulation mit unserem Verhalten und Bewusstsein anstellt. 

Oder gehen solche Fragen wirklich zu weit? Was meint die geneigte Leserschaft?

N.B. Das Buch von Prof. S.Swan "Count Down", Scribner 2021 ist in Deutscher Übersetzung als e-book erhältlich für Fr. 3.40: 'Count down - Was uns immer unfruchtbarer macht' von 'Shanna H. Swan' - eBook (orellfuessli.ch)

 

Freitag, 10. Mai 2024

Der AHV gehen die Spermien aus

(Erstmals erschienen auf Inside-Paradeplatz am 10.5.2024)


Spermien und Testosteron gehen zurück, mit versicherungstechnischen und gesellschaftlichen Folgen: Zuviel für den Tages-Anzeiger.

Mutter Natur will vom Mann nur eines: Dass er Spermien produziere und in einer fruchtbaren Frau deponiere.

Der Mann als Betrieb. Und die Spermien als Dividende, die zwei- dreimal pro Woche ausgeschüttet wird, normalerweise 50-500 Millionen aufs mal.

Natur braucht Überfluss: Unter 40 Millionen beginnt es mit der Fortpflanzung zu hapern.

Erstmals gesehen hat die (eigenen) Spermien der mikroskopierende Tuchhändler Anthony van Leuwenhoek in Delft. Das war vor dreihundertfünfzig Jahren.

Er betrachtete sie als kleine Tierchen, jedes ein vorgebildetes Menschlein enthaltend.

Man zählt sie wie Blutkörperchen, das kann man seit 150 Jahren. Die Zählung ist keine Meinung, sondern ein Messresultat, das man nicht verändern, nur interpretieren kann.


1992 kam der erste Bericht aus Dänemark über einen dramatischen Spermienrückgang seit circa 1950. Nach Skepsis bestätigte sich der Befund in westlichen Ländern.

Eine Übersicht kam 2017 auf einen Rückgang von rund einem Prozent pro Jahr auf weniger als die Hälfte. Das männliche Sexualhormon Testosteron sinkt parallel. Ungewollt kinderlose Paare werden häufiger.

So wird die männliche Zeugungskraft ab etwa 2045 erlahmen. Für die AHV vernichtend. Ohne Trendumkehr bleibt nur die Hoffnung auf die Retorte, oder auf fruchtbare südländische Migranten.

Immerhin schlafen wir ruhig, wissen wir doch von Frau Dreifuss und Herrn Maillard, dass die AHV gesichert ist. Es lebe der fröhliche Ausbau.

2022 ergaben neueste Befunde eine beschleunigte Abnahme bis auf 2 Prozent im Jahr. Auch in Asien, Afrika und Südamerika. Keine Trendumkehr. Reproduktionsprobleme schon vor 2045.

Und wenig Hoffnung auf fruchtbare südländische Migranten.

In den Medien war neuerdings viel die Rede von der AHV, aber der Spermienrückgang blieb in diesem Zusammenhang weitgehend unerwähnt.

Angesichts der Überbevölkerung ja nicht so schlimm. So könnten wir zur Tagesordnung übergehen, wie bei den Bienen, den anderen Insekten und den Singvögeln.

Immerhin lassen mich drei Fragen nicht los:

1. Wo bleiben die Abtreibungsgegner, nachdem wir über die Hälfte der Spermien killen? Diese enthalten zwar keine Menschlein, sind aber eine Art Vormenschlein. Und wer weiss, vielleicht haben sie sogar eine kleine Seele.

2. Der sinkende Testosteronspiegel spricht für Hormonstörung. Viele Indizien beschuldigen die Weichmacher aus dem Plastik. Sie verfälschen Hormonwirkungen, und wir nehmen sie unter anderem über Milchflaschen und Yoghurtbecher auf.

Das französische Parlament hat sie soeben verboten. Was macht eigentlich unser Parlament, was macht Albert Rösti?

3. Als Arzt und Naturbeobachter war ich ein Leben lang fasziniert, wie Hormone die Organe und das Verhalten steuern. Im Selbstversuch spürte ich mit Cortison oder Testosteron subjektive Effekte.

Wenn jetzt das Testosteron parallel zu den Spermien sinkt: Was macht eine flächendeckende Testosteronsenkung auf das gesellschaftliche Bewusstsein und Verhalten?

Dazu gibt es keine Beweise. Aber ziemlich viele Anhaltspunkte. Die kann man interpretieren, und dazu kann man eine Meinung haben.

Nachdem ich nicht nur spezielle Kenntnisse der Hormonwirkung hatte, sondern auch ein in der Politik geschärftes Bewusstsein für gesellschaftliche Fragen, bildete ich mir ein, dass meine informierte Interpretation und Meinung vielleicht interessiere.

Und schickte sie der Meinungsseite des Tages-Anzeigers.

Nur hatte der Meinungsredaktor, für den ich früher gelegentlich geschrieben hatte, das Ressort gewechselt. Dem neuen Redaktor war der Artikel zu lang.

Ich kürzte auf 3’000 Zeichen. Da meinte er, das sei eher für das Wissenschaftsressort.

Der Wissenschaftsredaktor stampfte mich ungespitzt in den Senkel: Für derart unbewiesene Behauptungen stehe seine Zeitung nicht zur Verfügung.

Nur, es war nicht eine Behauptung. Lediglich eine Interpretation bekannter Tatsachen für die Meinungsseite. Klar, sie ging über den heute üblichen und voraussehbaren Chat-GPT-Journalismus hinaus. Ist das wirklich zu gewagt für Zürich?

Wollen wir weiter diskutieren, oder es doch lieber lassen?

Samstag, 4. Mai 2024

EIN ALTER ARZT WUNDERT SICH

(Zuerst erschienen auf Inside Paradeplatz am 4.5.2024)

Ein Gesundheitsystem, das Leistungsausweitung belohnt, erzeugt Leistungsausweitung. Die Prämieninitiative zementiert diesen Irrsinn.

Ich bin ein alter Arzt. Seit 13 Jahren praktiziere ich nicht mehr, kann dafür aussprechen, was andere nur zu denken wagen.

Gemäss Krankenkassenstatistik lagen meine durchschnittlichen Kosten pro abgeschlossener Fall in den Jahren 1980 bis 2011 meist 25 bis 33 Prozent unter dem Durchschnitt der Fachkollegen.

Dabei hatte ich an nichts gespart, mir jede Magnetresonanz-Tomographie und jede denkbare Laboruntersuchung geleistet.

Aber ich hatte mich an die Prinzipien einer „Health Maintenance Organisation (HMO)“ gehalten: Keine unnötigen Kontrollen, möglichst viel per Telefon, keine unbegründeten Zusatzuntersuchungen, keine nachweislich unwirksame Behandlung.

Das schaffte Zeit für Unvorhergesehenes. Notfälle konnten meist unverzüglich gesehen werden.

Aufgrund dieser Erfahrung ist meine erste Überzeugung, dass mindestens ein Fünftel der Gesundheitsausgaben durch unbegründeten Überkonsum entsteht.

Nur war mit diesem Medizinalstil kein grosses Geld zu verdienen. Er war überhaupt nur möglich, weil von Haus aus Geld vorhanden und keine Hypothek zu finanzieren war.

Deshalb ist meine zweite Überzeugung: Das System zwingt die Ärzte zur Überarztung. Schuldzuweisungen gehören zuerst ans System, nicht an die Ärzte.

Tatsächlich wird im grossen Stil Geld verschwendet an Massnahmen, die nachgewiesenermassen nichts bringen:

Seresta, Temesta, Tranxilium, Librium, Valium, Lexotanil als Beruhigungs- und Schlafmittel machen mehr Nebenwirkung als Wirkung und könnten in dieser Indikation ersatzlos gestrichen werden.

Röntgenbilder und Tomographien sind bei Migräne und banalen Kopfschmerzen ebenso sinnlos wie bei banalen Rückenschmerzen.

Auch ohne Operation würden die meisten Fälle von lumbaler Diskushernie, von Tennisellbogen oder schmerzhafter Schultersteife abklingen.

Auf keine Kuhhaut geht, was man mit aussichtslosen, aber hoffnungsvollen Krebspatienten in den letzten Lebensmonaten anstellt, eine Verlängerung eines immer elenderen Lebens mit ungeheuren Kosten.

Es gibt auch Situationen, wo Änderung des Lebensstils mehr bringen würde als Medizin.

Rückenschmerzen reagieren nicht auf Physiotherapie, wohl aber auf Training. Der Altersdiabetes wäre in circa der Hälfte der Fälle durch Körperaktivität und rigorose Gewichtsabnahme heilbar.

Auch erhöhter Blutdruck würde sinken, aber die nötige Motivationsarbeit wird den Ärzten nicht bezahlt – so bleibt man bei der lukrativen, aber wenig wirksamen „Behandlung“.

Nur müssen wir uns nicht wundern: Wenn wir den Arzt nach Leistungsmenge bezahlen, so wird Leistungsmenge geliefert - „Dont’t ask the barber if you need a haircut.“

Ein dritter Punkt ist der luxuriös aufgeblähte stationäre Sektor: Dass stationäre Operationen die Krankenkassen weniger kosten als ambulante ist ein Zopf, der endlich abgeschnitten gehört.

In meinen Lehrjahren in Paris und London war ich beeindruckt von der Spitzenmedizin, die dort in Gebäuden aus dem 17. und 19. Jahrhundert betrieben wird.

Bei uns dagegen können Spitalprojekte nie zu zahlreich, zu neu, zu gross und zu luxuriös sein, es findet sich dafür immer eine Mehrheit von Ja-Stimmen, was die Baulobby genüsslich ausnützt.

Nur sind unsere Zentrumsspitäler nachgerade von einer derartigen Grösse, dass Mangel an Übersicht, Verantwortungsbereitschaft und Führung häufig zu Doppelspurigkeiten und Leerläufen führen.

Im schlimmsten Fall geraten die Patienten in eine endlose Mühle, in der niemand für sie verantwortlich ist, und sie entgleiten dem Hausarzt, der sie am besten kannte.

Auch ist dem Stimmbürger nicht bewusst, dass in den Einzel- und Doppelzimmern der neuen Paläste die Überwachung viel schlechter gewährleistet ist als in einem Sechserzimmer.

Die absolut beste Überwachung (abgesehen von einer Intensivstation) sah ich in den altväterischen Nightingale Wards in England.

Ein Riesenraum mit 28 Betten, in der Mitte zwei Schreibtische für Ärzte und Schwestern: Bei lebensbedrohlichen Zwischenfällen wie Herzstillstand, Atemstillstand, Ersticken war Hilfe innert Sekunden zur Stelle, und für junge Ärzte gab es keinen besseren Ort der Ausbildung.

Und bei der Essensverteilung halfen die Patienten, die dazu im Stande waren. Ein Gefühl von Schicksalsgemeinschaft verband alle.

In unseren Privatzimmern liegt man zwar im Luxus, aber wenn es kritisch wird, ist man hilflos und allein.

Jetzt haben wir wieder eine Abstimmung. Die Kostenbremsinitiative will die Kosten dieses verschwenderischen Systems deckeln.

Die Gefahr dabei ist, dass alle Leistungen rationiert werden, die überflüssigen und die notwendigen, ohne Verbesserung der Effizienz oder des Systems.

Und nachdem die Alten auf Kosten der Jungen und ohne eigenen Beitrag sich die 13. AHV-Rente gegönnt haben, soll jetzt die Praemienentlastungs-Initiative dieses verschwenderische Gesundheitssystem mit Steuergeld über Wasser halten, nur damit man die Fehlkonstruktion weiterhin nicht korrigieren muss.

Damit wird jede Verbesserung des Systems verhindert, und irgendwann wird man sich die Augen reiben, wenn man merkt, dass solche Perpetuum mobiles nicht unbegrenzt funktionieren.


Dienstag, 16. April 2024

Sitemap

 Übersicht über die wichtigsten Artikel, geordnet nach Themen: Grundprobleme, Folgen, Reaktion.

Some important articles available in English (see last paragraph)

Articles in English:  

Umweltprobleme: Bestandesaufnahme


Umweltprobleme: Mittelbare Folgen  

Umweltprobleme: Die Reaktionen


COVID-Epidemie


    Donnerstag, 31. August 2023

    Mitch McConnell has temporal lobe epilepsy

    During press conferences Mitch McConnell now had the second episode where he froze for half a minute, staring into the void and making some slow lip movements. 

    Mitch McConnell is non-responsive in his dreamy state

    A video of the episode is here: Mitch McConnell appears to freeze while speaking with reporters in Kentucky | CNN Politics

    We are informed that he recently did a fall with "cerebral concussion" but it seems he has now been "cleared" by the medical establishment. 

    In fact what the video shows is a typical attack of temporal lobe epilepsy (also called limbic epilepsy) with freezing, unresponsiveness, eyes turning to the right and slow lip movements, all followed by a somewhat sluggish reorientation. Hughlings Jackson, the 19th century physician who gave an early  description spoke of "dreamy states". Eye movement to the right could mean that the epileptogenic focus is in the left half of the brain. 

    Of course other causes have to be excluded by brain MRI but the most probable cause here is brain injury caused be the recent fall. In this case Mr.McConnell must have suffered more than a mere "concussion". And there is no way that this could be caused by "lightheadedness", by low blood pressure, low blood sugar or by transient ischemic attacks. A student missing the diagnosis on this video would not pass his examination. 

    These attacks can often be suppressed by simple medication, which however has some cognitive side effects. Once again the question arises how long the world should be ruled by octagenarians nearing their grave (I spent a life as neurologist and saw dozens of such cases, I am now 82). 

     




    Dienstag, 24. Januar 2023

    Das Forellenquintett als liberales Manifest

    Zum Variationensatz im „Forellenquintett“ in A-Dur, Op.posth 114 D667.

    Schubert hat zu einigen seiner Lieder auch instrumentale Variationensätze geschrieben, einer  findet sich auch im Forellenquintett. Der Liedtext ist ja bekannt:

    In einem Bächlein helle  
    Da schoss in froher Eil 
    Die launische Forelle 
    Vorüber wie ein Pfeil 
    Ich stand an dem Gestade 
    Und schaut in süsser Ruh
    Des muntern Fisches Bade
    Im klaren Bächlein zu.

    Ein Fischer mit der Rute 
    Wohl an dem Ufer stand 
    Und sah's mit kaltem Blute
    Wie sich das Fischlein wand.
    Solang dem Wasser Helle 
    So dacht ich nicht gebricht
    So fängt er die Forelle 
    Mit seiner Angel nicht. 

    Doch plötzlich war dem Diebe 
    Die Zeit zu lang. Er macht
    Das Bächlein tückisch trübe,
    Und eh ich es gedacht 
    So zuckte seine Rute,
    Das Fischlein zappelt dran
    Und ich mit regem Blute 
    Sah die Betrogne an.​

    Weniger bekannt ist Entstehung dieses Gedichtes: Der Dichter und Organist Christian Friedrich Daniel Schubart (https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/schubart.html) schrieb es 1782 in der Württembergischen Festung Hohenasperg, wo er seit schon über fünf Jahren in einem Turm in Einzelhaft sass.

    Daniel Schubart

    Der Grund: Geboren 1739 war er ab 1769 Organist im Württembergischen Ludwigsburg wurde dort aber wegen kirchenfeindlicher Gesinnung und Liederlichkeit des Landes verwiesen. Im Exil schrieb er von 1774-1777 wöchentlich in seiner "Deutschen Chronik" freimütige Beiträge zur lokalen und internationalen Zeitgeschichte, sowie Polemiken gegen Kirche und Absolutismus, gegen inkompetente Regenten und Kleinstaaterei. Er berichtete begeistert über den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, propagierte Grundrechte und Nationalstaat. Daneben vertrat er die Genie-Aesthetik von Sturm und Drang und berichtete informiert über Literatur und Musik. Er war also ein eigentlicher Liberaler im ursprünglichen politischen Sinn, im Zeitgeist Beethovens und der sich abzeichnenden Revolution. Es lohnt sich, einen Blick auf das Faksimile der Zeitschrift zu werfen: Deutsche Chronik Augsburg aufs Jahr ... : Christian Friedrich Daniel Schubart : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

    1777 wurde er auf Anordnung des Herzogs mit einer tückischen List über die Grenze nach Württemberg gelockt und ohne Gerichtsurteil als gefährliches Subjekt zwecks gewaltsamer Umerziehung eingesperrt. Anfangs war er dort mit Sprech- und Schreibverbot belegt und wurde häufig geprügelt. Nach Jahren konnte er seine Gedichte nur durch ein Mauerloch einem Mitgefangenen diktieren und dann aus dem Gefängnis herausschmuggeln lassen. Jahre  später durfte er Gedichte auch aufschreiben und nach  Zensur weitergeben. Erst zehn Jahre später freigelassen starb er schon 1791. 

    Das Forellengedicht beschreibt eigentlich Schubarts eigenes Schicksal, aber verschlüsselt. Zur noch besseren Täuschung der Zensur hatte das Gedicht noch eine vierte Strophe, welche unerfahrene Mädchen davor warnt, sich von falschherzigen Verführern angeln zu lassen.

    Den Zeitgenossen jedoch war der autobiographisch-politische Gehalt klar: Die Forelle ist Schubart selber, der tückisch gefangengesetzt wurde. Und Schubert, der später, aber im ähnlich repressiven Metternich'schen Staat lebte, war der Sinngehalt des Gedichtes zweifellos klar. Und er vertonte auch nur die ersten drei Liedstrophen und dies in einer musikalischen Form, die ein Anhängen der tarnenden letzten Strophe gar nicht erlaubt.

    Auch im Variationensatz des sogenannten Forellenquintetts kann man das Gedicht anklingen hören: Zuerst das Thema als friedliche Natur. In der ersten Variation das Spiel der Wellen. In der zweiten das Spiel der Forelle. In Variation drei spielen Cello und Kontrabass das Thema unisono und piano (es wird allerdings entgegen der Anweisung immer forte gespielt!), übertönt von im forte wirbelnden Arpeggien des Klaviers - wirbelt hier der Fischer auf leisen Sohlen verstohlen das Bächlein auf, der Forelle die Sicht trübend? Die vierte Variation fortissimo, höchste Erregung, dann Ersterben - kämpft und verendet hier die Forelle an der Angel? Dann das traurig klagende Cello der fünften Variation, eine der überhaupt rührendsten Celloparts der Kammermusik - wohl die Trauer über den Verlust von Freiheit und Leben. Zuletzt als doch heiterer Abschluss die Erinnerung, was die Forelle war und sein könnte.

    Wenn Schuberts Zeitgenossen das Stück politisch verstehen konnten, so können wir heute darin auch eine Klage über den stückweisen Verlust von Natur und Kreatur hören.

     

    Freitag, 29. April 2022

    VOR DEM KRIEG


    Von Tariq Ali

    Aus London Review of Books Vol. 44 Nr. 6 · 24. März 2022, übersetzt von Lukas Fierz, veröffentlicht mit Genehmigung von Verlag und Autor.

    Der Autor stammt aus Pakistan und ist ein Britischer Journalist, Historiker, Buchautor und Filmemacher. Seine Sichtweise unterscheidet sich oft vom Euro- und US-zentrischen westlichen Mainstream. 

    Tariq Ali

    Niemand weiß, wie das enden wird.

    Putins rücksichtsloses Abenteurertum ist nach hinten hinausgegangen: Er versuchte die USA nachzuahmen auf der Basis seines Bruttosozialproduktes von 1,5 Billionen Dollar, das sogar kleiner ist als jenes von Italien und winzig im Vergleich zu jenem Chinas (14,7 Billionen Dollar). Das war tollkühn. Er erhoffte einen schnellen Sieg im Rahmen einer „Polizeioperation“ im Kolonialstil. Und jetzt erkennt er, dass die Installation eines Marionettenpräsidenten à la Janukowitsch in Kiev Russland dazu zwingen würde, eine massive Militärpräsenz in der Ukraine aufrechtzuerhalten. Dieses Land, das noch vor zwölf Jahren in eine pro-russische und eine pro-westliche Fraktion zerfiel hat sich inzwischen entschieden zum Westen gewandt.

    Auch Biden war nicht gerade vorsichtig. Seine Entscheidung vom vergangenen November, die Nato-Erweiterung weiterzuführen und dabei die Aufnahme der Ukraine einzuleiten – halb hoffend, halb überzeugt, damit Russlands  Vordringen am Dombass und der Krim aufzuhalten -  erwies sich als katastrophaler Fehler. Zwar darf das nicht öffentlich zugegeben werden, aber die Nato-Leitung weiss es ebenso wie die Führer Chinas, Indiens, Vietnams, Pakistans, Bangladeschs, Sri Lankas, Kubas und der anderen Länder, die es unterlassen haben, Russland bei der UNO zu kritisieren. Deren Gesamtbevölkerung macht die Hälfte der Menschheit aus. Die USA werden an anderen Fronten Zugeständnisse machen müssen. Z.B. müssen sie das Russische Öl ersetzen und werden deshalb wohl den von ihnen in einem Putsch eingesetzten und sogar im Westen umstrittenen Präsidenten Venezuelas, Juan Guaidó fallen lassen müssen. Eine Delegation des US-Aussenministeriums hat verhandelt. Auch geheime Gespräche mit dem Iran wurden wieder aufgenommen, sehr zum Ärger Israels.

    Die Ursprünge dieses massiven außenpolitischen Versagens sind Gegenstand einer kürzlich erschienenen Studie, «Not One Inch» («Kein Zentimeter»), von M. E. Sarotte, Historiker an der Johns Hopkins-Universität und Mitglied des Council on Foreign Relations (1): «Not one inch» war die Zusicherung über die Begrenzung der NATO-Osterweiterung, die der US-Aussenminister James Baker 1990 an Michael Gorbatchov gegeben hatte.

    Die Sowjetunion hatte seit der Befreiung Berlins Truppen in Ostdeutschland stationiert; 1990 waren es 380.000. Gorbatschow war militärisch in einer starken Position, in jeder anderen Hinsicht war er jedoch schwach. Sarotte beschreibt ihn als „idealistischen Visionär“, aber diese Worte treffen nicht wirklich zu. Er war ein wohlmeinender Reformer (Ich war selbst Zeuge der Aufregung, die Glasnost in Russland auslöste – nicht nur in intellektuellen Kreisen und an den Universitäten, sondern auch in Fabriken und unter Bürokraten.), als Weltführer war er jedoch überfordert und westliche Schmeichelei stieg ihm zu Kopf.

    Baker spielte diese Schwäche aus und schlug einen Deal vor. Würde die Sowjetunion einem Rückzug aus Ostdeutschland zustimmen, wenn die USA sicherstellen würden, dass die Nato „keinen Zentimeter von ihrer Position nach Osten abweicht“? Am nächsten Tag wiederholte er seine Worte an Gorbatschow in einem Brief an Helmut Kohl: „Wollen Sie lieber ein vereintes Deutschland außerhalb der Nato sehen, unabhängig und ohne US-Streitkräfte, oder bevorzugen Sie ein vereintes Deutschland, das an die Nato gebunden ist, mit der Zusicherung, dass sich die Zuständigkeit der Nato von ihrer derzeitigen Position keinen Zoll nach Osten verschieben würde?».

    Was Kohl und sein Außenminister Hans-Dietrich Genscher bevorzugten, waren direkte Gespräche mit Gorbatschow, bei denen Kohl versprach, es werde keine Nato-Stützpunkte in der ehemaligen DDR geben. Bis es soweit war, waren Washington und Bonn extrem nervös. Sie konnten nicht glauben, dass die Sowjetunion die DDR ohne etwas Schriftliches ausliefern würde. Gorbatschow hielt seine Seite der Abmachung. Die USA nicht.

    Madeleine Albright, Clintons Außenministerin, wird in Sarottes Bericht besonders kritisiert – nicht nur als Kriegstreiberin („Colin, wofür sparen Sie dieses unglaubliche Militär?“), sondern auch, weil sie den amerikanischen Vorteil um jeden Preis erzwingen wollte. Die Nato-Erweiterung habe sich gelohnt, weil sie „von der Ukraine bis in die Vereinigten Staaten“ zeigen würde, dass „das Streben nach europäischer Sicherheit kein Nullsummenspiel mehr sei“.

    Man hätte andere Wege beschreiten können. Ein Geheimdienstbericht an die damalige US-Aussenministerin Condoleezza Rice im Jahr 2008 enthielt die folgende Warnung:

    Der Eintritt der Ukraine in die Nato ist für die russische Elite (nicht nur Putin) die röteste aller roten Linien. In mehr als zweieinhalb Jahren Gesprächen mit wichtigen russischen Akteuren - von Handlangern in den dunklen Winkeln des Kremls bis hin zu Putins schärfsten liberalen Kritikern -  habe ich noch niemanden gefunden, der eine Ukraine in der NATO anders als direkte Herausforderung der Russischen Interessen sehen würde. [Die Verfolgung dieser Strategie] würde einen fruchtbaren Boden für russische Einmischungen auf der Krim und in der Ostukraine schaffen.

    Der Autor? William Burns, inzwischen Direktor der CIA, dessen Aufgabe jetzt darin besteht, die Folgen seines abgelehnten Rates zu bewältigen.

    Kritik am Expansionismus ist weder neu noch auf die Linke beschränkt. Thomas Friedman hat in zwei kürzlich erschienenen Kolumnen der New York Times überraschend scharfe Kritik an der US-Politik geübt. In der ersten erzählte er seine Erinnerungen vom 2. Mai 1998:

    Unmittelbar nachdem der Senat die Nato-Erweiterung ratifiziert hatte, rief ich George Kennan an, den Architekten von Amerikas erfolgreicher Eindämmung der Sowjetunion. Nachdem Kennan 1926 in das Außenministerium eingetreten war und vor und nach dem zweiten Weltkrieg wiederholt als US-Botschafter in Moskau gedient hatte, war er wohl Amerikas größter Russland-Experte. Obwohl er damals 94 Jahre alt war und eine schwache Stimme hatte, war er scharfsinnig, als ich ihn nach seiner Meinung fragte.

    Dann zitiert Friedman die Antwort von George Kennan vollständig:

    Ich denke, es ist der Beginn eines neuen Kalten Krieges. Ich denke, die Russen werden allmählich ziemlich negativ reagieren und es wird ihre Politik beeinflussen. Ich denke, es ist ein tragischer Fehler. Dazu gab es keinerlei Anlass. Niemand drohte jemand anderem. Diese Expansion würde die Gründerväter dieses Landes dazu bringen, sich in ihren Gräbern umzudrehen.

    Wir haben uns verpflichtet, eine ganze Reihe von Ländern zu schützen, obwohl wir weder die Ressourcen noch die Absicht haben, dies ernsthaft zu tun. [Die Nato-Erweiterung] war einfach eine leichtfertige Aktion eines Senats, der kein wirkliches Interesse an Außenpolitik hat. Was mich stört, ist, wie oberflächlich und schlecht informiert die ganze Senatsdebatte war. Besonders störten mich die Hinweise auf Russland als ein Land, das darauf aus ist, Westeuropa anzugreifen.

    Verstehen die Leute nicht? Unsere Differenzen im Kalten Krieg bestanden mit dem sowjetischen kommunistischen Regime. Und jetzt kehren wir genau jenen Menschen den Rücken, die die größte unblutige Revolution der Geschichte inszeniert haben, um dieses Sowjetregime zu beseitigen. Und Russlands Demokratie ist so weit fortgeschritten, wenn nicht sogar weiter, als jedes dieser Länder, die wir gerade unterzeichnet haben, um sie gegen Russland zu verteidigen. Natürlich wird es eine schlechte Reaktion aus Russland geben, und dann werden [die Nato-Expansionisten] sagen, dass wir Ihnen immer gesagt haben, dass die Russen so sind – aber das ist einfach falsch.

    Putin ist natürlich ein überzeugter Antikommunist, ein Anhänger sowohl von Mutter Russland als auch der orthodoxen Kirche. 2017 weigerte er sich, den 100. Jahrestag der Februar- und Oktoberrevolution zu feiern und sagte einem indischen Zeitungsbesitzer (den ich vor ihrem privaten Treffen in Moskau vorbereitet hatte), dass „diese Revolutionen nicht Teil unserer Agenda sind“. An einer neulichen Pressekonferenz bezeichnete Putin Lenin als den Vater der ukrainischen Unabhängigkeit. Das ist teilweise richtig. Lenin verachtete den großrussischen Chauvinismus und den Nationalismus der Unterdrückernationen. Er feierte die zaristische Niederlage gegen die Japaner, welche die Revolution von 1905 auslöste. Im Juni 1917, an einem kritischen Punkt zwischen den beiden Revolutionen, verurteilte Lenin die Provisorische Regierung dafür, dass sie sich weigerte „die Autonomie und die vollständige Freiheit der Sezession der Ukraine“ zu unterstützen, für ihn eine „elementare demokratische Pflicht“. Später bestand er darauf, dass die Verfassung der Sowjetunion allen Gliedstaaten das Recht auf nationale Selbstbestimmung, d.h. das Recht auf Sezession, einräumt.

    Die Bolschewiki einigten sich bald nach der Machtübernahme darauf, Finnland, Polen und der Ukraine die Unabhängigkeit zu gewähren. Dabei wussten sie von den einzigartigen Problemen, die das besondere nationale Gefüge in der Ukraine mit sich brachte: Eingewandertes russisches Proletariat und Bürokratie; ultranationalistische Bauernschaft mit Ressentiments gegenüber polnischen Landbesitzern und Juden). Es war Stalin, der als Kommissar für Nationalitäten nach Finnland reiste, um die Botschaft zu überbringen. Niemand wurde in die Ukraine entsandt, aber der örtliche Sowjet, die Rada, rief eine Volksrepublik aus, allerdings auf der Abicht bestehend „sich nicht von der Russischen Republik zu trennen“. Als andere Sowjets in der ganzen Ukraine entstanden, spaltete sich die nationale Bewegung in jene, die einen separaten Vertrag mit Deutschland (und später mit Frankreich) unterzeichneten, und jene, die im neuen Sowjetstaat blieben. Der russische Bürgerkrieg spaltete das Land ebenso wie der Zweite Weltkrieg. Ukrainische Überläufer zu Hitler sind gut dokumentiert. 1954, ein Jahr nach Stalins Tod, erweiterte Nikita Chruschtschow, der ukrainische Führer der Sowjetunion, unterstützt vom Präsidium, die Ukraine um die Krim. Es war eine emotionale Geste ohne politische Begründung. Nur wenige konnten sich in diesem Zeitpunkt vorstellen, dass die Sowjetunion einmal implodieren könnte.

    Das Entstehen einer russischen Friedensbewegung ist eine der ermutigenderen Entwicklungen der letzten Monate. Die meisten westlichen Politiker legen Lippenbekenntnisse zum Mut der jungen Russen ab, die der staatlicher Repression ausgesetzt sind.  Aber auch in England haben sowohl der Premierminister Johnson als auch Oppositionsführer Starmer die Kriegsgegner von „Stop the War“ angeprangert: Putin greift seine Andersdenkenden als Nato-Agenten an, was sie entschieden dementieren. Und hier in England werden die Leute von „Stop the War“ als Putin-Unterstützer verleumdet , wenn sie sich gegen den Expansionsdrang der Nato und gegen ihre Kriege stellen. Sie können kaum anders: Die Nato ist eine Militärorganisation, die die US-Hegemonie in Europa und darüber hinaus bewahren soll. Aber ist das überhaupt nötig?

    (1) Not One Inch: America, Russia and the Making of Post Cold-War Stalemate by M.E. Sarotte (Yale, 550 pp., £25, November 2021, 978 0 300 25993 3).



    Samstag, 2. April 2022

    Der Experte

    (Aus meinem Büchlein "Begegnungen mit dem Leibhaftigen, Tredition 2016)

    Die Patienten für medizinische Gutachten habe ich immer um 10 Uhr oder 10:30 Uhr bestellt und Zeit reserviert bis Mittag. Da konnte man nötigenfalls noch in die Mittagspause arbeiten, ohne Zeitdruck.

    Angemeldet war dieser höfliche, ja freundliche ältere Herr wegen eines Schleudertraumas. Er war auffallend klein, etwas beleibt. Er hatte eine Glatze, leicht abstehende, grosse Ohren und trug einen eleganten grauen Anzug. Zwar sprach er Schweizer Dialekt, aber etwas getragen, singend, mit hochdeutschem Akzent und rollendem R. Trotz seiner Kleinheit strahlte er heitere Selbstsicherheit und Überlegenheit aus. Er war der Patron einer grossen Firma.

    Medizinisch war die Sache klar und weiter nicht interessant. Aber man protokollierte halt die Geschichte und machte die Untersuchung, bei der man meist ausser einem steifen Nacken nichts fand.

    Jetzt sitzt er vor mir auf der Untersuchungscouch und ich prüfe mit dem Hammer die Sehnenreflexe, rechts, links, alle vorhanden und ganz seitengleich. Aber was ist das hier auf dem linken Vorderarm? Bläulich, eine Nummer, eine tätowierte Nummer, etwas schwierig zu lesen, aber doch, 178453... Man weiss – solche Nummern hatte ich schon zweimal gesehen – solche tätowierten Nummern gab es nur in Auschwitz. Ich fragte vorsichtig, was das sei, und er bestätigte, Auschwitz... Ich beendete die Untersuchung, die Geschichte hatte ich notiert, es war nichts mehr zu tun. Aber dieser Mann wusste mehr als wir… ich musste mehr über ihn herausfinden...

    Er hatte sich wieder angezogen und kam aus dem Untersuchungszimmer. Ich sagte ihm, wir seien fertig, ich hätte alles was ich brauche... aber... also... das wisse er ja selber... wir Friedenskinder hätten ja keine Ahnung... ob er mir vielleicht über seine Erfahrungen erzählen wolle... er müsse natürlich nicht, es sei nur für mein persönliches Interesse... Ohne gross zu überlegen meinte er ganz liebenswürdig, das könne er schon machen, setzte sich und fügte an, er gehe sowieso ab und zu in die Schulen, um den Kindern über die damalige Zeit zu berichten. Das sei eine Pflicht.

    Was solle er sagen, er stamme aus Polen, seine Eltern seien arme Bauern gewesen, rechtgläubige Juden, er habe neun Geschwister gehabt. Es habe in Polen schon in den Dreissigerjahren Antisemitismus gegeben, für ihn habe das geheissen, dass er von seinen Mitschülern jeden Tag verprügelt worden sei, und zwar, weil er Jesus ermordet habe, so ein Schwachsinn – nach 2000 Jahren…

    Sein Vater habe darauf bestanden, dass alle seine Kinder Englisch lernten, man könne nie wissen … Daneben habe er Hebräisch und in der Synagoge die ganze jüdische Tradition gelernt, die Gebete und die heiligen Texte. Nach der Schule habe man ihn in eine Uhrmacherlehre gesteckt. Aber schon bald war für einen Juden Schluss mit Uhrmacherlehre, denn 1939 marschierte Hitler in Polen ein. So sei er mit dreizehn Jahren ins Ghetto von Krakau gekommen. Irgendwie habe er dort überlebt, immer mit Hunger. Seither sei er nicht mehr gewachsen. 1943 habe man ihn nach Auschwitz deportiert – Rampe, Tätowierung, gestreifte Kleider, stundenlange Appelle, Kälte, harte Arbeit, man weiss.

    Aber eigentlich sei er erleichtert gewesen, endlich im Konzentrationslager zu sein. Da habe man wenigstens gewusst, woran man sei. Er schaute mich direkt an und fuhr fort, er habe das eben als Aufgabe aufgefasst: Das war jetzt das Spiel, das es zu spielen galt... Sein Vorteil sei gewesen, dass er so jung gewesen sei.

    Er habe nicht viel anderes gekannt und sich deshalb besser darauf einstellen können, als die Erwachsenen. Vorher, im Ghetto, dauernd auf der Hut, dauernd in Angst vor der nächsten Razzia, vor der nächsten Selektion, oft versteckt, dauernd auf der Suche nach Essbarem und jede Minute in Ungewissheit, das sei viel schlimmer gewesen.

    Das Konzentrationslager habe er nur mit unglaublich viel Glück überlebt. Wie viele Male sei sein Überleben an einem Fädchen gehangen. Einmal zum Beispiel hätten die Wachen zwei Pflöcke drei Meter voneinander entfernt in den Boden rammen lassen. Daran wurde eine Querlatte befestigt, 140 Zentimeter über dem Boden. Dann habe man alle Jugendlichen versammelt und durch dieses Tor getrieben. Diejenigen, welche die Querlatte mit dem Kopf erreichten oder überragten seien direkt ins Gas gekommen. Sein Glück sei gewesen, dass er durch den dauernden Hunger im Wachstum zurückgeblieben war. So sei er nicht ins Gas gekommen. Durch seine Kleinheit hätten ihm auch die kargen Essenrationen etwas besser gereicht.

    Noch vor der KZ-Haft sei es seiner Mutter irgendwie gelungen, ihm Uhrmacherwerkzeuge ins Ghetto schmuggeln zu lassen, und die habe man ihm im Lager nicht weggenommen. Damit habe er manchmal Uhren reparieren und sich eine kleine Zusatzration verdienen können. So seien seine Kleinheit und seine Uhrmacherkunst seine Rettung geworden.

    Zur Arbeit hätten sie in Viererkolonnen aus dem Lager hinaus und danach zurückmarschieren müs- sen. Besonders am Sabbat, aber oft auch sonst habe er auf diesen Märschen die rituellen jüdischen Gebete,Psalmen und Verse vor sich hingemurmelt, ganz leise, höchstens für die Nachbarn zur Rechten und zur Linken hörbar, aber nicht für die Wachen. Wie froh sei er gewesen, dass er sie alle auswendig gekannt habe, diese Verse, die für ihn enorm wichtig gewesen seien, als Protest und als Selbstbehauptung, das habe ihm und vielen anderen immer wieder Kraft zum Durchhalten gegeben.

    Beim Anrücken der Roten Armee, Anfang 1945 sei Auschwitz durch die Nazis evakuiert worden mit Todesmärschen nach Buchenwald, vorbei an den Leichen derer, die nicht mehr weitergekommen waren, die beidseits der Strasse lagen, erschossen, erfroren, erschlagen im blutigen Schnee.

    In all den Jahren im Ghetto und im Konzentrationslager habe er nicht ein einziges Mal geweint, egal, was man ihnen angetan habe. Und dann an einem Frühlingstag seien plötzlich Militärfahrzeuge aufgefahren vor Buchenwald, auf ihnen ein weisser Stern. Die KZ-Wachen seien plötzlich nicht mehr dagewesen und amerikanische Soldaten seien hin- und hergegangen. Und die Gefangenen hätten sich hinter dem Stacheldrahtzaun gedrängt, geschaut und gewusst, das ist das Ende unserer Leiden, die Befreiung. Diesen Moment habe er in der Krankenbaracke erlebt, und erst da hätten ihn die Tränen überwältigt und er habe lange geheult.

    Nach der Befreiung habe man bei ihm Typhus und eine offene Lungentuberkulose festgestellt. Er habe noch 29 Kilogramm gewogen. Er sei zur Kur nach Seldwyla gebracht worden, ja in die Sumpfweid, so habe doch das Spital geheissen, und dann in die Berge. Wieder ein Glück, dass er so klein gewesen sei, denn nur so sei er in diesen Rotkreuz-Kindertransport gekommen. Man habe allerdings sein Geburtsdatum von 1926 auf 1929 verschieben müssen, sonst hätte man ihn nicht mitgenommen. Ebenfalls zu seinem Glück sei soeben das Streptomycin verfügbar geworden, das erste wirksame Medikament gegen die Tuberkulose. Ohne seine Kleinheit und ohne Streptomycin wäre er einmal mehr kläglich eingegangen, diesmal an Tuberkulose.

    Nach der Heilung sei er in eine Uhrenfabrik im Schweizer Jura gekommen, dort konnte er die Uhrmacherlehre abschliessen und später in dieser Fabrik arbeiten. Ja, und dort habe er halt zugeschaut und immer wieder denken müssen, dass die ihre Arbeit ja auf eine ganz dumme Art und Weise machten. Dies und das hätte man besser machen können, oder jenes, wenn man sich nur etwas überlegt hätte...

    »Da habe ich eben angefangen, zu erfinden«. Eine Erfindung nach der anderen. Jetzt besitze er ein Portfolio von zwanzig Patenten. Und dazu eine eigene Fabrik mit über hundert Angestellten. In dieser Fabrik sei er alles in einem: Entwicklungschef, Personalchef, Produktionschef, Finanzchef, Verkaufschef, eigentlich Vater und Mutter und alles zugleich.

    Unter den vielen Patenten und Produkten sei das wichtigste ein Gerät zum Ölen von Uhren. An jedem Uhrenlager müsse ein winziges, kaum sichtbares Tröpfchen Öl abgesetzt werden. Wenn zu wenig Öl vorhanden sei,gehe das Lager kaputt und die Uhr bleibe stehen. Wenn zu viel vorhanden sei, laufe das Öl in der Uhr herum und beschädige andere Bestandteile. Beide Male entstehe für die Fabrik ein teurer Garantiefall, den es zu vermeiden gelte. So habe er einen Apparat erfunden, der an jedem Uhrenlager genau die richtige Menge Öl absetze. Ein Tropfen Öl reiche diesem Apparat für drei Jahre! Ja, sparen und einteilen lerne man schon im Konzentrationslager. Er produziere diesen Apparat selber in seiner Fabrik, er habe Abnehmer in der halben Welt.

    Ein von Leon Reich/Hormec  entwickelter Dosierautomat 

    Dann habe Philips die Kassettenrecorder auf den Markt gebracht. Dort bestehe genau dasselbe Problem mit dem Öl, nur seien die Masse und die Mengen zehnmal grösser. Da habe er eben seinen Apparat entsprechend vergrössert und an die Kassettenrecorderfabriken verkauft.

    Er reise sehr viel, auch den Verkauf mache er selber. Sein Markt umfasse ganz Europa, Osteuropa und Ja- pan. Ja, Amerika fehle – aber seine Kraft habe dafür nicht mehr gereicht. Wenn er jünger gewesen wäre, dann hätte er dieses Land wohl auch erobert. Aber jetzt müssten die halt ohne seine Maschinen auskommen...

    Dieser kleine Mann hatte nur eine Grundschule besucht. DieZeit, die andere in Oberstufe und Lehre verbringen, hatte er im Ghetto, im Konzentrationslager und im Tuberkulosesanatorium verloren. Und jetzt diese Karriere. Ein Triumph des Geistes über die widrigsten Umstände.

    Was er mir bis jetzt über die Konzentrationslager erzählt hatte, wusste ich ja im Grunde schon. Und sei- ne so eindrückliche Biographie als Erfinder und Unternehmer war eigentlich auch nicht das, was ich von ihm wissen wollte. Ich brauchte ihn als Experten.

    Es war damals die Zeit, wo die Nachachtundsechziger-Generation die Institutionen  durchwanderte, wo eine neue Zeit die Koordinatensysteme veränderte. Feministische Theologinnen predigten weibliche Werte und die Verweiblichung, wenn nicht gar Abschaffung des Mannes. Friedensforscher wiesen nach, dass es Aggressivität im Grunde genommen gar nicht gebe, wenn man nur die Armeen abschaffe. Soziologen, Politologen und Philosophen produzierten Abhandlungen über reflexive Modernisierungsprozesse, über Sosein, Nichtanderssein und Bedingtheiten, Abhandlungen, denen ich nicht entnehmen konnte, was jetzt gemeint sei. Grüne sahen eine Mission darin, die Menschen zum Frieden mit der Natur und untereinander zu bringen. Ihnen schlossen sich alte Marxisten an: Wenn schon die Diktatur des Proletariats nicht mehr möglich war, sollten sich andere Mittel und Wege finden lassen, das Volk zu seinem Glück zu zwingen. Die gemeinsame Prämisse dieser Bestrebungen war, dass der Mensch eigentlich gut sei, wenn man ihn nur lasse, dazu bringe oder zwinge.

    Dieser Weltsicht stand ich etwas ratlos gegenüber, als einer, der im Weltkrieg die Sirenen gehört hatte, der bei Fliegeralarm in Basel noch mit dem Kindermädchen in Kellereingänge flüchten musste; als einer, der Luftschutzkeller, Rationierung von Heizung und Nahrung, Kälte und Hunger miterlebt hatte; als einer, der in Presse und Wochenschauen mit angesehen hatte, wie sich 1956 die Studenten in Budapest mit primitiven Molotowcocktails den russischen Panzern entgegengeworfen hatten, zuerst erfolgreich, um dann doch niedergewalzt zu werden; als einer, der erlebt hatte, wie der tschechische Versuch eines Sozialismus mit menschlichem Gesicht des Alexander Dubcek von den gleichen russischen Panzern zerquetscht wurde; als einer, der damals einer tschechischen Flüchtlingsfamilie monatelang Unterschlupf in der eigenen Wohnung gewährt hatte. Als so einer konnte ich dem jetzt immer allgemeingültigeren Friedensdiskurs nicht trauen.

    Unsere ältere Generation vor den Achtundsechzigern war in ihrer Jugend überzeugt, dass ein rechter Mann die Pflicht habe, eine Waffe zu beherrschen und in der Armee zu dienen. Wir wollten nicht nur Molotowcocktails haben, wenn man sich denn wehren müsse, sondern Panzerabwehrraketen. Wir leisteten den Militärdienst mit Überzeugung, so grenzenlos stupid er auch organisiert war. Erst nach unserer Zeit drängten sich die jungen Leute in angeblicher Gewissensnot in den Zivildienst. Erst nach unserer Zeit gab es in jeder Rekrutenschule die weinenden Rekruten, welche die Idee, dass eine Waffe – ihre Waffe – töten könnte nicht mehr aushielten. Wir hatten das alles noch nicht gekannt.

    Ich hielt es eher mit dem seherhaften Schweizer Dichter Friedrich Dürrenmatt, der den Menschen als »Raubaffen« definiert hatte. Da war alles drin: Primitivität, Egoismus, Ungerechtigkeit, Geschicklichkeit und Gewalt. 

    Und so musste ich von meinem Experten vor allem eines wissen: Was war seine Ansicht? War der Mensch gut?

    Er reagierte, wie wenn  er  nicht  richtig  verstanden hätte? Wie bitte? Ja eben, wiederhole ich, ist der Mensch gut? Er schaute mich an, wie wenn ich ihn gefragt hätte, ob der Mensch zwei Nasen habe, oder ob der Mond aus Käse sei... Dann sagte er sehr bestimmt und fast unwirsch: Aber selbstverständlich nicht, der Mensch ist überhaupt nicht gut. Wie ich auf so eine Idee komme?... Es komme nur auf die Bedingungen an. Wenn es ums Verhungern ging, im Ghetto, habe man sich wegen eines halben Brotstückes totgeschlagen...

    Dann fragte ich ihn, ob das Hitler-Regime eine spezifisch deutsche Erscheinung sei, ob es einer besonderen Bosheit dieses Volkes entsprungen sei?... Wiederum ohne Zögern eine sehr bestimmte Antwort: Aber nein, die Deutschen haben einfach Pech gehabt. Das kann jederzeit und überall wieder passieren.

    Aufgrund dieser Überzeugung habe er nicht die geringste Schwierigkeit, sich in Deutschland zu bewegen oder dort Geschäfte zu machen. Was er erlebt habe, nehme er keinem Deutschen persönlich übel.

    Ich fragte dann weiter nach Verteidigungsfähigkeit und Armee. Ob er diese eher ablehne oder eher unterstütze. Darauf er: Wo denken Sie hin, ich habe jahrelang in Israel gelebt, ohne Armee ist das dort nicht möglich. Aber jetzt sei er schon Jahrzehnte in der Schweiz. Nur könne man auch hier nie sicher sein. Unrecht, Gewalt und Not könnten jederzeit und überall wieder ausbrechen. Selbstverständlich müsse man sich zu wehren wissen. Soweit mein Experte.

    Ja, und selbstverständlich werden es jetzt sehr viele besser wissen: Alle die Sonntagsredner, die Bewegten, Milden, Klugen, die mit den weiten Herzen und mit dem alles verstehenden, einfühlsamen Blick.

    Aber wer von diesen allen, bitteschön, hat den Teufel nicht nur gesehen, sondern am eigenen Leib im Massstab eins zu eins erlebt?

    Ich glaube meinem Experten.

    __________________________________________________________________________

    Der Experte war Leon Reich (1926-2014), Unternehmer und Gründer der Hormec Technic, Ipsach, Schweiz. Er hat mich ausdrücklich ermächtigt, seine Geschichte mit Namensnennung zu veröffentlichen.

    Leon Reich kam mit einem Rotkreuztransport von 370 Kindern und jungen Männern aus Buchenwald über Basel in die Schweiz. Tatsächlich hatten viele ältere Jungen ihr Alter zu tief angegeben, um in den Transport zu kommen. Der Transport verlief chaotisch und die Aufnahme in der Schweiz war nicht nur freundlich (1).

    Ein anderer Rotkreuztransport mit ungefähr 270 Konzentrationslagerinsassen, darunter 25 jüdische Kinder aus Buchenwald kam über das Militärspital Herisau in die Schweiz. Dessen damaliger Leiter Prof. A. Hottinger hat in einem zeitnahen Bericht die medizinischen Befunde, die Biographien, die höllischen Erfahrungen und das Verhalten seiner Patienten dargestellt. Es werden anderswo nirgends erwähnte entsetzliche Details der Lagerhaltung beschrieben (2).

    Meine Begegnung mit Reich war 1992. Bis 2004 hatte Reich 39 Patente angemeldet.

    (1) Madeleine Lerf, »Buchenwaldkinder« – eine Schweizer Hilfsaktion, Chronos-Verlag, Zürich 2010.

    (2)  A. Hottinger, O. Gsell, E. Uehlinger: Hungerkrankheit, Hungerödem, Hungertuberkulose, Schwabe, Basel 1948.



    Mittwoch, 2. März 2022

    NZZ und Tagi verdrehen den Club of Rome-Bericht

    Vor einer Woche hat sich Redaktorin Frau Claudia Mäder von der NZZ gemeldet, weil sie über den 50. Jahrestag des Berichts des Club of Rome schreiben wollte. 

    Ich habe darauf kontrolliert, ob sie sich an der unsäglichen Hetze der NZZ-Redaktion gegen Greta Thunberg und die Klimajugend beteiligt hatte (NZZ gegen Wissenschaft), habe aber nichts gefunden. Was Frau Mäder über Greta Thunberg geschrieben hatte war vertretbar und fair.

    So habe ich mich interviewen lassen und meine Aussagen wurden richtig wiedergegeben. Danke. Ich habe Frau Mäder auch dringend empfohlen, den Bericht des Club of Rome ganz genau zu lesen, weil er immer wieder falsch zitiert wird, um ihn zu entkräften. Das Gratis- pdf fände sich hier, wenn man es denn lesen wollte: https://www.donellameadows.org/wp-content/userfiles/Limits-to-Growth-digital-scan-version.pdf

    Aber auch Frau Mäder ist offenbar nicht fähig, den Inhalt eines Sachberichts korrekt zu aufzufassen, wenn sie widerspruchslos einen Wissenschaftshistoriker mit der Aussage zitiert, man habe auch berechnet, was bei einer Verdoppelung der damals bekannten Ressourcen herauskomme (Club of Rome: Was hat "Die Grenzen des Wachstums" bewirkt? (nzz.ch)). 

    Aber tatsächlich haben die Autoren nicht mit einer Verdoppelung, sondern mit einer Verfünffachung der bekannten Ressourcen gerechnet (Seite 56 ff des oben verlinkten Berichts): Auch mit dieser hohen Sicherheitsmarge verschob sich die Ressourcenverknappung bei weiterem exponentiellem Wachstum lediglich um einige Jahrzehnte, grob gesagt also von der ersten in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts. 

    Was sich trotz einer Verfünffachung der Ressourcen oder einer Verdoppelung der bekannten Agrarfläche nicht verschob war der Ökokollaps durch die Umweltverschmutzung, der ja jetzt schon unübersehbar begonnen hat: Kritisch sind nicht nur die steigenden Treibhausgase (im Bericht schon erwähnt!), sondern auch die Pestizide, die zusammen mit der Klimaerwärmung nicht nur zu einem weltweiten Insekten- und Vogelsterben geführt haben, sondern auch bis zu einer Halbierung der menschlichen Spermienzahl in den sog. "entwickelten" Ländern (Pesticides result in lower sperm counts – Harvard Gazette). Dazu kommt die Dezimierung der Meerestiere durch Plastikvermüllung und Ozeanversauerung, die Beispiele liessen sich beliebig mehren. 

    Die Abwehr gegen diesen Bericht fusste und fusst immer auf dieser angeblich vorausgesagten und nicht eingetroffenen Verknappung der Ressourcen. Sie findet sich z.B. beim uninformierten NZZ-Wirtschaftsredaktor Eisenring (https://www.nzz.ch/meinung/ewiges-wachstum-ist-kein-hirngespinst-ld.1564968) und im unsäglichen heutigen Artikel von Wirtschaftsredaktor Sergio Aiolfi (https://www.nzz.ch/wirtschaft/club-of-rome-die-grenzen-des-wachstums-ld.1671750 ), welche beide den Bericht des Club of Rome gar nicht genau gelesen haben können. Der gute Aiolfi meint sogar, dass sich durch den Rohstoffpreis regulieren lasse, was nicht mehr vorhanden sei. Weiss er denn nicht, dass ein zu kleines "Energy return of investment" (EROI https://www.resilience.org/stories/2022-02-22/dennis-meadows-on-the-50th-anniversary-of-the-publication-of-the-limits-to-growth/) den Abbau der Energieträger abwürgt (dem ist die alte Sowjetunion zum Opfer gefallen), und, dass, wo nichts ist auch der Kaiser sein Recht verloren hat?  

    Die Hoffnung, dass der Tages-Anzeiger einem besser informiere zerschlägt sich mit diesem Artikel: Faktencheck zum Umweltalarm – 50 Jahre «Grenzen des Wachstums»: Lag der Club of Rome richtig? | Tages-Anzeiger (tagesanzeiger.ch). Auch er behauptet wahrheitswidrig, dass der Club of Rome eine Ressourcenverknappung schon für den jetzigen Zeitpunkt vorausgesagt habe. Hat er eben nicht. 

    Derweil tobt in der Ukraine schon ein Ressourcenkrieg, der nicht der erste ist und nicht der letzte sein wird. Dort geht es um die Kornkammer Europas in Zeiten sich abzeichnender Dünger- und Nahrungsknappheit; um die Hälfte der Weltproduktion an Neon, welches für die Chipproduktion unerlässlich ist; und um die Kontrolle über Gasexportleitungen.


    Ich muss somit feststellen, dass weder die NZZ- noch die Tagi-Redaktoren fähig oder willens sind, einen klaren Bericht richtig aufzufassen und wiederzugeben, etwas, was – wenigstens noch im letzten Jahrhundert  - zu den Anforderungen der Gymnasialoberstufe gehörte. 

    Offenbar wird das Wissen um die Realität durch den Glauben an die Wachstumsreligion verstellt.

     



    Samstag, 6. November 2021

    What matters in Climate politics - An update for COP26

    My book "Begegnungen mit dem Leibhaftigen" (2016) will be translated into Dutch. So I had to update the postscript of the chapter "White man doomed" which was outdated. Updated on Nov.16. 2021.


    What matters

    Greenhouse gases have been rising relentlessly and faster and faster for decades (for CO2 google “Keeling Curve”, first hit). Correspondingly, the measured heating goes faster and faster. That is all that matters, and climate policy has not changed anything about this.

    The Paris Agreement

    In 2015 we still believed that the Paris Agreement would limit global warming to 1.5 degrees by 2100. An early objection came from James Hansen, who had predicted the expected warming and its consequences quite accurately in 1981 and then ascertained it in 1988. Hansen describes the large-scale removal of huge amounts of CO2 from the atmosphere required by the Paris Agreement as illusory. According to him earth history shows that the self-reinforcing mechanisms will be match-deciding and in his view the agreement is a "fake".

    Today

    Since then also the IPCC has begun to talk about self-reinforcing mechanisms and the 1.5 degrees will probably come by about 2030 (1) - a move forward of 70 years in less than seven years! Many official predictions were too optimistic, e.g. the arctic ice is melting faster and the permafrost is thawing faster than previously predicted. Meanwhile the hotter climate has led to vicious weather changes with heat waves, storms and floods, large-scale forest fires in the far north and water shortages and droughts. The wars and migrations in the Middle East, East Africa and Central America are already largely caused by global warming. The thawing permafrost releases additional CO2 and methane into the atmosphere (methane also comes from livestock farming, rice cultivation and the extraction of fossil fuels). Methane is up to 80 times stronger than CO2 and already accounts for a third of the greenhouse effect.

    Species extinction

    We are in the midst of the greatest extinction of species since the dinosaur era: At first it was independent of the climate through hunting (big game, whales, fish), then through the expansion of settlements and farmland with the use of monocultures, fertilizers and poisons. Not only animals, but also at least a third of the 60,000 tree species are threatened with extinction, especially through logging, clearing and overgrazing and increasingly also through drought and fires. As a physician I know that first symptoms often do not indicate the beginning of an illness, but rather the beginning of the end: Smokers or drinkers need decades before shortness of breath or jaundice occurs because lungs and liver can compensate for a long time. When symptoms appear, the organs are already 80 percent destroyed and survival has to be measured rather in years than in decades. Accordingly, the visible withering away of nature is probably not a beginning, but also a beginning of the end. Incidentally, men in industrialized nations have fewer and fewer sperm, probably due to environmental toxins and to softening agents in plastic packaging and bottles, which also cause disturbances in gender differentiation. 

    The Future 

    According to the UN forecast, we are on the way to a 2.7 degree global temperature increase by 2100. Overland that means almost twice as much. And accounting for possible self-reinforcement mechanisms, it can also become 3 or 4 degrees Celsius, or more. Some scientists such as Prof. Peter Wadhams, Arctic researcher and emeritus professor of physics at Cambridge University, also believe that the Arctic release of CO2 and methane could lead to an acute acceleration in warming. If the climate catastrophe in 2015 still seemed  generations away, it now seems more a question of decades or, in the worst case, years.

    Alibi measures

    The general public, media, parties and governments obscure the view with declarations of intent, with plans and success reports on qualitative and sustainable growth, energy-saving measures, alternative energies and e-mobility, but ignore the only criterion that matters: the mercilessly increasing greenhouse gases. In forty years it has not been possible to introduce the two most obvious measures, namely to end the billions in subsidies for the fossil industry, let alone to tax the emitted CO2 effectively. Both would be perfectly compatible with a market economy and even with conservative views. But now far more drastic measures are needed, and the braking distance will be overly long for them too.

    Consequences

    When the temperature rises above 2 degrees, coasts and coastal cities begin to drown, trees and forests die extensively, deserts grow. Drought and the death of insects and bees stifle harvests. Problems with drinking water, food, raw materials, energy and security will first damage the most complex systems, such as world trade, monetary value, the financial casino, the insurance industry, the service society and big cities. Democracy, the rule of law, climate justice and human rights will give way to state failure, gang economies, migrations of peoples and wars. All this has already begun in many places of the earth  With a global warming of 4 degrees, the earth will perhaps only feed half half of the current world population. Local subsistence farming in cooler and inaccessible areas will last somewhat longer, but the endpoint will be an uninhabitable earth.

    So the Indian chief could be right who said that the white man will perish, with civilization, the rest of humanity and half of God's creation. Perhaps one should no longer be concerned with measures, but rather with the right attitude towards death. 

    But then, the question arises how this lemming-like blind run into death could come about. Here are a few remarks:

    Repression of death

    Since vaccinations and antibiotics, death is no longer an omnipresent part of life and it is often suppressed from consciousness. Elisabeth Kübler-Ross has described what happens when death intrudes into life, e.g. as cancer or some other fatal disease. The parallels to the reaction to the fatal climate catastrophe are striking: First comes denial - if you cannot see death, you cannot perceive the fatal danger. Hence the harmless expression "climate change" instead of "self-immolation". After repression comes anger with fate: The messenger is attacked, be it the doctor or Greta Thunberg. Then comes the bargaining with fate, you try alternative cures and charlatans, or believe in environmentally friendly growth and e-mobility. The insight that this doesn't help either is followed by depression, which we find in exactly the same form in the seriously ill and in the environmentally conscious. Finally in the best case there will acceptance of fate. When it comes to climate catastrophe, the majority is still denying, angry or bargaining.  

    Finger pointing

    It is not just the messengers, also the politicians serve as scapegoats. But at least in the democracies they are elected. And in Switzerland everything is decided by the people anyway: In the summer of 2021, the Swiss people rejected a mild CO2 taxation in a general vote, and initiatives against pesticides and against drinking water poisoning were also rejected. Theefore in our beautiful country you burn and poison yourself voluntarily out of free will and decision, there are no scapegoats. And so, like everyone else, we sit in our growth- and consumer society, narcotized by prosperity and know as little of the approaching end as the happily well-fed turkeys and geese before Thanksgiving and Christmas. 

    Political pressure

    The accused politicians and rulers want to stay in the saddle and that's why they sweep problems under the carpet anytime and anywhere. When James Hansen from NASA alerted the world and government officials about the climate problem from 1981 onwards, he was warned to desist and his funds were cut. The Intergovernmental Panel on Climate Change wrote and writes its reports under political pressure from the oil and coal-mining countries, which is why it predicts optimistic mean values ​​while ignoring the more concerning extreme risks. Just recently, the IPCC predicted the 1.5 degrees for 2040, but "forgot" that greenhouse gases would continue to rise. If that is included, the 1.5 degrees will come as early as 2030 (1). 

    Unrealistic risk management 

    Physicians have to deal with risks in a realistic way: Patients bleeding from the rectum almost always only have harmless hemorrhoids. But this statistical mean doesn't mean anything. If the doctor misses the few percent with colon cancer, this is a malpractice case for the courts. Accordingly, a doctor must always be prepared for the worst possible variants. Since the optimistic assumptions of climate policy are constantly proving to be wrong, those responsible would belong in court if we were to apply the standards of medicine.

    Generation problem

    The response to COVID was rapid and decisive around the world, flights and cruises were immediately  banned. Why is this only being done for COVID and not for the climate? Because the decision-makers are predominantly older men for whom COVID is dangerous. As long as there was no vaccination, they protected themselves with lockdowns. But if they think that they will not be affected by the climate catastrophe they might be in for bad surprises. In the meantime the thinking youth is organizing the protests that thinking adults have not been capable of for 40 years. Accordingly, the majorities will soon change, the only question is whether there will still be enough time.

    The finite planet

    A finite planet only has space for a limited number of people, everything else is an infantile omnipotence fantasy. Early warnings from Malthus (1798) and from Paul Ehrlich (The population bomb, 1968) turned out to be unfounded for the time being because of the technical and green revolutions. The 1972 report "Limits to Growth" by the Club of Rome saw the sustainable upper limit of the world population at four billion. The book is often misquoted to refute it. But a shortage of resources or agricultural production from 2000 onwards was never predicted there, it was left open. The firm prediction, however, was that further growth would lead to a collapse towards the middle of the 21th century, with a decline in production and population, the critical factor being pollution. The greenhouse effect of CO2 was also mentioned, and it turns out that it now seems to be the limiting pollution factor. 

    What should be done

    Wind turbines, e-mobility, nuclear energy or veganism have so far not changed anything about the increase in CO2. Everything can be discussed, but individual measures are in no case sufficient. Even a “system change” or expropriation of the “rich” cannot replace an overall package that reduces our consumption or our numbers, or both. Elements for this would be: Optimally insulated houses, timber construction, low-traffic settlements, efficient public transport with massively restricted motorized private traffic, avoidance of flights, predominantly vegetarian and locally produced food, less consumption of everything, including hot water, water and clothes, plus removal of CO2 from the atmosphere as possible. Less production also means less working time. With all of this it would be possible to massively reduce energy consumption even with today's population and to cover it almost entirely with renewable sources (2), albeit with a lifestyle so modest that it seems improbable that democracies will be able to impose it on themselves. 

    But this would not even influence species extinction. To prevent it we would have to leave half of the earth to nature in the opinion of the famous insect scientist E.O.Wilson. And that would probably not work without a population reduction. 

    It was always a mystery to me personally why population numbers and population increase should not be negotiable. The planet and we would have been better off with a world population of one or two billion people. This  now would take generations of voluntary one-child families (if environmental toxins do not curb our fertility before). If we don't get the curve, the environmental catastrophe will decimate or exterminate us. Would that be more ethical and wiser?

    (1)  Global warming will happen faster than we think - Nature 2018

    (2)   Providing decent living with minimum energy: A global scenario - ScienceDirect