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Freitag, 10. April 2020

Coronakrise und Umweltkrise: Unterschiedliche Reaktion als Altersfrage?

(erschienen im Tages-Anzeiger vom 9.4.2020. Die Redaktion hat dort allerdings den Titel ohne Rücksprache geändert. Updated am 7.6.2020). 

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Prompte Reaktion auf die Coronavirusepidemie


Das Coronavirus hat bisher (Juni 2020) in fünf Monaten ungefähr soviele Menschen umgebracht, wie der weltweite Strassenverkehr im selben Zeitraum. Im schlimmsten Fall wird die Epidemie zwei Jahre anhalten und die Opferzahlen werden vorübergehend die Grössenordnung der Verkehrstoten erreichen. Aber die Coronatoten werden im Gegensatz zu den Verkehrstoten vor allem alte Leute mit Vorerkrankungen sein, die sowieso in absehbarer Weise das Zeitliche gesegnet hätten. Zusätzlich wird es Kollateralschäden geben, weil wegen verstopften Intensivstationen andere Erkrankte nicht adaequat behandelt werden können. Die Wirtschaft wird eine empfindliche Delle erleiden, danach wird die Welt wieder zur Tagesordnung übergehen, genau wie nach der Grippeepidemie von 1918 oder nach der Finanzkrise. AHV und Pensionskassen werden Finanzverluste erleiden, andererseits durch Übersterblichkeit der Pensionäre etwas entlastet. Das Problem der Überbevölkerung bleibt unbeeinflusst.

Öffentlichkeit und Medien brauchten jeweils nur wenige Wochen bis Monate, um das Problem zu begreifen. Die Wissenschafter erhielten überall eine Plattform, die Reaktion der Politik wurde je nach Informationsstand, Kompetenz und Mut der Entscheidungsträger mehr oder weniger schnell hochgefahren, nicht überall rechtzeitig oder ganz adaequat, aber fast überall in beeindruckendem Ausmass. Die Medien sind zu einem gefühlten Viertel mit diesem Problem beschäftigt. Alle möglichen Szenarien werden ausgebreitet und auf hohem Niveau diskutiert. Der bestehende Grundkonsens wird nur von einigen Trollen und selbsternannten Pseudeoexperten gestört, beide nimmt kein seriöses Medium ernst. 

Und trotz all dieses Wirbels wird die Coronavirusepidemie spätestens im Jahr 2022 Geschichte sein. So what?

Inadequate Reaktion auf die Umweltkrise


Vergleichen wir die Reaktion auf die Klima- und Umweltkatastrophe: Durch Überbevölkerung und Überkonsum werden die Lebensgrundlagen gesprengt. Die Lebensmöglichkeiten für andere Kreaturen schwinden wegen Übernutzung sowie Verlust und Vergiftung von Lebensräumen. Geschädigte Ökosysteme und Monokulturen sind empfindlich auf neue Seuchen. Die Erhöhung der Temperatur durch Treibhausgase wurde schon 1988 durch James Hansen auf Jahrzehnte und bis jetzt zutreffend vorausgesagt. Die Folgen wie Überschwemmungen, Dürre, Hunger, Kriege und Migration zeigen sich schon jetzt.

James Hansen wird polizeilich abgeführt
Aber Öffentlichkeit, Medien und Politik haben auch nach Jahrzehnten nicht begriffen, was auf uns zukommt. Die Wissenschaft wurde im regierungsabhängigen Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) insofern neutralisiert, als sie die matchentscheidenden Feedback-Mechanismen höchstens am Rande erwähnt, welche den offiziell vorausgesagten Temperaturanstieg verdoppeln oder sogar jederzeit unkontrollierbar beschleunigen können. Wer wie der erprobte Experte James Hansen trotzdem ausspricht, was Sache ist (Climate Change in a Nutshell - The gathering storm") wird ignoriert oder polizeilich abgeführt.

Soweit die Wissenschaft überhaupt zu Wort kommt wird sie in einer Flut klimaskeptischen Unsinns ersäuft. Sogar sogenannt "seriöse" Medien verunglimpfen Wissenschaftler als "alarmistisch" und deren begründeten Lösungvorschläge als "extrem". Die Folge ist eine durch Deklarationen wie das Pariser Abkommen getarnte politische Reaktionslosigkeit, die bisher nicht einmal imstande war, die absurden Milliardensubventionen für die Fossilindustrie einzustellen.  

Wieso die unterschiedliche Reaktion?


Wir stellen eine Diskrepanz fest: Die Coronavirusepidemie erhält eine riesige und recht effiziente mediale und politische Reaktion, obschon sie eigentlich ausser den sehr Alten niemanden gross bedroht. Die Umwelt- und Klimakrise erhält dagegen nur eine kleine, verharmlosende und völlig ineffiziente mediale und politische Reaktion, obschon sie in den nächsten Jahrzehnten oder sogar Jahren mit grösster Gewissheit die Existenz unserer Zivilisation, diejenige der Menschheit und von grossen Teilen der Biosphäre bedroht.   

Woher diese groteske Diskrepanz? Das Coronavirus bedroht vor allem die Älteren, also jene Altersgruppe, welche in Anzug und Kravatte, in Verwaltungsräten und Regierungen die Gesellschaft faktisch leitet. Nur sie hat die Schalthebel, um Medien, Politik und Gesellschaft dazu zu bringen, ihr altes Leben und ihre alten Interessen zu verteidigen und das tut sie auch.  

Dagegen spart die Umwelt- und Klimakrise genau diese älteren Entscheidungsträger aus, denn sie werden ja wahrscheinlich sterben, bevor die Probleme akut werden. Deshalb ist für sie das Bequemste ein "weiter so" und den Leidtragenden - der jungen Generation – bleibt nur die Möglichkeit, die «alarmistischen» und «extremen» Einsichten der Wissenschaft in wirkungslosen Protesten zu wiederholen.


Weitere Beiträge zur COVID-Epidemie: 



6 Kommentare:

  1. Hallo Herr Fierz,
    gratuliere zum Kommentar, - habe schon beim gleichen Beitrag im Bund kommentiert. Spasshalber könnte man am Schluss Ihres Kommentars meinen: Die Befolgung der Corona Massnahmen ist ein gutes Zeichen. Die Vorbereitung für die darauffolgenden Klimaschutz-bedingten Restriktionen ist gelungen und zeigt: Gretas Traum könnte wahr werden.
    Stefan Bogdanov
    www.dergesundheitscoach.ch

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  2. Seit 100 Jahren entwickelt die Menschheit Ideen, wie man auf dem Mond und dem Mars überleben könnte. Da wird sie das ja wohl auch auf einer um 10 Grad Celsius wärmer gewordenen ERdkugel irgendwie schaffen, meinen Sie nicht auch?
    Mit Sonnenenergie betreiben wir unsere "terrestrischen Raumstationen" und mit Computern bewässern, beschatten und belüften wir dann die wohltemperierten Gewächshäuser ...
    Wer sich das Ende der Menschheit schon immer herbeigesehnt hat, könnte im Jahr 2300 aufwachen und merken, dass er sich wieder mal zu früh gefreut hat ...

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  3. Es gibt da einen neuen kontroversen Film von Michael Moore. - Sehr pessimistisch. - Ihre Meinung würde interessieren!

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    1. Danke für den Hinweis, durch den ich herausgefunden habe, dass man den Film auf youtube findet. Werd mir den ansehen. Ich bin auch ohne Moore pessimistisch. Die Lebensräume für Tiere und Pflanzen schwinden, die Wälder krepieren, die Abfallprodukte incl. CO2 steigen, fruchtbare Erde und Rohstoffe schwinden, Wasser wird knapp. Diese Gleichung hat sicher keine Lösung, solange wir 8 oder 10 Milliarden Menschen sind. N.B. War mal mit einem Hans Meier im Nationalrat - sind sie der?

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  4. So wenig wie der ehem Bayer Kultusminister (*1931) -- Aber nett dass Sie es mir zutrauen täten ;-)!

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  5. Die Frage ist ja nicht ob wir die M-heit vom U-gang retten könnten, sondern obs wem hinterher leid getan haben wird. Werden die Aliens Mitleid mit uns haben, wenn ihre Archäologen irgendwann Zürich ausgraben?

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