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Dienstag, 15. Oktober 2019

Banken - Inkompetenz und Neid als tödliche Infektion


(Zuerst erschienen auf Inside Paradeplatz vom 16.10.2019)

Neulich bin ich in "Parkinson's Law" auf das achte Kapitel "Injelititis or palsied Paralysis" gestossen, welches beschreibt, wie Inkompetenz in Kombination mit Neid Firmen ruiniert. Wie war das doch - Inkompetenz und Neid - hörte man davon nicht bei den Vorgängen um die Crédit Suisse? Verwundert fragt man sich, was Parkinson allenfalls zum Verständnis beitragen könne.  
C.Northcote Parkinson's (1909-1993) Grab in Canterbury
Bild: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=58119542

In gewissen Organisationen, wo nichts mehr funktioniere handle es sich nach Parkinson keineswegs um ein Versagen, sondern um einen absichtlich herbeigeführten Zustand, der in Analogie mit den Stadien der Syphilis folgendermassen entstehe:  

Das Primärstadium beginne, wenn in einer Organisation ein Individuum auftauche, das einen hohen Grad von Inkompetenz (Incompetence=I) mit einem hohen Grad von Neid (Jealousy=J) vereinige. Inkompetenz und Neid seien bei jedem vorhanden und für sich allein harmlos. Aber eine hohe kombinierte Konzentration von I3J5 führe zu einem chemischen Produkt, das den Effekt habe, dass ein Individuum nichts nützliches mehr leiste sondern versuche, andere Abteilungen zu behindern und die Kontrolle über den ganzen Laden zu erlangen. Dieses Anfangsstadium könne entfallen, wenn das Individuum ganz oben einsteige (was ja vorkommt).  

Einmal oben versuche das Individuum im Sekundärstadium, alle fähigeren Mitarbeiter zu entfernen und Einstellung oder Beförderung von fähigen Leuten zu blockieren. Das verbreite sich wie eine Infektion: Wenn der Chef zweitklassig sei, werde die zweite Führungsebene drittklassig, weiter unten viertklassig und so fort. Beförderungskriterium sei die Stupidität, gewisse Leute würden deshalb so tun, als ob sie noch hirnloser wären als sie tatsächlich seien. 

Im Tertiärstadium enthalte die Organisation keinen Funken von Intelligenz mehr, sie sei praktisch tot - entsprechend der Verblödung bei tertiärer Syphilis mit progressiver Paralyse. Die Organisation könne in diesem Koma Jahrzehnte überdauern oder sich auflösen. Extrem selten seien Spontanerholungen, nämlich dann, wenn Vorgesetzte zu dumm seien, um einen fähigen Mitarbeiter zu erkennen und versäumten, ihn rechtzeitig zu blockieren. 

Parkinson nennt diese Infektionskrankheit "Injelititis" (abgeleitet von In-competence und Je-alousy). Neben Hinweisen zur Diagnostik gibt Parkinson solche zur Therapie: Im nicht zu fortgeschrittenen Sekundärstadium genüge manchmal, aber nicht immer, ein chirurgischer Eingriff. Das Tertiärstadium sei im Grunde unheilbar, es bleibe nur der Neustart, neuer Name, neuer Ort, neue Crew. Infiziertes Personal müsse mit hervorragenden Arbeitszeugnissen versehen und an die gefährlichste Konkurrenz wegempfohlen, sowie alle Geräte und Dokumente entsorgt werden. Die Gebäude seien hoch zu versichern und dann anzuzünden: Erst wenn nur noch eine geschwärzte Ruine zurückbleibe sei man sicher, dass die Erreger der Infektion abgetötet seien. 

Es lohnt, die beissenden Bemerkungen zu Diagnostik und Therapie im Original zu lesen. Und nein, Parkinson kann nicht von der heutigen Crédit Suisse gesprochen haben, das Büchlein ist über sechzig Jahre alt. Klagen wegen übler Nachrede sind aussichtslos, weil alle Ähnlichkeiten nicht beabsichtigt und rein zufällig sein müssen…   

Literatur: C.Northcote Parkinson: Parkinson’s Law or the Pursuit of Progress (1957). Der ganze Text findet sich online hier: 

Montag, 7. Oktober 2019

Negativzinsen oder "Der Markt hat immer recht"

(Zuerst erschienen auf Journal21.ch am 6.10.2019)

Negativzinsen sind eine Zusatzsteuer auf parkiertem Geld. Offiziell sollen sie zu Investitionen zwingen und so die Wirtschaft ankurbeln, eine Art finanzielles Zauberlehrlingsspiel, gespielt von  Zentralbankern für Regierungen, die im Sattel bleiben wollen. So wird es uns erklärt. 
Aber könnte es nicht sein, dass es gar kein Zauberlehrlingsspiel ist, sondern ein Symptom, ein Abbild der Realität? 

Im Grunde genommen ist Zins eine Wette auf eine profitable Zukunft: Du bringst Dein überschüssiges Geld zur Bank, die leiht es jemandem, der damit Geld verdient, der am Schluss Zins und geliehenes Kapital zurückzahlt und den Rest behält - eine Win-Win-Situation. 

So könnte ein Negativzins auch signalisieren, dass es diese Win-Win-Situation nicht mehr gibt, weil es keine profitable Zukunft  gibt, etwa derart, dass man in Zukunft mit Geld weder viel verdienen noch kaufen kann. 

Ja, was ist mit dieser Zukunft? Der Ausstoss von Treibhausgasen wird jährlich grösser, nicht kleiner. Die IPCC-Reports berichten nur die Hälfte der Kalamität. Bis 2030 kommen anderthalb Grad globaler Klimaerwärmung, zwei Grad bis 2040 und vier bis fünf oder mehr Grad bis 2100. Rockström, der Direktor des Klimainstituts Potsdam, meint, dass eine vier Grad wärmere Erde kaum 8 Milliarden Menschen, und vielleicht nicht einmal die Hälfte davon wird ernähren können.  Schon jetzt leidet ein Viertel der Menschheit an Wassermangel. Weltweit sterben Bienen, andere Insekten, Fischpopulationen, Landlebewesen, während die Weltbevölkerung weiter explodiert. 

Derweil sind wirkungsvolle Gegenmassnahmen nicht festzustellen, nur wirkungslose Absichtserklärungen (Kyoto, Paris) und Alibimassnahmen (CO2-Kompensation). Im Endeffekt sind wir unterwegs zu einem unbewohnbaren Planeten, mit Verhältnissen wie im Mittleren Osten, Hungersnöten, Seuchen, Massenmigrationen, Staatszerfall und Krieg. In einer solchen Welt werden Geld und seine Derivate den Wert verlieren. Wie, wenn uns die Negativzinsen genau das signalisieren wollten? Schliesslich hat der Markt immer recht...

Neuer Hauptsitz als Verkaufssignal

(erstmals erschienen auf Inside Paradeplatz am 7.10.2019)

SWATCH habe nie eine Heimat gehabt, nur viele zugemietete Gebäude, sagte Nick Hayek (64) am Donnerstag bei der offiziellen Eröffnung des neuen Hauptsitzes in Biel BE: «Jetzt haben wir alle Marken, die das Herz der Swatch Gruppe sind, erstmals unter einem Dach».  Der SWATCH-Hauptsitz kostete 220 Millionen, entworfen von einem japanischen Star-Architekten. Als 240 Meter langer Wurm liegt er im Grünen - Analogien zur SVP-Kampagne müssen zufällig sein. 



Vor über siebzig Jahren hat C.Northcote Parkinson in "Parkinson's Law"  anhand der Englischen Kolonialverwaltung gezeigt, dass eine Verwaltung jährlich wächst, auch wenn ihr Aufgabenbereich  schrumpft. 

Im gleichen Buch hat es auch ein Kapitel über  Hauptsitze: "Plans and Plants - or the Administration Block". Zuerst beschreibt er den chaotischen Zustand des produktiven Startups - die Garagen von Silikon-Valley lassen grüssen oder Ueli Pragers berühmte  Mövenpick-Baracke. Und dann weist er nach, dass das perfekt geplante Hauptquartier meist erst dann realisiert wird, wenn eine Institution vor dem Kollaps steht. Die Liste seiner Beispiele ist lang: Der Petersdom in Rom und der Niedergang des Papsttums; Versailles und der Niedergang der Französischen Monarchie; Der Völkerbund war schon am Zerfallen, als sein Genfer Palast 1937 eröffnet wurde. Weitere Beispiele sind verschiedene grossartige Verwaltungsgebäude in London und Indien.

In Bern baute der stolze Monopolbetrieb ASCOM in den Achtzigerjahren einen postmodernen Prachtssitz mit Eingangstreppe und skulpturaler Eingangspartie aus  gestreiftem Botta- Marmor und Glas. Schon bei der Einweihung musste ich an Parkinson denken und bald danach begann der schmerzhafte Abstieg zum mühsam sich über Wasser haltenden Nischenanbieter.  

Parkinson schliesst sein Kapitel über Hauptsitze so: "Wenn wir ein Beispiel solcher Planung sehen... schütteln die Experten unter uns traurig ihr Haupt, decken ein Tuch über den Leichnam und stehlen uns auf den Zehenspitzen ins Freie." Nicht ohne vorher noch die Aktien verkauft zu haben, möchte man anfügen.   

Der ganze Text von "Parkinson's Law or the Pursuit of Progress" findet sich online hier: 
https://web.archive.org/web/20140702141306/http://bookmobile.american-buddha.com/viewtopic.php?f=18&t=87