Über mich

Montag, 30. September 2019

A bow to Greta

Just as olms are totally blind, the human species seems constitutionally blind to the dangers that could be seen with just a little attention: Since the first report of the "Club of Rome" in 1972 and since the book by Paul Ehrlich "The Population Bomb" in 1968 it was clear that the technocratic philosophy of growth is a dead end. And since the year 2000, it has become increasingly clear that global warming is becoming a serious problem.

Its true that since the 1970s and 1980s, there was a worldwide emergence of Green movements and parties, which attempted to find and offer answers to the new environmental challenges. In Switzerland they initially operated within a framework of liberal-bourgeois ideas. But the bourgeois press systematically ridiculed and labelled them as "leftists" while the left considered the new competition with a jaundiced eye. Practical political effects remained close to zero and after having participated very actively in the initial years I gave up already in 1991.  

Greta Thunberg, the 16-year-old girl with braids, has achieved what the Green Movement has not for forty years: to force the issue of the collapsing environment on the table. Their idea of ​​the school strike keeps the adults from their duty oblivion in the mirror. And she represents things brilliantly, the leader of a late resistance - no one can avoid her.

How shabby and miserable are the assembled "authorities" who continue to ignore the problem, who together with the Murdoch Press or German speaking newspapers like die WELT and Neue Zürcher Zeitung suspect behind Greta and her movement manipulation, third-party control, as well as child abuse and respond accordingly with head-shaking, condescension, pity, self-righteous indignation or mockery. Greta Thunberg has countered such reproaches on Facebook herself.

If you are able to face the problem you can only bow to her with thanks. And of course she deserves the Nobel Prize. Who else?







Samstag, 28. September 2019

Offener Brief an den Auslandchef der NZZ


Sehr geehrter Herr Rasonyi

Sie sind der ca. sechzehnte (!) Autor, den die Redaktion der Neuen Zürcher Zeitung bemüht, um gegen Greta Thunberg bzw. die Klimajugend anzuschreiben, diesmal am Tag der Nationalen Klimademonstration,  auf der Frontseite und unter dem Titel: "Klimapolitik mit Greta und Mass", im Internet auch unter "Klimapolitik mit Mass und Verstand".



Soweit Ihre Argumentation faktenbasiert ist, zitieren Sie Projektionen des IPCC, ohne zu erwähnen, dass diese fahrlässig optimistisch sind, weil sie die weiter steigenden Treibhausgase ebensowenig einrechnen, wie die verminderte Strahlungsreflexion der Erde wegen Eisschmelze. Damit wird alles mindestens doppelt so schnell gehen, die Kippmechanismen, die jetzt beginnen (z.B.Methanfreisetzung aus dem Permafrost) noch nicht einmal eingerechnet. Beruhigend verweisen Sie auf die Reduktion der Treibhausgasemission in der EU, ohne zu erwähnen, dass der globale Treibhausgasausstoss weiter steigt, und zwar Jahr für Jahr stärker.

Ich mache Ihnen nicht einmal einen Vorwurf. Denn davon steht in der NZZ nichts. Aber ich mache der NZZ, der Redaktion, dem Verwaltungsrat und der dahinterstehenden FdP den Vorwurf, dass sie das nicht recherchieren und verständlich darstellen lassen. Das ist bewusste Desinformation. 

Wer diese Fakten kennt, kann die verzweifelte Wut von Greta Thunberg nicht anders als  adaequat finden. Es ist die patronisierende Besonnenheit des Establishments, welche wahnhaft ist.

Mit freundlichen Grüssen

Lukas Fierz, Alt Nationalrat.  


Donnerstag, 26. September 2019

Obszöne Bankerlöhne als Symptom

(Zuerst erschienen auf insideparadeplatz.ch und journal21.ch am 26.9.2019)


Zugegeben, ich bin nicht unparteiisch.
Mein Ur-Ur-Grossvater Heinrich Fierz-Etzweiler (1806-1891), Unternehmer und Seidenhändler war Verwaltungsrat der Schweizerischen Kreditanstalt (1859–1881), von 1877–1881 auch dessen Vizepräsident und Präsident. Aber was ist aus diesem Laden geworden...

Jahreslöhne von 13 Millionen und Boni in Millionenhöhe sind weitab irgendwelcher Durchschnittseinkommen, man kann sie als Abnormität einordnen.

Abnormität wäre an sich noch keine Wertung. Sie sind aber mehr als abnorm, sie sind ungesund, denn kein Mensch kann 13 Millionen im Jahr durch Leistung verdienen, kein Mensch kann 13 Millionen im Jahr vernünftig verbrauchen, und - das kann man wohl sagen - kein wirklich anständiger Mensch könnte oder würde ein solches Honorar als verdient annehmen. Kommentatoren verwundern sich denn auch immer wieder kopfschüttelnd, dass solche Exzesse von Aktionariat und Verwaltungsrat widerspruchslos abgenickt würden. Ist die kopfschüttelnde Verwunderung berechtigt?

Das Ungesunde und Krankhafte liegt hier im Urteilen und Bewerten, wir sind im Bereich der Psychopathologie. Wie immer bei einem abnormen medizinischen Befund stellt sich die Frage, ob das Symptom schon die ganze Krankheit sei, oder ob sich eine andere Grundursache dahinter verberge. Um bei einem medizinischen Beispiel zu bleiben: Beim einfachen hohen Blutdruck ist das Symptom auch die Krankheit, aber hoher Blutdruck kann auch Symptom einer Nierenerkrankung sein, und die Behandlung wird ganz anders.


Um zur Psychopathologie zurückzukehren: Nach Sigmund Freud können neurotische Symptome aus verdrängten psychischen Inhalten - quasi als Abfallprodukt - entstehen. Alfred Adler hat dazu ergänzt, dass psychische Symptome nicht notwendigerweise ein "Abfallprodukt" sein müssen, sie können durchaus einen Zweck haben, ja sie können einen Zweck geradezu durchsetzen (1). Diese Adlersche Erkenntnis hat mich zur Frage gebracht: Was, wenn die obszönen Bankerhonorare nicht die Krankheit wären, sondern nur ein Symptom, hinter dem sich ein ganz anderer Zweck versteckte?

Zum Beispiel könnten solche Honorare signalisieren, dass sich gar kein anständiger Mensch melden solle, weil es nicht um verdientes Geld geht. Denn das ganz grosse Geld macht man mit Oligarchen und Drittweltpotentaten, mit Drogenhändlern und drogenproduzierenden Pharmabossen (Purdue), die den zusammengerafften Reichtum in Sicherheit bringen wollen. Kommen dazu die Bankspekulationen mit hundertfachen Hebeln.

Klar, man betreibt auch Swiss Retail Banking, dies als Tarnung und vor allem als Rückversicherung, damit die tumben Schweizer Steuerzahler die Milliardenverluste decken, wenn wieder mal was schiefläuft. Hat ja bisher immer blendend funktioniert. Schliesslich ist man systemrelevant und die Bundesrätli bekommen bei Wohlverhalten auch immer ein Verwaltungsratssitzli, damit das Volk weiter geradestehen darf.


Wenn das Geschäft mit den Drittweltpotentaten gut laufen soll, braucht es Bereitschaft zur Korruption, und genau das wird mit den obszönen Honoraren signalisiert und honoriert. Und am besten gibt man die Leitung des ganzen Schweizer Instituts auch gerade Vertretern der Drittweltpotentaten, dann ist gegenseitiges Vertrauen garantiert. Dass damit Schweizer Solidität, soweit sie denn noch restweise vorhanden war, vor die Hunde geht, dass damit die Umgangsformen einer Bananenrepublik und einer Bananenfirma importiert werden ist in Kauf zu nehmen. Verwaltungsrat und Aktionariat nicken ab, nicht trotz der Excesse und Auswüchse, sondern eben gerade, weil diese begründet und gewollt sind. Es gibt weder was zum Verwundern, noch zum Kopfschütteln.

Übrigens habe ich die generationenlange Beziehung meiner Familie zur Credit Suisse schon lange gekappt.


Literatur:
(1) C.G.Jung, "Über die Psychologie des Unbewussten", 8.vermehrte und verbesserte Auflage, von "Das Unbewusste im normalen und kranken Seelenleben" Rascher 1943, Nachdruck Rascher Paperback 1966, S.47.


Dienstag, 17. September 2019

The fragility of human rights and of climate justice

(Translation of "Die Fragilität von Menschenrechten und Klimagerechtigkeit" first appeared on  Journal21 am 15.9.2019, updated 27.4.2020)


I share the longing of all who are committed to human rights and to climate justice together with Greenpeace, Fastenopfer, Bread for All, Climate Strikers and the Swiss Green Party, which has inscribed climate justice on its flag before last autumns election. 

By demanding human rights and climate justice you confirm to yourself and others that you are a good person - perhaps sometimes this might be the only reason for these demands and this is acceptable. But if these demands were an unrealistic pious wish? Could it be possible that you are deceiving yourself? And if you put them before the electorate could you then perhaps be cheating on voters? (But then false promises have always been the core business of politicians).

Of course, human rights are anyway demanded from various sides: Politicians traveling to China, who want to assure their clientele how everything is so human at home (This is not talked about on trips to the USA).
Major powers like to talk about democracy and human rights in order to justify resource wars and attempts at regime-overthrow which regularly leave the attacked countries ruined. It is doubtful for example that the violent elimination of Gadaffi in Libya has had any positive effect.
Last but not least, human rights for the Left and Greens serve as a justification for asylum and climate justice, even if the sneakers they wear were produced under inhumane conditions (I also wear sneakers).
It would undoubtedly be wonderful if human rights were attached to every human being, in a way nose and ears are attached to them. But they are not. Human rights are a construct of modern times and enlightenment - possibly inspired by contact with so called "primitive" societies -  and their first proclamation in the 1776 American Declaration of Independence begins:
“We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness..."

The phrase "We hold these truths to be self-evident..." clearly shows that this is an opinion or a belief, rather than an objectively verifiable fact, such as the fact that the human being has nose and ears. A more modern formulation was adopted by the United Nations in 1948. In 1966, the so-called civil pact on civil and political rights was added, as well as the social pact on economic and sociocultural rights. All together form the international charter of human rights.
These ideas did not become widely accepted until the 19th and 20th centuries, especially in Europe and North America, where the affluence created by colonial exploitation, use of fossil fuels, and industrialization became so great that it became more convenient for the ruling elite to grant modest prosperity and the appearance of rights to the lower classes in order to avoid tiresome conflicts.
The Islamic version of human rights from 1990 is intended to be introduced globally according to its preamble: It gives precedence to the Sharia, women have no equal rights, and nonmuslims are discriminated against. Among 1,8 billion Muslims almost no voices were heard against these postulates. 
Outside Europe and North America, there is usually no affluence, but scarcity; and then almost inevitably power is seized by a clique, which looks after its own interests, often takes on the role of the former colonial powers, and suppresses the rest of the population. Therefore, for more than 80 per cent of the world's population, human rights are just a wishful dream or a lie. Even in the US they are only partially respected (Guantanamo, killings by drones without trial, discrimination against the black population by the police and judicial system). 
In tyrannies the suppression mechanisms are always the same: the inner circle of power bases itself on profiteers and together they  control state power, e.g. police and army, which are also awarded privileges. Democracy, opposition and independent judiciaries are undermined, and thinking people are silenced. The necessary brutality and terror is often performed by a specialised repressive apparatus (Gestapo, KGB, SAVAK). Even science is not secure if it gets in the way of the power monopoly: the Pope against Galileo, Hitler against Einstein, Stalin with Lysenko against genetics.
This suppression takes place behind a user interface, which may look different in each case, but cannot hide the fact that the underlying mechanism is always the same. The costume may be religious (Iran, Saudi Arabia, pseudo-religious Marxism), or nationalist-military (China, Egypt), or both (Russia). The detailed description and classification of these facades does not seem very relevant, since they are only rationalizations and confabulations.
In case of shortage even progressive states are threatened by relapses into the rule of cliques, such as was the case in Germany during the economic crisis after the crash of 1929. Also the United States since Trump show initial symptoms: impoverishment of the middle class, distortion of democracy by gerrymandering and obstruction of suffrage, closeness to generals, pressurizing or gagging of secret services, the judiciary and climate sciences, flirtations with a temporally unlimited time in office, so that even Republicans recently expressed concern about a totalitarian development. The facade in the USA is nationalist-religious as in Russia, which probably explains some mutual sympathies.
In the context of the climate catastrophe, there is much talk about human rights and climate justice. But with further warming drought, scarcity and famine will spread throughout the world. Johan Rockström, Director at the Potsdam Climate Research Institute, says that with four degrees of global warming, earth may not be able to feed eight billion people, maybe not even half of that.
The inevitable consequence will be distribution battles and massacres even in so-called developed countries. That’s us. 
Then only the law of the jungle remains, and if nothing is left, also the emperor has lost his rights. A survivor of the Warsaw ghetto told me that, of course, one kills fellow inmates for the last piece of bread. At the same time, the climate catastrophe will also slowly burn plant and animal life, so claiming higher rights for the human race will become illusory anyway. 
Whoever seriously thinks that the 1.5 degree goal, human rights and climate justice are more than wishful thinking is deceiving himself and perhaps others. Above all, he proves that he has not understood anything of the seriousness of our predicament.




Sonntag, 15. September 2019

Die Fragilität von Menschenrechten und von Klimagerechtigkeit


Ich teile die Sehnsucht aller, die sich für Menschenrechte und die von diesen abgeleitete Klimagerechtigkeit einsetzen, wie z.B. Denknetz, Greenpeace, Fastenopfer, Brot für alle, Klimastreiker oder Grüne Partei, die sich die Klimagerechtigkeit vor den Wahlen auf die Fahne geschrieben hat.

Mit diesen Forderungen bestätigt man sich und anderen, dass man ein guter Mensch ist - möglicherweise werden sie manchmal überhaupt nur deshalb geäussert, und das ist akzeptabel. Wenn aber diese Forderungen ein unrealistischer frommer Wunsch wären, betriebe man dann vielleicht Selbstbetrug? Und wenn man damit in Wahlen zöge, betriebe man dann nicht sogar Betrug am Wähler? (Wobei falsche Versprechungen ja seit jeher das Kerngeschäft der Politiker sind).

Natürlich werden Menschenrechte sowieso gebetsmühlenartig von verschiedensten Seiten eingefordert: Von Politikern auf Chinareise, die ihrer Klientel versichern wollen, wie zuhause alles so menschlich sei (auf USA-Reisen wird davon nicht geredet).

Gerne faseln Grossmächte von Demokratie und Menschenrechten, um Ausbeutungskriege und Umsturzversuche zu rechtfertigen, welche die betroffenen Länder regelmässig ruinieren. Z.B. ist zu bezweifeln, dass die gewaltsame Ausschaltung Gadaffis in Libyen irgendeinen positiven Effekt gehabt habe.

Nicht zuletzt dienen Menschenrechte den Linken und Grünen als Begründung für Asylgewährung und Klimagerechtigkeit, selbst wenn die Turnschuhe, die sie tragen unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wurden (ich trage auch Turnschuhe).

Nun wäre es zweifellos schön, wenn jedem Menschen die Menschenrechte gegeben wären, wie Nase und Ohren. Sind sie aber nicht. Menschenrechte sind ein Konstrukt von Neuzeit und Aufklärung - möglicherweise inspiriert durch den Kontakt mit Naturvölkern - und ihre erste Proklamation in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 beginnt so:

“We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness..."


Die Formulierung "We hold these truths to be self-evident..." zeigt klar, dass es sich um eine Ansicht bzw. um einen Glaubenssatz handelt und nicht um eine objektiv überprüfbare Tatsache, wie eben diejenige, dass der Mensch Nase und Ohren hat. Eine modernere Formulierung wurde 1948 von den Vereinten Nationen angenommen. 1966 kam noch der sog. Zivilpakt über bürgerliche und politische Rechte dazu, sowie der Sozialpakt über wirtschaftliche und soziokulturelle Rechte. Alles zusammen bildet die internationale Menschenrechtscharta.

Wenig bewusst ist dem Westen die islamische Version der Menschenrechte von 1990 (EMRI): Sie basiert auf der Scharia, Frauen sind nicht gleichgestellt und Nichtmuslimen wird das vollwertige Menschsein abgesprochen. Gemäss Präambel der EMRI soll das global durchgesetzt werden, wogegen sich unter den 1,8 Milliarden Muslimen bisher kaum Gegenstimmen vernehmen liessen.  

Breit durchgesetzt haben sich die Europäischen Menschenrechtsideen im 19. und 20. Jahrhundert und zwar vor allem in Europa und Nordamerika, wo durch koloniale Ausbeutung, fossile Energieträger und Industrialisierung der Überfluss so gross wurde, dass es für die herrschende Elite bequemer wurde, der Unterschicht bescheidenen Wohlstand und den Anschein von Rechten zuzugestehen, um Konflikte zu vermeiden.

Ausserhalb von Europa und Nordamerika herrscht dagegen meist nicht Überfluss, sondern Mangel und dann setzt sich fast zwangsläufig eine Clique an die Macht, die für sich schaut, dabei oft stellvertretend die Rolle der früheren Kolonialmächte übernimmt und den Rest der Bevölkerung unterdrückt. Deshalb sind für über 80 Prozent der Weltbevölkerung die Menschenrechte nur Wunschtraum oder Lüge. Auch durch die USA werden sie nur teilweise eingehalten (Guantanamo, Tötungen mit Drohnen ohne Gerichtsverfahren, Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung durch Polizei und Rechtspflege). 

Bei dieser Cliquenherrschaft sind die Unterdrückungsmechanismen immer gleich: Der innere Machtzirkel stützt sich auf zugewandte Profiteure und zusammen kontrollieren sie das Gewaltmonopol des Staates, d.h. Polizei und Armee, denen auch Privilegien zugeschanzt werden. Demokratie, Opposition und unabhängige Justiz werden ausgehebelt und denkende Menschen zum Schweigen gebracht. Die dafür nötige Brutalität und Terror werden oft einem eigenen Repressionsapparat übertragen (Gestapo, KGB, SAVAK). Auch die Wissenschaft ist nicht sicher, wenn sie dem Machtmonopol in die Quere kommt: Papst gegen Galilei, Hitler gegen Einstein, Stalin mit Lysenko gegen die Genetik.

Meist findet diese Unterdrückung hinter einer Fassade oder Benutzeroberfläche statt, die verschieden aussehen, aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass der zugrundeliegende Mechanismus immer gleich ist. Das Kostüm ist religiös (Iran, Saudiarabien, pseudoreligiöser Marxismus), oder nationalistisch-militärisch (China, Ägypten), oder beides (Russland, USA). Die detaillierte Beschreibung und Klassifizierung dieser Fassaden scheint nicht sehr relevant, handelt sich doch nur um Rationalisierungen und Konfabulationen.

Selbst fortschrittlichen Staaten droht der Rückfall in Klüngel- und Gewaltherrschft, sobald Mangel eintritt, wie z.B. Deutschland nach der Wirtschaftskrise nach 1929. Auch Trumps Vereinigte Staaten zeigen Anfangssymptome: Verarmung der Mittelschicht, Verzerrung der Demokratie durch Gerrymandering und Behinderung des Wahlrechts, Nähe zu Generälen, Knebelung des Geheimdienstes, der Justiz und der Klimawissenschaft, Liebäugeln mit einer zeitlich unlimitierten Regierungzeit, sodass selbst Republikaner Besorgnis über eine totalitäre Entwicklung äussern. Die Fassade in den USA ist ähnlich nationalistisch-religiös wie in Russland, was wohl die gegenseitigen Sympathien begründet.

Im Zusammenhang mit der Klimakatastrophe reden viele Gutwillige von Menschenrechten und von Klimagerechtigkeit. Aber bei weiterer Erwärmung werden sich Dürre, Mangel und Hungersnöte flächendeckend in der ganzen Welt ausbreiten. Johan Rockström, Direktor am Potsdamer Klimaforschungsinstitut meint, dass die Erde bei vier Grad Globalerwärmung vielleicht nicht mehr acht Milliarden Menschen wird ernähren können, vielleicht nicht einmal mehr die Hälfte davon.

Damit drohen Verteilkämpfe und Massaker auch bei uns. Ein Überlebender des Warschauer Ghettos hat mir erzählt, dass man sich selbstverständlich um das letzte Brotstück totschlage.

Dann gilt nur noch das Recht des Stärkeren, und wenn nichts mehr übrigbleibt hat auch der Kaiser sein Recht verloren. Gleichzeitig wird es langsam auch die Pflanzen- und Tierwelt verbrennen, sodass das Einfordern höherer Rechte speziell für Menschen sowieso illusionär wird.

Wer im Ernst meint, dass 1,5 Grad-Ziel, Menschenrechte und Klimagerechtigkeit mehr als Wunschvorstellungen seien täuscht sich selber und und vielleicht andere. Vor allem beweist er, dass er vom Ernst der Lage nichts begriffen hat.

Dienstag, 3. September 2019

NZZ gegen Wissenschaft

(Zuerst erschienen bei Infosperber vom 4.9.2019, letztmals ergänzt 28.1.2022)

Die Neue Zürcher Zeitung, 1780 als Zürcher Zeitung gegründet, war das Sprachrohr der frühen liberalen Bewegung, sie war die fortschrittliche Zeitung meiner revolutionären Vorfahren, die im Stäfnerhandel und in der Helvetischen Republik aktiv waren, die Zeitung, die seit Generationen von der Zürcher Intelligenz gelesen wurde, die meine Grosseltern und Eltern abonniert hatten und auch ich seit 53 Jahren. 
Mit wachsender Verärgerung und Besorgnis lese ich deshalb in der NZZ Artikel, die in der Klimafrage wissenschaftliche Tatsachen als Meinung darstellen und ihnen die Meinung von Schwätzern und Interessenvertretern gegenüberstellen, um den Eindruck zu erzeugen, dass es darüber noch eine "Debatte" gebe. 

Lange entschuldigte ich das damit, dass Redaktionen halt von Phil-Einsern und Geisteswissenschaftlern dominiert seien, die nicht wissen, dass mit Naturgesetzen nicht zu spassen ist.

Neulich hat aber FDP-Grossrätin und Theologin Frau Dr. Acklin in der NZZ der Klimabewegung Naturvergottung vorgeworfen, was nicht biblisch sei. Beim Versuch zu einer Replik wurde klar, dass die NZZ eine eigentliche Kampagne fährt. Oft benutzt sie dazu das Feuilleton und die Meinungsspalten. Meist wird dabei auf die Schwächen der Jugendbewegung und insbesondere von Greta Thunberg geschossen, ohne dass man sich vertieft mit dem zugrundeliegenden Problem und dem Konsens der Wissenschaft beschäftigt. Die Kommentare sind überheblich, gönnerhaft und meist uninformiert.

Die Liste umfasst inzwischen mindestens 24 Autoren, keiner versteht etwas von Klimaphysik: Weder Chefredaktor und Historiker Gujer (hinter den Links stets deren Artikel), noch der (inzwischen ausgemusterte) Feuilletonchef und Philosoph Scheu, Bodybuilder und Kunstwissenschaftler Scheller, Medienprofessor Bolz, Publizistin Wirz, Anglistin Baer, Ethikprofessor Liessmann, Literaturprofessor Gumbrecht, die Historiker Reinhardt und Schär, Wirtschaftsprofessor Borner, Romancier Bruckner, Germanist  Schulte-Richtering, Wirtschaftshistoriker Ferguson, Literaturkritiker Bucheli, Politologe Serrao, Jurist und Speaker Matuschek, die Volkswirtschaftler Imwinkelried und Rasonyi, Redaktorin Pauline Voss
Marxismus-Experte Scherrer, Betriebswirtschafter Schwarz und schon gar nicht der Dramaturg Klaus-Rüdiger Mai, der sich nicht entblödete, die Klimajugend schamlos in die Nähe der Hitlerjugend zu rücken. Sicher habe ich einige übersehen. Das Ganze ist eine Desinformations- und Verleumdungskampagne, die angesichts des Ernstes der Situation nicht anders als selbstmörderisch bezeichnet werden kann. Und wie schäbig und jämmerlich gegenüber den Klimajugendlichen, die - noch Kinder - hier stehen und nicht anders können: https://www.welt.de/politik/ausland/article200813982/UN-Wie-koennt-Ihr-es-wagen-ruft-Thunberg-den-Politikern-entgegen.html.

Den Verantwortlichen sei ins Gewissen geredet, dass ihre Leserschaft nicht nur aus korrupten Zürcher Bankern besteht, sondern - wenigstens früher - auch aus Wissenschaftlern von zwei der weltweit angesehensten Hochschulen. Die NZZ, der Chefredaktor, der Feuilletonchef, der publizistische Beirat, der Verwaltungsrat, die Aktionäre und die hinter ihnen stehende FDP müssen sich an diesen Äusserungen messen lassen. Sie sollten sich schämen. Eine Weltwoche 2.0 braucht es nicht.

Weitere Artikel zu diesem Thema: