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Freitag, 27. November 2020

COVID: Behörden als Risiko, vor dem uns zu schützen sie vorgeben

(Erschienen im Journal21.ch vom 12.12.2020, der letzte Satz wurde am 13.12.2020 eingefügt und die Bemerkungen zum Heilmittelgesetz am 14.12.2020, update an die neue Entwicklung am 18.12.)

England, USA, Kanada, Russland, China und bald auch die EU impfen. Nur die Schweiz «prüft». Wenn man, wie der Schreibende, 79 Jahre alt ist hat man dafür wenig Verständnis.

Der Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen EKIF, Berger, gab der NZZ am 11.11. bekannt, dass man frühestens Mitte 2021 impfen werde. Drei Tage später in der NZZaS sprach er vom zweiten Quartal 2021. Beifall kam von Dr. med. Alan Niederer, Wissenschaftsredaktor der NZZ, sowie von Isabel Strassheim, Wirtschaftsredaktorin beim Tages-Anzeiger, für welche «jede zusätzliche Woche Warten auf die Corona-Impfung gut investierte Zeit ist».

Was gäbe es bei Risiko-Gruppen eigentlich zu prüfen?

Neuerdings redet man für den ersten Impfstoff vielleicht von Ende Dezember oder Januar, aber das nur, weil Deutschland nach Demarchen von Jens Spahn vorwärts machen will. 

Jeden Tag sterben schweizweit 100 Covid-Erkrankte, jede Woche 700, jeden Monat 3000, vorwiegend Alte und Risikopatienten. Das sind auch die, welche zuerst geimpft würden. Und was gäbe es bei denen eigentlich zu prüfen?

Covid tötet die über 80-Jährigen im zweistelligen Prozentbereich, die 70-80-Jährigen im einstelligen. Kommen dazu langwierige Spätfolgen im zweistelligen Prozentbereich. Wenn eine Impfung zu nur 50 Prozent schützte (sie ist besser), wäre sie für Alte schon ein gutes Geschäft, selbst bei schweren Nebenwirkungen (hat sie nicht oder kaum) und gelegentlichen Todesfällen (bisher keine).

Diese Bedingungen erfüllen die Impfstoffe locker, ja die Impfstoffe von Pfizer und Moderna haben die Hoffnungen weit übertroffen. Die Resultate der Pfizervakzine wurden im renommierten New England Journal of Medicine soeben publiziert. Weiteres Prüfen bringt nur Zeitverlust und Hunderte bis Tausende von zusätzlichen Toten. Es fänden sich sofort Hunderttausende von Alten und Risikopatienten, welche sich die Impfung machen und welche sogar auf Regressansprüche im Falle von Komplikationen verzichten würden. Und bis die Jüngeren und Gesunden drankämen hätten wären die hängigen Fragen längst geklärt. 

Mangelnde gesetzliche Grundlage?

Die Behörden verweisen auf mangelnde gesetzliche Grundlagen für eine beschleunigte Prüfung: Aber sinngemäss will der Gesetzgeber nur, dass die Fragen geprüft werden, auf die es ankommt, nicht Nebenfragen, während Leute sterben und tatsächlich hat der Gesetzgeber im Heilmittelgesetz von 2000 an allerlei Ausnahmen und Spezialfälle gedacht, nur nicht an eine tödliche Epidemie, die die Leute zu Tausenden dahinrafft. Immerhin leben wir in einer Demokratie, welche das Privileg hätte, sich die Gesetze selber zu geben. Wo blieb der initiative Parlamentarier oder Bundesrat, der allfällig nötige Gesetzesänderungen einbringt und durchboxt? Man hätte jetzt bald ein Jahr Zeit gehabt. Eine andere Möglichkeit, das Impfen im Rahmen einer Studie wurde vom BAG im Sommer abgeschmettert. Alle halten am Schweizer Sonderweg fest, der sich ja in der Beschaffung der SBB-Züge und des Lehrmittels "Mille-Feuilles" einmal mehr "bewährt" hat. Und selbst wenn der erste Impfstoff jetzt freigegeben wird, bei den nächsten Impfstoffen von Moderna, Johnson&Johnson und Curevac wird die Trölerei von neuem beginnen. Alles kleine Bürokönige, die sich in ihren kleinen Bürokönigreichen wichtig machen. 

Immerhin könnte der Bundesrat sie kurzschliessen und die Impfung per Notverordnung ermöglichen. Die Todesfälle sind zur Zeit zwei bis dreimal höher als im Frühjahr, wo er Notmassnahmen beschlossen hat. Schliesslich sind Gesetze, Parlament und Executive dazu da, um die Bevölkerung zu schützen, und nicht, um sie zu gefährden. 

Mit solchem Verhältnisblödsinn werden die Behörden zum Risiko, vor dem uns zu schützen sie vorgeben.  

Oder könnte es sein, dass die Schweiz gar nicht über Impfstoff verfügt, wie am Anfang bei den Masken? Aber dann sollte man dazu stehen. 

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Es ist in diesem Land noch nicht verboten, sich seiner Haut zu wehren: Der geneigte Leser ist freundlich eingeladen, bei den Amtsstellen, bei seinen Volksvertretern und bei den Medien in geeigneter Form zu intervenieren. Als Beispiel habe ich dem Praesidenten der EKIF (Eidgenössischen Kommission für Impffragen) folgendes geschrieben:

An: christoph.berger@kispi.uzh.ch 

Sehr geehrter Herr Professor,

Seit Februar dieses Jahres hofft unsere Altersgruppe von über 70-jährigen sehnlichst, dass sie die Zeit bis zur Impfung ohne COVID-Infekt überlebt.  

Pro Memoria: Für jemanden wie mich ist die Mortalität von COVID wohl schon im zweistelligen Prozentbereich, dazu kommen Langzeitfolgen, ebenfalls im zweistelligen Prozentbereich.

England, USA, Kanada impfen, bald auch die EU. Deshalb kann ich Ihre wiederholten Verlautbarungen, wonach man bei uns erst im Sommer oder Frühjahr mit Impfen beginnen könne/werde nicht anders als mit Entsetzen lesen und frage mich, ob diese Meinung von Ihren Kollegen in der EKIF geteilt wird.  Wir reden hier ja nicht von einer Masernimpfung, sondern von einer tödlichen Seuche, welche das Gesundheitswesen zum Dekompensieren bringt. Und die Impfungen wurden an zehntausenden ausprobiert, niemand ist daran gestorben und die Nebenwirkungen waren bisher fast nur banal.

Wenn ich das Heilmittelgesetz lese, so wurde die Möglichkeit einer solchen Epidemie und einer rasch verfügbaren Impfung einfach nicht bedacht, denn andere Ausnahmen sind ausdrücklich erlaubt.

Die Aufgabe einer Kommission für Impffragen wäre jetzt nicht, zu warten und zu «prüfen», derweil das Gesundheitswesen zusammenbricht. Sondern vorwärts zu machen oder, falls das nicht geht, dem Bundesrat vorzuschlagen, mittels Notrecht die Impfung der Alten bzw. der Risikogruppen zu ermöglichen. Es wurde mir übrigens bekannt, dass das BAG eine andere Möglichkeit, nämlich das Verabreichen der Impfstoffe im Rahmen einer Studie abgelehnt hat, auch das habe ich mit Befremden notiert.

Die Meinung, dass dringliches Vorgehen angezeigt sei wird von mir bekannten Medizinprofessoren geteilt und ich werde sie, solange nötig,  soweit mir möglich und so populistisch wie möglich öffentlich kundtun. Ich bin zwar alt, habe aber im Laufe eines Politikerlebens ziemlich viel Erfahrung in Journalismus und PR gesammelt. Auch einige eventuell interessierte Stellen bediene ich mit Kopie oder werde sie noch bedienen. Es wird ja noch erlaubt und legitim sein, sich seiner Haut zu wehren.   

Mit freundlichen Grüssen

Lukas Fierz, Dr.med., alt-Nationalrat 

 

Dienstag, 24. November 2020

Taboos and infantile illusions about our environment

(first published in abridged form on Ugo Bardi's Blog "Cassadra's Legacy" on 23.10.2020 and in German on Journal21.ch on 20.11.2020, updated 11.5.2021)

Prof. John Schellnhuber, advisor to the German Chancellor and the Pope and the inventor of the two-degree target, showed us his Potsdam Climate Institute three years ago. At the end, in his office, which had been used by Einstein, his summing up was that he could not see how humanity could still escape from the climate trap.

Schellnhuber is frequently in the media, but never had one heard such an alarming statement from him - reason to investigate how serious the situation could be.

I am not a climate specialist, but as a physician you only ever master certain areas and inevitably you have to listen to various other specialists and work with them. One is also used to dealing with uncertainties, e.g. if an operation is considered, the chances of success are estimated based on the age, nutritional and physical condition of the patient, previous illnesses and his morale. Every risk factor reduces the chances of success. That you cannot calculate anything precisely does not release you from making an estimate.

In the climate debate, it is often said how difficult it is because you don't know anything exactly. But here, too, the uncertainty does not release one from making estimates. In this we are hindered by all sorts of taboos and illusions, but I'll tell you what I found out: 


I grew up in Basel and there in the museum hangs the dead Christ, painted by Holbein 500 years ago. The picture made a deep impression on me as a young person and I had it above my desk for years. This mercilessly realistic view of our God, his passion and the end of us all. I was and am convinced that we have to measure our actions against the moment when we ourselves are in this state. Until then, it is important to do what we do as well as possible and not lose any time. And already we are with the first taboo, death. Because it is repressed in the prevailing consciousness, much that is connected with it cannot be seen. 

Some principles of medicine ...

I then studied medicine in Zurich, and there one could learn some principles:

Illnesses often begin in secret: the first symptoms of illness are often not the beginning of the disease, but its last act. For a drinker or a smoker to ruin their liver or lungs takes many decades; this goes unnoticed because the organs can compensate. If jaundice or shortness of breath then occur, the further evolution will not have to be measured in decades but rather in years.

Disease-causing factors can more than add up: According to a large epidemiological study,  depression occurs in approximately one percent of the total population per month. If there is a severe stress factor (death of a family member, unemployment, illness, etc.), there is two percent more, i.e. three percent depression, with two stress factors three percent more. With three stress factors at the same time, 24 percent will become depressed. Suddenly the risks multiply (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9824167/).

We often have to make forecasts over years and decades for patients and insurance companies. This is possible as long as diseases remain true to themselves: If a patient with multiple sclerosis is only slightly disabled after ten years, he will probably not be in a wheelchair after another ten years.

Direction-changing aggravations can occur in disease: This becomes clear if e.g. in the case of high blood pressure or high pressure in the eye (glaucoma) one measures new peak values in rapid succession: This means that the disease enters a progressive stage and, under certain circumstances, evades control.

Self-reinforcing mechanisms can lead to hyperacute aggravation. The most dreaded example of this is the narrowing of the aortic valve, the valve of the main artery. The heart initially generates more force and pushes enough blood through the valve, and the patients can even practice athletics. This goes on until the valve is so tight that the heart can no longer get enough blood for its own energy requirements, which leads to heart failure and death within seconds. We doctors are terrified of such self-reinforcing mechanisms because they are unpredictable and uncontrollable.

There are authorities in our profession. These are doctors who have repeatedly made diagnoses that everyone else has missed. Word gets around, such colleagues have a fabulous reputation, and you believe them with advantage, even if you can't quite follow their reasoning.  

Cheating does not count.
When the patient dies, you are dealt with by the the pathologist or the coroner. They are merciless.


... Applied to the environmental situation

In 1972 we were shocked by the first Report of the Club of Rome. What was known back then was fed into a large computer. It turned out that if we don't stop economic growth and stabilize the population at four billion, ecosystems will destabilize in the middle of the 21st century. The report already mentions the greenhouse effect with the hope that a solution can still be found. The model calculations said that the limiting factor was not scarcity of resources or land, but environmental pollution. All those, e.g. editor Dr. Eisenring from the Neue Zürcher Zeitung who claim that the Club of Rome predicted a resource shortage and is therefore not credible (https://www.nzz.ch/meinung/ewiges-wachsen-ist-kein-hirngespinst-ld.1564968), everyone who claims this is lying or has not read the report. Later, the Club of Rome corrected with drooping and choking that the earth might just be able to accommodate eight billion, but explicitly said that the consequences of human aggressiveness could not be modeled.

In 1988 James Hansen alerted us for the first time to the fact that the greenhouse effect shows itself in a detectable global warming. He predicted further warming with a still primitive model, but quite accurately to this day. This man is therefore an authority. If he questions the official forecasts and measures, this must be cause for greatest concern.

Illusions about Global Warming

The Paris Treaties of 2015 intended to limit the global temperature increase to 1.5 to 2 degrees compared to the pre-industrial value. Swiss and German even in 2021 still talk about this goal and how to achieve it. And so we are already in the middle of the illusions:

First illusion:
Already at the signing of the Paris agreements it was clear that the 1.5 degree target was unattainable. James Hansen - my authority - speaks of a fake deal. If all agreements were kept, the temperature would rise 2.4 degrees, over land more. In addition, the agreement expects the large-scale capture of CO2 from the air, which James Hansen and other experts call illusionary (http://www.columbia.edu/~jeh1/mailings/2018/20181206_Nutshell.pdf, p. 44ff and https: //www.nature.com/articles/s41467-018-05938-3).

Second illusion: only a small minority of states are complying with the agreement. Therefore, according to some calculations, we are on the way to global warming of 3,2 degrees by 2100, again over land more.

So far the mainstream predictions. 
 
There is a third illusion, namely that this is all alarmism and hysteria. 
 
Even more widespread is the fourth illusion, namely that the statements made so far are the whole truth. Unfortunately this is not the case.

Fifth illusion: Many think that the temperature rise is and remains linear. But you can see with the naked eye that it goes faster and faster: 


Even the IPCC suffers from this illusion: In 2018 the IPCC advanced the 1,5-degrees increase from 2100 to 2040. American climatologists immediately objected: The IPCC had forgotten that greenhouse gases will continue to rise from today. This means that 1.5 degrees will come as early as 2030, a shift of 70 years in a few years (https://www.nature.com/articles/d41586-018-07586-5). And the IPCC takes 1850-1900 as a baseline for warming. But industrialisation and the increase of CO2 in the atmosphere started a hundred years earlier, and with that we probably will reach the 1.5 degrees warming in the next years. Further acceleration is to be expected.

The sixth illusion is that the greenhouse mechanism is the whole story. That would be bad enough, but there are also many positive feedback mechanisms that make things worse. They go slowly, but according to Hansen they have always been game-deciding in previous geological history (http://www.columbia.edu/~jeh1/mailings/2018/20181206_Nutshell.pdf). And the fact that this feedbacks can anytime lead to a tipping of the situation was the justification of the 1.5 or 2 degree target. The IPCC does not include these feedbacks because they cannot be calculated precisely. As said in the introduction, for a physician such feedbacks are more frightening than anything else, because each can become uncontrollable individually, because they all go in the wrong direction, and because their effects may not only add up, but possibly also multiply. This can shorten the development to years.

In the seventh illusion the CO2 concentration only depends on how much we blow into the air. Almost a third of our CO2 emissions have been absorbed by the ocean, which led to acidification and problems for marine animals, but relieved us. But a warmer ocean will no longer absorb as much CO2 (https://www.weforum.org/agenda/2019/03/oceans-do-us-a-huge-service-by-absorbing-nearly-a-third-of -global-co2-emissions-but-at-what-cost).

Similarly the trees and vegetation on land and in the ocean have so far absorbed almost a third of the CO2 emitted. Most of the CO2 compensation programs work with actual or alleged reforestation. We are losing forests through logging and fires already now. And with a temperature increase of 4 degrees, a widespread dying of trees and forests is predicted (https://science.sciencemag.org/content/368/6488/261/), similar to the dying of coral reefs. Therefore vegetation, instead of being a CO2-buffer is becoming a CO2 producer. The German Climate Pope Schellnhuber says: "We kill our best friends" (https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/interview-hans-joachim-schellnhuber-klimawandel-100.html). This means that compensations through afforestation will be void and CO2 emissions from vegetation will be self-propelled even if we reduce our emission to net-zero. Not counted by the IPCC either.

The eighth illusion was that the ice was slowly melting. In the Arctic, things are going faster than expected (https://www.weforum.org/agenda/2020/08/arctic-sea-ice-global-warming-climate-change-predictions/). With loss of snow and ice the reflection of the earth decreases so much that we can add up to twenty percent to any predicted global warming. That will bring us not over 3 but over 4 degrees by 2100, more over land. Also not taken into account by the IPCC.

The ninth illusion, until a few years ago, was that the permafrost in Siberia and elsewhere would not thaw until the end of the century. It's already thawing (https://www.nationalgeographic.com/environment/2019/08/arctic-permafrost-is-thawing-it-could-speed-up-climate-change-feature/), and there and elsewhere methane is bubbling from warming soils and its concentration rises rapidly in the atmosphere. Methane as a short-lived but very strong greenhouse gas can acutely accelerate warming and make our self-burning a matter of years. Not counted by the IPCC.

The tenth illusion was that this was all. But recently, several climate models have been predicting a decrease in cloud cover, which could further accelerate warming (https://e360.yale.edu/features/why-clouds-are-the-key-to-new-troubling-projections-on- warming). Not counted by the IPCC either.

The eleventh illusion is that everything goes slowly. But geologically speaking, the fast pace of the current changes has never been there. Ten times faster than the fastest changes in the last 65 million years (https://news.stanford.edu/news/2013/august/climate-change-speed-080113.html), and still accelerating. Hundreds of temperature records have been broken since 2019, with several monthly highs and 2020 threatens to be the warmest year ever recorded. As a doctor, one looks at such a development with the greatest concern because it substantiates the suspicion of a malicious acceleration.

Twelfth illusion: everyone is talking about the climate. We also have a second problem, species extinction, which is also happening at a pace that is extraordinary in terms of geological history and that is just as threatening for us. For the time being it is still quite independent of the climate (https://phys.org/news/2020-09-humans-climate-driven-rapidly-mammal.html): Because the main reasons so far are hunting, as well as loss and poisoning of habitats by a steadily expanding human population and activity. E.O. Wilson, the great biologist, thinks that half of the earth would have to be reserved for "wildlife" if one wants to stop the extinction of species.

Like the surgeon before the operation

The first symptoms of disease on earth can be seen everywhere: droughts, fires, glacier retreat, loss of species. As a doctor, you don't see this as the beginning, but as the beginning of the end (https://lukasfierz.blogspot.com/2019/05/how-biosystems-tip-over.html). The biosphere is no longer able to compensate.

And we see a variety of causal factors: CO2, methane, water vapor, cloud loss, ocean acidification, pesticides, habitat loss. As a doctor you know that the consequences might not only add up but sometimes can multiply in an unpredictable manner.

What makes the doctor panic above all are the multiple self-reinforcing mechanisms: ice melt, methane release, CO2 release due to forest fires, forest diebacks, soil and ocean warming. We have little handle against the leverage of such self-reinforcing mechanisms even when they occur separately (think of aortic stenosis), let alone when they add up or possibly multiply. The demonstrable acceleration of the warming and the recent accumulation of maximum values ​​suggest that the course is already changing direction for the worse.

The 1.5 or 2 degrees by 2100 are empty talk, the Paris Agreement is a fake, a false alibi, because it is not even adhered to. Many governments are making the situation worse (Russia, Australia, Brazil, India, and so far also the USA). It is only with the greatest of luck that we will have a temperature rise of not much more than three degrees by the end of the century, but that is also not likely, because the self-reinforcing feedbacks have all already started. Some are already talking about four, five or more degrees. That still means more over land, and human civilization cannot survive that. And neither can the majority of the biosphere. At least now I know why Schellnhuber sees no way out.

For Johan Rockström from the Potsdam Climate Institute, just four degrees of global warming mean that the earth might only be able to carry four billion people, perhaps even less (https://www.theguardian.com/environment/2019/may/18/climate-crisis-heat-is-on-global-heating-four-degrees-2100-change-way-we-live). That would mean widespread wars, where old patterns of struggle for living space will reawaken, for living space that will become increasingly scarce and ultimately no longer available.

The fact that none of this can be seen is primarily a consequence of the illusions mentioned - in the words of Christian Morgenstern’s «Palmström» one would say: «Thence his razor sharp conclusion that what should not be cannot be». But such thinking is undisciplined and infantile. It could only be forgiven in a seven year old, but not in a responsible adult.

That lost sense of reality may have the deeper reason that death is largely tabooed in our consciousness. Therefore we are unable to perceive him, although he is staring us directly into the eyes. I don't even blame the idiotic climate deniers. But I blame the climatologists, who pretend there is a way out, although they know otherwise. And the Greens, who do not think through the problem with consequence and still babble about an illusionary 1.5 degree target, thereby betraying their electorate.


Farewell to taboos

Last but not least, we come to the second taboo: Nobody wants to see the fact that we are too many. That is also a taboo because we are reproductive machines. Reproduction is programmed into us as the most supreme and sacred goal. That is why many - e.g. our Greens – prefer to lull themselves into the illusion that renunciation will be enough.

Granted, it is only the wealthy who pollute the environment. The ten percent of the wealthiest perhaps fifty percent of the pollution, the 50 percent of the wealthier almost all the rest. But a large part of the resource consumption and the pollution is forced by the fact that too many people have to live in concentrated megastructures, which need energy-guzzling transports.

Some see the solution in eliminating the privileges of the top 10 percent. According to their rhetoric one could even conclude that they would prefer to eliminate the top 10 percent of the privileged - e.g. with the guillotine, according to the old revolutionary custom. But even half the burden would be too much. 

That's why you would have to guillotine the wealthier half, which would include us Swiss amongst others. But even that would only be useful as long as the remaining half did not want to multiply and become wealthy, with industry, meat consumption, cars, airplanes, as is it happening now, for example, in India and many other countries, because the noble savage is only one more of our illusions. 

Many human beings who are not avoided by birth control will be killed by manslaughter, murder, starvation and disease. This is the reality that we should face. Two generations of one-child family would indeed be more humane.
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Freitag, 20. November 2020

Tabus und infantile Illusionen in der Umweltfrage

(Nach einem Vortrag vom 3.10.2020, zuerst erschienen im Journal21 vom 20.11.2020, update am 26.8.2021)

Prof. John Schellnhuber, der Berater der Deutschen Kanzlerin und des Papstes und der Erfinder des Zweigradziels zeigte uns vor drei Jahren sein Potsdamer Klimainstitut. Am Schluss, in seinem Büro, das einst Einstein benutzt hatte, meinte er zusammenfassend, er sehe nicht, wie die Menschheit sich noch aus dieser Klimafalle befreien könne.

Schellnhuber ist ja oft in den Medien, aber das hatte man von ihm öffentlich nie gehört - Anlass, der Frage nachzugehen, wie ernst es denn tatsächlich sei.

Ich bin kein Klimaspezialist, aber als Arzt beherrscht man sowieso immer nur Teilgebiete und notgedrungenerweise muss man auf verschiedene andere Spezialisten hören und mit ihnen zusammenarbeiten. Auch ist man gewohnt, mit Ungewissheiten umzugehen: Wenn ein Arzt z.B. eine Operation erwägt, so schätzt seine Erfolgsaussichten anhand von Alter, Ernährungs- und Kräftezustand des Patienten, Vorkrankheiten und Moral. Jeder Risikofaktor mindert die Erfolgsaussicht. Man kann nichts genau berechnen, aber das entbindet nicht von einer Abschätzung.  

In der Klimadiskussion wird oft gesagt, wie schwierig es sei, weil man nichts genau wisse. Aber auch hier entbindet die Ungewissheit nicht von einer Abschätzung. Zwar werden wir dabei von allerlei Tabus und Illusionen behindert, aber ich erzähle mal, was ich herausgefunden habe:  

Ich bin in Basel aufgewachsen und dort hängt im Museum der tote Christus, gemalt von Holbein vor 500 Jahren. 

 


Das Bild hat mich als junger Mensch tief beeindruckt und ich hatte es jahrelang über meinem Schreibtisch. Dieser gnadenlos realistische Blick auf unseren Gott, auf seine Passion und auf unser aller Ende. Ich war und bin überzeugt, dass wir unsere Handlungen an dem Moment messen müssen, wo wir selber in diesem Zustand sind. Bis dahin gilt es, das, was wir tun möglichst gut zu tun und keine Zeit zu verlieren. Und schon sind wir beim ersten Tabu, dem Tod. Weil er im vorherrschenden Bewusstsein verdrängt ist, kann vieles, was mit ihm zusammenhängt nicht gesehen werden.


Einige Prinzipien der Medizin... 

Ich habe dann in Zürich Medizin studiert, und da konnte man einige Prinzipien lernen:

  1.      Krankheiten beginnen oft im Geheimen: Erste Krankheitssymptome sind oft nicht der Beginn, sondern den letzte Akt. Ein Trinker oder ein Raucher braucht Jahrzehnte, um Leber oder Lunge zu ruinieren, das geht unbemerkt, weil das Organ kompensieren kann. Wenn dann Gelbsucht oder Atemnot auftritt, geht es nicht mehr viele Jahrzehnte, sondern eher Jahre.
  2.      Krankmachende Faktoren können sich mehr als addierenGemäss einer grossen epidemiologischen Studie tritt z.B. pro Monat bei ca. einem Prozent der Gesamtbevölkerung eine Depression auf. Kommt ein schwerer Belastungsfaktor (Tod eines Familienangehörigen, Kündigung, Krankheit etc.) dazu, so gibt es zwei Prozente mehr, also drei Prozent Depressionen, bei zwei Belastungsfaktoren schon drei Prozent mehr. Bei drei gleichzeitigen Belastungsfaktoren werden schon 24 Prozent depressiv. Plötzlich multiplizieren sich die Risiken (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9824167/).
  3.      Für Patienten und Versicherungen müssen wir oft Prognosen über Jahre und Jahrzehnte machen. Das geht, solange sich Krankheiten treu bleiben: Wenn ein Patient mit Multipler Sklerose nach zehn Jahren nur ganz leicht behindert ist, wird er wohl auch nach weiteren zehn Jahren noch nicht im Rollstuhl sein.  
  4.      Richtungsändernde Verschlimmerungen in Krankheitsverläufen z.B. bei Bluthochdruck oder bei Hochdruck im Auge (Glaucom) erkennt man daran, dass sich plötzlich Höchstwerte in rascher Folge häufen: Damit tritt die Krankheit in ein progressives Stadium ein und entzieht sich u.U. der Kontrolle. 
  5.      Selbstverstärkende Mechanismen können zu hyperakuter Verschlimmerung führen. Das gefürchtete Beispiel dafür ist die Verengung der Aortenklappe, der Klappe der Hauptschlagader. Das Herz erzeugt zunächst mehr Kraft und drückt genug Blut durch die Klappe, die Patienten können sogar Leichtathletik betreiben. Das geht, bis die Klappe so eng ist, dass das Herz nicht mehr genug Blut für seinen eigenen Energiebedarf kriegt, das führt zu Herzversagen und Tod innert Sekunden, Sekundenherztod. Vor solch selbstverstärkenden Mechanismen haben wir Ärzte panische Angst, weil sie unvoraussehbar und unbeherrschbar sind.  
  6.      Es gibt in unserem Beruf Autoritäten. Das sind Ärzte, die wiederholt Diagnosen gestellt haben, die alle anderen verpasst haben. Das spricht sich herum, solche Kollegen haben einen sagenhaften Ruf, und denen glaubt man mit Vorteil, auch wenn man nicht ganz nachkommt. 
  7.      Schummeln gilt nicht. Wenn Patient stirbt kommt der Pathologe oder der Gerichtsmediziner. Die sind gnadenlos. 


...Angewandt auf die Umweltsituation 

1972 wurden wir durch den Bericht des Club of Rome schockiert. Was man damals wusste hat man in einen Grosscomputer gefüttert. Es kam heraus, dass sich die Ökosysteme Mitte des 21. Jahrhunderts destabilisieren werden, wenn wir nicht mit dem Wirtschaftswachstum aufhören und die Bevölkerung auf vier Milliarden stabilisieren. Der Bericht nennt schon den Treibhauseffekt mit der Hoffnung, dass man noch eine Lösung finde. Die Modellrechnungen sagten, dass nicht eine Verknappung an Ressourcen oder an Boden der limitierende Faktor sei, sondern die Umweltverschmutzung. Alle die, wie z.B. Wirtschaftsredaktor Dr. Eisenring von der NZZ behaupten, der Club of Rome habe eine Ressourcenverknappung vorausgesagt und sei deshalb unglaubwürdig (https://www.nzz.ch/meinung/ewiges-wachstum-ist-kein-hirngespinst-ld.1564968), alle, die solches behaupten lügen, oder sie haben den Bericht nicht gelesen. Später hat der Club of Rome mit Hängen und Würgen korrigiert, dass es vielleicht mit einer Erdbevölkerung von 8 Milliarden auch gerade noch gehen könnte, dabei aber ausdrücklich gesagt, dass man die Folgen der menschlichen Aggressivität nicht modellieren könne.   

1988 stellte James Hansen erstmals fest, dass der Treibhauseffekt sich in einer nachweisbaren Erderwärmung zeige und er sagte mit einem noch primitiven Modell die weitere Erwärmung voraus, und zwar bis heute ziemlich genau. Dieser Mann ist eine Autorität. Wenn er heute die offiziellen Prognosen und Massnahmen in Frage stellt, muss das zu höchster Sorge Anlass geben. 

James Hansen wird in Handschellen abgeführt 


Illusionen zur Erderwärmung

Die Pariser Verträge von 2015 wollten die Temperaturerhöhung gegenüber dem vorindustriellen Wert auf 1,5 bzw. 2 Grad limitieren. Und Grüne in der Schweiz und in Deutschland reden noch 2021 davon, dass und wie man dieses Ziel erreichen wolle und da sind wir schon mitten in den Illusionen:  

Erste Illusion: Schon bei Abschluss der Pariser Verträge war klar, dass das 1,5 Grad-Ziel unerreichbar ist. James Hansen - meine Autorität - spricht von einem fake-Abkommen. Bei Einhaltung aller Abmachungen würde dieTemperatur um 2,4 Grad steigen, über Land mehr. Überdies rechnet das Abkommen mit grosstechnischer Abscheidung von CO2 aus der Luft, was James Hansen und andere Experten als illusionär bezeichnen (http://www.columbia.edu/~jeh1/mailings/2018/20181206_Nutshell.pdf, S. 44ff und https://www.nature.com/articles/s41467-018-05938-3). 

Zweite Illusion: Nur eine Minderheit der Staaten hält das Abkommen ein. Damit sind wir gemäss Berechnungen auf einem Weg von 3,2 Grad global bis 2100, d.h. wiederum über Land mehr. 

Soweit die gängigen Voraussagen.

Darüber gibt es die dritte Illusion, nämlich, dass das alles Alarmismus und Hysterie sei.

Noch weiter verbreitet ist die vierte Illusion, dass die bisher gemachten Aussagen die ganze Wahrheit seien. Leider trifft das nicht zu.   

Fünfte Illusion: Viele denken, der Temperaturanstieg sei und bleibe linear. Aber dass er immer schneller geht sieht man von blossem Auge:

Julitemperaturen seit 1880

Sogar das IPCC krankt an dieser Illusion: 2018 verlegte das IPCC den Anstieg um  1,5 Grad von 2100 auf 2040. Sofort kam Einspruch von amerikanischen Klimatologen: Das IPCC hatte vergessen, dass die Treibhausgase ab heute weiter steigen. Damit kommen die 1,5 Grad schon 2030, eine Vorverschiebung von 70 Jahren in einigen Jahren (https://www.nature.com/articles/d41586-018-07586-5). Und das IPCC nimmt als Ausgangswert für die Erwärmung 1850-1900. Dabei hat diese hundert Jahre vorher begonnen, und damit haben wir die 1,5 Grad Erwärmung wahrscheinlich schon jetzt fast erreicht. Mit weiterer Beschleunigung ist zu rechnen.   

Die sechste Illusion ist, dass der Treibhausmechanismus die ganze Story sei. Das wäre schlimm genug, aber es gibt zusätzlich viele positive Rückkoppelungs­mechanismen, welche die Lage verschlimmern. Die gehen zwar langsam, waren aber nach Hansen in der bisherigen Erdgeschichte immer matchentscheidend (http://www.columbia.edu/~jeh1/mailings/2018/20181206_Nutshell.pdf). Und damit, dass diese Rückkopplungen jederzeit zu einem Kippen der Situation führen können wurde das  1,5 bzw. 2-Gradziel überhaupt begründet. Das IPCC rechnet die Rückkopplungen nicht ein, weil sie nicht genau voraussagbar seien. Wie einleitend gesagt machen mir als Arzt solche Rückkopplungen mehr Angst alles andere, weil sie schon einzeln unbeherrschbar werden können, weil sie alle in die falsche Richtung gehen, und weil sie sich nicht nur addieren, sondern möglicherweise auch multiplizieren können. Das kann die Entwicklung auf Jahre verkürzen.  

Die siebte Illusion ist, dass die CO2-Konzentration nur davon abhänge, wieviel wir in die Luft blasen.  Nun wurde der CO2-Ausstoss aber bisher zu knapp einem Drittel vom Ozean aufgenommen, was zwar zu Versauerung und Problemen für die Meerestiere führte, uns aber entlastete. Nur kann ein wärmerer Ozean nicht mehr soviel CO2 aufnehmen (https://www.weforum.org/agenda/2019/03/oceans-do-us-a-huge-service-by-absorbing-nearly-a-third-of-global-co2-emissions-but-at-what-cost). 

Ähnlich die Bäume und die Vegetation an Land und im Ozean: Sie nahmen bisher auch knapp einen Drittel des ausgestossenen CO2 auf. Ein Grossteil der CO2-Kompensationsprogramme funktioniert mit tatsächlichem oder behauptetem Aufforsten. Schon jetzt verlieren wir Wald durch Abholzen und Brände, und mit einem Temperaturanstieg von 4 Grad wird ein grossflächiges Absterben der Bäume vorausgesagt (https://science.sciencemag.org/content/368/6488/261/), wie es jetzt bei den Korallenriffen stattfindet. Damit wird die Vegetation vom CO2-Puffer zum CO2-Produzenten. Der Deutsche Klimapapst Schellnhuber sagt dazu: "Wir töten unsere besten Freunde" (https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/interview-hans-joachim-schellnhuber-klimawandel-100.html). Kompensationen durch Aufforsten werden nichtig und der CO2-Ausstoss wird zum Selbstläufer, selbst bei Netto Null! 

Die achte Illusion war, dass das Eis langsam schmelze. In der Arktis geht es schneller, als gedacht (https://www.weforum.org/agenda/2020/08/arctic-sea-ice-global-warming-climate-change-predictions/). Nach Abschmelzen von Schnee und Eis nimmt die Rückstrahlung der Erde derart ab, dass wir zur Erwärmung noch bis zwanzig Prozent zurechnen können. Das bringt uns bis 2100 nicht auf über 3 sondern auf über 4 Grad, über Land mehr. 

Die neunte Illusion war bis vor wenigen Jahren, dass der Permafrost in Sibirien und anderswo erst gegen Ende des Jahrhunderts auftaue. Er taut schon jetzt (https://www.nationalgeographic.com/environment/2019/08/arctic-permafrost-is-thawing-it-could-speed-up-climate-change-feature/), und seit einigen Jahren sprudelt das Methan dort und anderswo aus erwärmten Böden und steigt in der Atmosphäre rasch an. Methan als kurzlebiges aber sehr starkes Treibhausgas kann die Erwärmung akut beschleunigen und die Selbstverbrennung zu einer Frage von Jahren machen. 

Die zehnte Illusion war, dass das alles sei. Aber neuerdings sagen mehrere Klimamodelle eine Abnahme der Wolkendecke voraus, was die Erwärmung weiter beschleunigen könnte (https://e360.yale.edu/features/why-clouds-are-the-key-to-new-troubling-projections-on-warming). 

Die elfte Illusion ist, dass alles langsam geht. Aber erdgeschichtlich ist das Tempo der jetzigen Veränderungen nie dagewesen. Zehnmal schneller als die schnellsten Veränderungen in den letzten 65 Millionen Jahren (https://news.stanford.edu/news/2013/august/climate-change-speed-080113.html), Tempo zunehmend. Seit 2019 wurden Hunderte von Temperaturrekorden gebrochen, mit mehreren Monatshöchstwerden und 2020 war das wärmste je gemessene Jahr. Als Arzt schaut man eine solche Entwicklung mit grösster Besorgnis an, weil sie den Verdacht auf bösartige Beschleunigung untermauert.  

Zwölfte Illusion: Alles redet vom Klima. Dabei haben wir noch ein zweites Problem, das Artensterben, das ebenfalls in einem Tempo abläuft, das erdgeschichtlich ausserordentlich ist und das für uns genauso bedrohlich ist. Es ist vorerst noch ziemlich unabhängig vom Klima (https://phys.org/news/2020-09-humans-climate-driven-rapidly-mammal.html): Denn die bisherigen Hauptgründe sind Bejagung, sowie Verlust und Vergiftung der Lebensräume durch stetig ausgedehnte menschliche Population und Aktivität. E.O. Wilson, der grosse Biologe, meint, dass man die Hälfte der Erde für "wildlife" reservieren müsste, wenn man das Artensterben aufhalten wolle.  


Wie der Arzt vor der Operation

Die ersten Krankheitssymptome der Erde sind allenthalben zu sehen, Dürren, Brände, Gletscherschwund, Artenverlust. Als Arzt sieht man das nicht als Beginn, sondern als Anfang vom Ende (https://lukasfierz.blogspot.com/2019/05/wie-biosysteme-kippen.html). Die Biosphäre kann nicht mehr kompensieren. 

Und wir sehen eine Vielzahl von ursächlichen Faktoren: CO2, Methan, Wasserdampf, Wolkenverlust, Ozeanversauerung, Pestizide, Verlust von Lebensräumen. Als Arzt weiss man, dass sich die Folgen nicht nur addieren sondern manchmal unvorhersehbar multiplizieren können.  

Was den Arzt vor allem panisch macht sind die mehrfachen selbstverstärkenden Mechanismen: Eisschmelze, Methanfreisetzung, CO2-Freisetzung durch Waldbrände, Waldsterben, Boden- und Ozeanerwärmung. Gegen den Hebel solcher selbstverstärkender Mechanismen hat man schon wenig Handhabe, wenn sie einzeln auftreten (man denke an die Aortenstenose), geschweige denn, wenn sie zusammenwirken und sich möglicherweise noch multiplizieren. Die nachweisliche Beschleunigung der Erwärmung und die neuliche Häufung von Höchstwerten sprechen dafür, dass der Verlauf schon jetzt eine Richtungsänderung zum Schlimmeren nimmt.  

Die 1,5- oder 2-Grad bis 2100 sind leeres Gerede, das Pariser Abkommen ist ein fake, ein falsches Alibi, weil es nicht einmal eingehalten wird. Viele Regierungen verschlimmern die Situation (Russland, Australien, Brasilien, Indien, bisher auch USA). Nur mit grösstem Glück werden wir am Ende des Jahrhunderts eine Erwärmung von etwas über drei Grad haben, aber auch das ist nicht wahrscheinlich, denn die selbstverstärkenden Feedbacks sind alle schon angesprungen. So reden einige schon von vier, fünf oder mehr Grad. Das heisst über Land immer noch mehr, und das kann die menschliche Zivilisation nicht überleben. Und ein Grossteil der Biosphäre auch nicht. Wenigstens weiss ich jetzt, wieso Schellnhuber keinen Ausweg sieht. 

Schon vier Grad Globalerwärmung heissen für Johan Rockström vom Potsdam Institut bei Berlin, dass die Erde vielleicht noch vier Milliarden Menschen tragen könne, vielleicht auch weniger (https://www.theguardian.com/environment/2019/may/18/climate-crisis-heat-is-on-global-heating-four-degrees-2100-change-way-we-live). Das heisst flächendeckende Kriege, wo alte Muster von Kampf um Lebensraum wiedererwachen werden, um Lebensraum, der immer knapper und schliesslich nicht mehr verfügbar sein wird. 

Dass das alles nicht gesehen werden kann ist zunächst eine Folge der erwähnten Illusionen – in den Worten von Christian Morgenstern’s «Palmström» würde man sagen: «Also schliesst er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf». Aber solches Denken ist undiszipliniert und infantil, man könnte es einem Siebenjährigen verzeihen, nicht einem verantwortlichen Erwachsenen.

Dass uns die Realitätskontrolle derart entglitten ist, hat aber vielleicht noch den tieferen Grund, dass der Tod im Bewusstsein weitgehend tabuisiert ist. So können wir ihn nicht erblicken, obschon er uns ins Auge starrt. Idioten wie Köppel mache ich nicht einmal einen Vorwurf. Wohl eher den Klimatologen, die so tun, wie wenn es einen Ausweg geben würde, obschon sie es anders wüssten. Und den Grünen, die die Probleme nicht zu Ende denken und immer noch vom 1,5 Gradziel faseln, das ist Wählerbetrug.  


Abschied von Tabus

Last but not least kommen wir zum zweiten Tabu: Niemand will die Tatsache sehen, dass wir zu viele sind. Auch das ein Tabu, weil wir Fortpflanzungsmaschinen sind. Fortpflanzung ist uns als heiligstes und oberstes Ziel einprogrammiert. Deshalb möchten sich auch viele - z.B. unsere Grünen - in der Illusion wiegen, dass Verzicht genüge. 

Zugegeben, nur die Wohlhabenden machen die Umweltbelastung. Die zehn Prozent Wohlhabendsten wohl fünfzig Prozent der Verschmutzung, die 50 Prozent der Wohlhabenderen fast den ganzen Rest. Aber ein Grossteil des Ressourcenverbrauchs und der Verschmutzung ist dadurch erzwungen, dass zu viele Menschen in geballten Megastrukturen leben müssen, welche energiefressende Transporte brauchen. 

Einige sehen die Lösung darin, die Privilegien der obersten 10 Prozent zu eliminieren, der Rhetorik nach könnte man sogar schliessen, dass sie am liebsten die obersten 10 Prozent der Privilegierten eliminieren möchten – z.B. mit der Guillotine, nach altem revolutionärem Brauch. Aber auch die halbe Belastung wäre zu viel. Deshalb müsste man die wohlhabendere Hälfte guillotinieren, da wären wir Schweizer schon alle dabei. Aber auch das würde nur nützen, solange die verbleibende Hälfte sich nicht auch vermehren und wohlhabend werden will, mit Industrie, Fleischkonsum, Autos, Flugzeugen, wie es zum Beispiel jetzt gerade in Indien und vielen anderen Staaten geschieht, denn der edle Wilde ist nur eine weitere unserer Illusionen. 

Viele Menschen, die nicht durch Geburtenkontrolle vermieden werden, werden durch Mord, Totschlag, Hunger und Seuchen ihr Leben lassen müssen. Das ist eine weitere Realität, der wir ins Auge schauen müssten. Humaner wären zwei Generationen Einkindfamilie. 

Donnerstag, 5. November 2020

Nicht sein Tod

 Aus dem Buch: "Begegnungen mit dem Leibhaftigen", Tredition 2016

Es läutete an der Tür der früheren Praxis. Draussen standen zwei jüngere Leute, ein Mann und eine Frau. Auf der Strasse sei jemand zusammengebrochen, hier sei doch ein Arzt. Der Arzt war zwar pensioniert, aber er lebte noch dort. 


Was im nächsten Abschnitt folgt, lief innert 30 Sekunden ab: Der alte Arzt ging hinaus, durch den Vorgarten auf den Bürgersteig. Dort stand eine kleine Gruppe von Menschen um einen, der am Boden lag. Er lag mit dem Gesicht zum Boden, eine kleine Gestalt in einem abgeschabten Anzug. Von seiner Hose zog sich eine Flüssigkeitsspur gegen den Rinnstein. Er hatte wahrscheinlich Urin verloren, das konnte von einem epileptischen Anfall sein. Oder er hatte einen Herzstillstand. Der Arzt kniete nieder, drehte das Gesicht des Liegenden zu sich, es war etwas bläulich. Dann ein Griff in die Hosentaschen, er fand einen Geldbeutel, darin eine Identitätskarte, geboren 1923. Jetzt hatten wir 2010, also war der Mann 87 Jahre alt. In diesem Alter hat bei einem Herzstillstand eine Wiederbelebung auf der Strasse keinen Sinn. Selbst bei einem Erfolg bleiben die Leute fast immer schwer geschädigt und werden zum Pflegefall. Man soll es bleiben lassen. Immerhin, der Arzt wollte wissen, was los war, suchte den Puls an den Handgelenken, am Hals, es hatte nirgends einen Puls. Herzstillstand. Er stand wieder auf, wandte sich an die Umstehenden und erklärte - ganz der gute alte Onkel Doktor - dass es sich um einen Herzstillstand handle. Dass der Mann 87 Jahre alt sei. Und dass in diesem Alter eine Reanimation keinen Sinn mache, weil die Resultate praktisch immer katastrophal seien. 


Ganz leise tönte durch die Luft das DüüDääDüüDää eines Krankenwagens, jemand hatte mit dem Mobiltelefon schon die Ambulanz gerufen. Der Arzt wollte noch sagen, dass man dem alten Mann besser seine Ruhe gönne, so sei es ein schöner und schmerzloser Tod. Aber die Sirene war jetzt laut und schon bog auch das Ambulanzfahrzeug in die Nebenstrasse ein, giftgelb, hochglanzpoliert und blaublitzend, näherte sich rasch und bremste scharf neben der Menschengruppe. 


 

Die Rettungssanitäter, ein mittelalterlicher Mann und eine jüngere blonde Frau mit einem Notfallkoffer sprangen heraus, beide sportlich trainiert und topfit, beide in blitzblanken gelben Leuchtwesten. Sie versicherten sich rasch, dass man von hier telefoniert habe, stürzten sich auf den auf dem Boden liegenden Mann, griffen nach den Pulsen, die sie auch nicht fanden. Die junge Frau begann seinen Brustkorb zu pumpen, um ihn zu reanimieren. Der alte Arzt wäre ihnen gern in den Arm gefallen, aber sie hatten die Uniform der Ordnungsmacht und alle die Umstehenden konnten ja nicht einmal wissen, ob er ein Arzt war. So hielt er sich still. Der Sanitäter schleppte den Defibrillator an, während die Frau weiter pumpte öffnete er das Hemd, machte den Brustkorb frei und klebte die Elektroden an. Der Bildschirm zeigte keine geordnete Herzaktion, also löste man den Elektroschock aus. Danach kein Effekt. Nochmals ein Schock, jetzt zeigte der Bildschirm wieder eine Herzaktion, zwar unregelmässig, aber immerhin, er hatte auch wieder einen unregelmässigen Puls und wurde etwas rosig, blieb aber bewusstlos. Die Frau verschwand im Rettungswagen und kam mit einer Bahre und einer Infusionsflasche zurück. Der alte Mann wurde auf die Bahre gelegt, die Infusion in eine Armvene gesteckt. Dann wurde der alte Mann auf der Bahre von den beiden in die Ambulanz getragen, die junge Frau blieb beim Patienten, der Mann schloss rasch die Hecktüre, grüsste kurz, stieg auf den Fahrersitz und weg brausten sie mit Blaulicht und der Sirene, welche immer leiser wurde. Der ganze Spuk hatte vielleicht drei Minuten gedauert. 


Ja, diese ganze Aktion war höchst professionell und virtuos abgelaufen. Solche Qualität und solches Tempo erreicht man nur mit dauernder Übung. Gleichzeitig hatte die Inszenierung etwas synthetisch Unwirkliches: Die Sanitäter wirkten wie glänzende Lego-Männchen, die mit ihrer Lego-Ambulanz in einer perfekten Legowelt funktionierten. Oder wie Computeranimationen in diesen amerikanischen Filmen, in denen alle Oberflächen so perfekt nachgemacht  sind - virtual reality - und doch bleibt alles unwirklich.

 

Für diese perfekte Legowelt, war das alte abgeschabte Männchen das falsche Objekt. Das Männchen war offenbar bisher selbständig gewesen. Und jetzt wollte im hohen Alter sein Leben zu Ende kommen. Sein Glück war, einem Tod zu begegnen, der alles hatte, was man von einem Tod wünschen konnte: plötzlich, friedlich und schmerzlos. 

 

Aber sie haben ihm seinen Tod weggenommen, seinen Tod hinausgeschoben in die Pflegeabhängigkeit, in ein Pflegeheim. War das der Wunsch dieses Männchens? Hätten wir diesen Wunsch? Hat unser Gesundheitsbudget Geld, um solchen Leerlauf zu bezahlen? 

 

Wenn das Männchen ein Einzelfall wäre, so könnte man darüber hinweggehen. Aber das Männchen ist kein Einzelfall. Es ist Ausdruck einer allgemeinen Philosophie. Der alte Arzt erinnert sich: In jungen Jahren war er zur Ausbildung in der Klinik für Innere Medizin, die damals als die beste galt. Die Direktive dort lautete: "Jeder Herzstillstand wird reanimiert, weil das eine gute Übung für den Assistenzarzt ist". Die gleiche Direktive gilt für die Rettungssanitäter, ob das nun am gegebenen Objekt Sinn macht oder nicht. 

 

Wir werden nicht gefragt.   

Not his Death

(Translation of the story "Nicht sein Tod" from "Begegnungen mit dem Leibhaftigen", Tredition 2016)

The bell rang at the door of the former medical practice. Two younger people were outside, a man and a woman. Somebody had collapsed on the street, they asked for the doctor. The doctor was retired, but he was still living here.

What follows in the next section took place within 30 seconds: The old doctor went out through the front yard onto the sidewalk. There was a small group of people standing around someone who was lying on the ground, face down, a small figure in a shabby suit. A trail of fluid ran from his trousers against the gutter. He had probably lost urine, perhaps in an epileptic seizure. Or he was in cardiac arrest. The doctor knelt down, turned the face of the person towards him, it was a little bluish. Then a grip in his trouser pockets, he found a purse with an identity card, born in 1923. It was 2010, so the man was 87 years old. At this age, street-resuscitation does not make sense in the event of cardiac arrest. Even if successful, people are almost always permanently impaired and require long term care. One should leave them alone.  Still, the doctor wanted to know what was going on, looked for the pulse on the wrists, on the neck, it had no pulse anywhere. Cardiac arrest. He got up again, turned to the bystanders and explained – as a kind old Uncle Doctor - that this was cardiac arrest. That the man was 87 years old. And that at this age resuscitation made no sense because the results were practically always catastrophic.

The siren of an ambulance sounded very softly through the air, someone had already called with the handy. The doctor still wanted to say that it would be better to give the old man his rest, so it would be a beautiful and painless death. But the siren was loud now and the ambulance was already turning into the side street, bright yellow, highly polished and flashing blue, approaching quickly and then coming to a sharp stop next to our group of people.


Two paramedics, a middle-aged man and a younger blonde woman with an emergency kit jumped out, both athletic and in top form, both in sparkling yellow luminous vests. They quickly made sure that the phone was made from here, rushed to the man lying on the floor, grabbed the pulses that they couldn't find either. The young woman began pumping his chest to reanimate him. The old doctor would have liked to stop them, but they were in the uniform of law enforcement and all those standing by could not even know whether he was a doctor. So he kept quiet. The paramedic dragged the defibrillator on, while the woman continued to pump, he opened the shirt, exposed the chest and stuck the electrodes on. The screen showed no regular heart action, so the electric shock was delivered. After that, no effect. Another shock, now the screen showed a heart action again, irregular, but at least he had an irregular pulse and turned a little pink, but remained unconscious. The woman disappeared into the ambulance and came back with a stretcher and an infusion bottle. The old man was placed on the stretcher, the IV placed in a vein in his arm. Then the old man was carried to the ambulance by the two of them, the young woman stayed with the patient, the man quickly closed the rear door, gave a brief greeting, climbed into the driver's seat and away they roared with flashing lights and the siren got quieter and quieter. The whole haunt might have lasted three minutes.

Yes, this whole performance had been extremely professional and virtuosic. Such quality and speed can only be achieved with constant practice. At the same time, the staging had something synthetically unreal about it: the paramedics looked like shiny Lego men who functioned with their Lego ambulance in a perfect Lego world. Or like computer animations in those American films in which all surfaces are imitated so perfectly - virtual reality - and yet everything remains unreal.

For this perfect Lego world, this shabby old little man was the wrong object. He obviously had been independent so far. And now in very old age his life wanted to come to an end. His luck would have benn to meet a death that had everything one could want from death: sudden, peaceful, and painless.

But they took his death away, postponed his death into care dependency, to a nursing home. Was that what this man wanted? Would we have that wish? Does our health budget have enough money to pay for such idle pastimes?

If this old man were an isolated case it could be ignored. But he is not an isolated case. His case  is the expression of a general philosophy. The old doctor remembers: At a young age he was trained in the internal medicine clinic, which was considered the best at the time in his country. The directive there read: "Every cardiac arrest has to reanimated because interns have to practice". The same directive applies to paramedics, whether this makes sense on the given object or not.

Nobody asks us…