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Freitag, 27. November 2020

COVID: Behörden als Risiko, vor dem uns zu schützen sie vorgeben

(Erschienen im Journal21.ch vom 12.12.2020, der letzte Satz wurde am 13.12.2020 eingefügt und die Bemerkungen zum Heilmittelgesetz am 14.12.2020, update an die neue Entwicklung am 18.12.)

England, USA, Kanada, Russland, China und bald auch die EU impfen. Nur die Schweiz «prüft». Wenn man, wie der Schreibende, 79 Jahre alt ist hat man dafür wenig Verständnis.

Der Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen EKIF, Berger, gab der NZZ am 11.11. bekannt, dass man frühestens Mitte 2021 impfen werde. Drei Tage später in der NZZaS sprach er vom zweiten Quartal 2021. Beifall kam von Dr. med. Alan Niederer, Wissenschaftsredaktor der NZZ, sowie von Isabel Strassheim, Wirtschaftsredaktorin beim Tages-Anzeiger, für welche «jede zusätzliche Woche Warten auf die Corona-Impfung gut investierte Zeit ist».

Was gäbe es bei Risiko-Gruppen eigentlich zu prüfen?

Neuerdings redet man für den ersten Impfstoff vielleicht von Ende Dezember oder Januar, aber das nur, weil Deutschland nach Demarchen von Jens Spahn vorwärts machen will. 

Jeden Tag sterben schweizweit 100 Covid-Erkrankte, jede Woche 700, jeden Monat 3000, vorwiegend Alte und Risikopatienten. Das sind auch die, welche zuerst geimpft würden. Und was gäbe es bei denen eigentlich zu prüfen?

Covid tötet die über 80-Jährigen im zweistelligen Prozentbereich, die 70-80-Jährigen im einstelligen. Kommen dazu langwierige Spätfolgen im zweistelligen Prozentbereich. Wenn eine Impfung zu nur 50 Prozent schützte (sie ist besser), wäre sie für Alte schon ein gutes Geschäft, selbst bei schweren Nebenwirkungen (hat sie nicht oder kaum) und gelegentlichen Todesfällen (bisher keine).

Diese Bedingungen erfüllen die Impfstoffe locker, ja die Impfstoffe von Pfizer und Moderna haben die Hoffnungen weit übertroffen. Die Resultate der Pfizervakzine wurden im renommierten New England Journal of Medicine soeben publiziert. Weiteres Prüfen bringt nur Zeitverlust und Hunderte bis Tausende von zusätzlichen Toten. Es fänden sich sofort Hunderttausende von Alten und Risikopatienten, welche sich die Impfung machen und welche sogar auf Regressansprüche im Falle von Komplikationen verzichten würden. Und bis die Jüngeren und Gesunden drankämen hätten wären die hängigen Fragen längst geklärt. 

Mangelnde gesetzliche Grundlage?

Die Behörden verweisen auf mangelnde gesetzliche Grundlagen für eine beschleunigte Prüfung: Aber sinngemäss will der Gesetzgeber nur, dass die Fragen geprüft werden, auf die es ankommt, nicht Nebenfragen, während Leute sterben und tatsächlich hat der Gesetzgeber im Heilmittelgesetz von 2000 an allerlei Ausnahmen und Spezialfälle gedacht, nur nicht an eine tödliche Epidemie, die die Leute zu Tausenden dahinrafft. Immerhin leben wir in einer Demokratie, welche das Privileg hätte, sich die Gesetze selber zu geben. Wo blieb der initiative Parlamentarier oder Bundesrat, der allfällig nötige Gesetzesänderungen einbringt und durchboxt? Man hätte jetzt bald ein Jahr Zeit gehabt. Eine andere Möglichkeit, das Impfen im Rahmen einer Studie wurde vom BAG im Sommer abgeschmettert. Alle halten am Schweizer Sonderweg fest, der sich ja in der Beschaffung der SBB-Züge und des Lehrmittels "Mille-Feuilles" einmal mehr "bewährt" hat. Und selbst wenn der erste Impfstoff jetzt freigegeben wird, bei den nächsten Impfstoffen von Moderna, Johnson&Johnson und Curevac wird die Trölerei von neuem beginnen. Alles kleine Bürokönige, die sich in ihren kleinen Bürokönigreichen wichtig machen. 

Immerhin könnte der Bundesrat sie kurzschliessen und die Impfung per Notverordnung ermöglichen. Die Todesfälle sind zur Zeit zwei bis dreimal höher als im Frühjahr, wo er Notmassnahmen beschlossen hat. Schliesslich sind Gesetze, Parlament und Executive dazu da, um die Bevölkerung zu schützen, und nicht, um sie zu gefährden. 

Mit solchem Verhältnisblödsinn werden die Behörden zum Risiko, vor dem uns zu schützen sie vorgeben.  

Oder könnte es sein, dass die Schweiz gar nicht über Impfstoff verfügt, wie am Anfang bei den Masken? Aber dann sollte man dazu stehen. 

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Es ist in diesem Land noch nicht verboten, sich seiner Haut zu wehren: Der geneigte Leser ist freundlich eingeladen, bei den Amtsstellen, bei seinen Volksvertretern und bei den Medien in geeigneter Form zu intervenieren. Als Beispiel habe ich dem Praesidenten der EKIF (Eidgenössischen Kommission für Impffragen) folgendes geschrieben:

An: christoph.berger@kispi.uzh.ch 

Sehr geehrter Herr Professor,

Seit Februar dieses Jahres hofft unsere Altersgruppe von über 70-jährigen sehnlichst, dass sie die Zeit bis zur Impfung ohne COVID-Infekt überlebt.  

Pro Memoria: Für jemanden wie mich ist die Mortalität von COVID wohl schon im zweistelligen Prozentbereich, dazu kommen Langzeitfolgen, ebenfalls im zweistelligen Prozentbereich.

England, USA, Kanada impfen, bald auch die EU. Deshalb kann ich Ihre wiederholten Verlautbarungen, wonach man bei uns erst im Sommer oder Frühjahr mit Impfen beginnen könne/werde nicht anders als mit Entsetzen lesen und frage mich, ob diese Meinung von Ihren Kollegen in der EKIF geteilt wird.  Wir reden hier ja nicht von einer Masernimpfung, sondern von einer tödlichen Seuche, welche das Gesundheitswesen zum Dekompensieren bringt. Und die Impfungen wurden an zehntausenden ausprobiert, niemand ist daran gestorben und die Nebenwirkungen waren bisher fast nur banal.

Wenn ich das Heilmittelgesetz lese, so wurde die Möglichkeit einer solchen Epidemie und einer rasch verfügbaren Impfung einfach nicht bedacht, denn andere Ausnahmen sind ausdrücklich erlaubt.

Die Aufgabe einer Kommission für Impffragen wäre jetzt nicht, zu warten und zu «prüfen», derweil das Gesundheitswesen zusammenbricht. Sondern vorwärts zu machen oder, falls das nicht geht, dem Bundesrat vorzuschlagen, mittels Notrecht die Impfung der Alten bzw. der Risikogruppen zu ermöglichen. Es wurde mir übrigens bekannt, dass das BAG eine andere Möglichkeit, nämlich das Verabreichen der Impfstoffe im Rahmen einer Studie abgelehnt hat, auch das habe ich mit Befremden notiert.

Die Meinung, dass dringliches Vorgehen angezeigt sei wird von mir bekannten Medizinprofessoren geteilt und ich werde sie, solange nötig,  soweit mir möglich und so populistisch wie möglich öffentlich kundtun. Ich bin zwar alt, habe aber im Laufe eines Politikerlebens ziemlich viel Erfahrung in Journalismus und PR gesammelt. Auch einige eventuell interessierte Stellen bediene ich mit Kopie oder werde sie noch bedienen. Es wird ja noch erlaubt und legitim sein, sich seiner Haut zu wehren.   

Mit freundlichen Grüssen

Lukas Fierz, Dr.med., alt-Nationalrat 

 

Samstag, 23. November 2019

Selbsttorpedierung des Grünen Bundesratsanspruchs

(Erschienen im Journal21 am 25.11.2019, aktualisiert 9.12.2019)

Nach langer Funkstille überraschte GPS-Praesidentin Rytz mit ihrem "Ich bin bereit" zur Bundesratskandidatur. Die Grüne Fraktionssitzung durfte lediglich akklamieren, was nahelegt, dass keine eingehende Abwägung der strategischen Möglichkeiten stattgefunden hatte. 

Wir können die Strategiediskussion ja nachholen: Die Grünen hätten nach dem letzten Wahlergebnis einen Bundesratsanspruch: Gerechteste Sitzverteilung wäre zwei SVP und je ein Vertreter für FDP, CVP, SP, GPS, GLP. Das heisst ein Sitz der FDP müsste an die GLP gehen und ein Sitz der SP an die GPS. Natürlich hätten man lieber eine grüne Mehrheit und vier grüne Bundesratssitze. Aber die haben wir nicht und in Bundesratswahlen sind die vom Wähler vorgegebenen Parteistärken zu akzeptieren, samt Balance zwischen links und rechts. Es bleibt nur, diese Gegebenheiten  taktisch möglichst gut zu nutzen. 

Gemäss Parteistärken hätte man erwarten dürfen, dass die GPS mit ihrer linken Kandidatin Rytz auf die SP losgeht und die GLP auf die FDP. Dazu hätte es eine abgesprochene Zweierkandidatur gebraucht.  

Wegen linker Beisshemmung macht das aber Rytz nicht: Nein, sie greift ausschliesslich Cassis an, denn nur bei seiner Abwahl will sie die Wahl annehmen, nicht aber bei Abwahl Sommarugas. Mit dieser Einzelkandidatur verhindert sie die GLP am Mitspielen und zielt auf eine linke Übervertretung, die in der Mitte wenig Gegenliebe findet. Sendungsbewusstsein in Ehren - aber bei einer Bundesratswahl geht es nicht vor allem darum, ob man selber bereit sei - sondern vielmehr, ob man im real existierenden Parlament eine Chance hat. Da muss man als Person für eine Idee auch einmal zurückstehen und einer aussichtsreicheren Kandidatur den Vortritt lassen können.  

Regula Rytz ist zweifellos eine gute Parteipräsidentin, und im neuen NZZ-Interview hat sie sich gut geschlagen, wenn sie sich auch in der Frage der Bevölkerungsgrösse in typisch Grüner Weise vor klaren Antworten drückt. Als ehemalige Sekretärin von Grünem Bündnis und VPOD ist Rytz auch prononciert links, was ihr gutes Recht ist, was aber gegenüber der Mitte und rechts polarisiert.  

Um Cassis und der FDP den Sitz abzujagen, hätte man eine Kandidatur vorschlagen müssen, welche die GLP sicher mitträgt und die die CVP auch mittragen kann. Deshalb hatte die GLP vor einem alleinigen Vorpreschen von Rytz gewarnt und eine konsensfähige Einzel- oder eine Zweierkandidatur verlangt.  

Für aussichtsreiche Kandidaturen gelten folgende Überlegungen: Unter Parlamentarieren gibt es angriffig-laute, die in der internen Filterblase gut ankommen und Fraktionschef werden, dafür sind sie in anderen Parteien nicht so beliebt. Dann gibt es die Brückenbauer, die in viele Richtungen kommunizieren und Allianzen schmieden können. Die werden nicht Fraktionschef, weil Kommunikation mit anderen Richtungen scheel angesehen wird (ich spreche aus Erfahrung), aber sie geben konsensbildende Exekutivpolitiker ab: Prototypen waren Verena Diener oder Bernhard Pulver, auch Girod könnte in diese Gruppe gehören. Nur solche Kandidaturen vermöchten die GLP und vor allem die CVP zu überzeugen.  

Wenn Rytz nicht noch unerwartete Hilfe von Frauen erhält so betreibt sie im Endeffekt eine Selbsttorpedierung aller Grünen Bundesratsmöglichkeiten zwecks Erhaltung des SP-Besitzstandes. Das Ergebnis wird höchstwahrscheinlich Scheitern und Schmollen sein, war aber deutlich vorauszusehen.  

Für Grüne Selbsttorpedierung gibt es übrigens einen verhängnisvollen Praezedenzfall: Ralph Nader ist seinerzeit als aussichtsloser Präsidentschaftskandidat gegen Al Gore und Bush angetreten, hat dem Al Gore einige Millionen Stimmen und die Praesidentschaft gekostet und uns einen vielleicht tödlichen Rückschlag in der Klimapolitik - wie sagte doch Molières Tartuffe? "Justifier la méchanceté de l'action par la pureté de l'intention"...

Cassis, ein schwacher und angreifbarer Bundesrat darf sich wohl bei Rytz und der GPS für die Wiederwahl bedanken, und die GPS ist weiterhin zum Seitenwagen der SP degradiert. Schade um die verpasste Chance. Man könnte dann nachfühlen, wenn sich einige Grüne verschiedener Richtung verschaukelt fühlten. Ich würde jedenfalls dazugehören.