(erschienen bei Infosperber.ch am 27.6.2019, aktualisiert am 2.10.2020)
“It’s our population growth that underlies just about every single one of the problems that we’ve inflicted on the planet. If there were just a few of us, then the nasty things we do wouldn’t really matter and Mother Nature would take care of it — but there are so many of us.” (Jane Goodall, 2010) |
Megacity Tokyo (Bild dpa-tmn) |
Als ich 1941 geboren wurde hatte die Erde 2,5 Milliarden Bewohner und die Schweiz vier Millionen. Jetzt marschiert die Erde gegen acht Milliarden Bewohner und die Schweiz hat acht Millionen.
Eine nachhaltige biologische Bewirtschaftung ohne Energie- und Düngerzufuhr vermöchte wohl weniger Menschen zu ernähren.
Damit sind wir aber noch nicht am Ende der Kalamitäten: Die Klimaerwärmung wird per Saldo eine Verringerung der globalen Ernteerträge bewirken und so den zu erwartenden Druck von Hunger, Migration und Kriegen verstärken. Und die Riesenzahl von Menschen, die auch konsumieren will - z.B. äussert China Absichten, jeden Monat zwei Kohlekraftwerke zu bauen - macht die Klimaerwärmung vollends unbeherrschbar.
Die massive Zunahme der Menschen, der Haustiere und des sog. Kulturlandes hat die Lebensräume der Wildtiere (grün) derart beschnitten, dass es einem eigentlichen Abwürgen gleichkommt:
Mittlerweile sind in der Schweiz 60 Prozent der 1143 Insektenarten vom Aussterben bedroht und weltweit eine Million der acht Millionen Arten von Lebewesen. Dieser Rückgang ist bisher nicht vor allem klimabedingt, sondern durch Verdrängung und Vergiftung von Lebensräumen durch die expandierende Menschheit.
Dazu droht mittelfristig ein Verlust von zwei Fünfteln aller Pflanzen, darunter ein klimabedingter Verlust der meisten Bäume.
Auch gewisse Auswüchse des Tourismus sind mit den Bevölkerungszahlen zu erklären: Gerade in der Schweiz wurden viele eigene Tourismusdestinationen durch Überbauung und Übernutzung derart ruiniert, dass man gar keine Lust mehr hat, dorthin zu gehen, man denke nur an Davos, Sankt Moritz, oder Crans-Montana. Auf der Suche nach "unverdorbener Natur" benutzt man dann den Flug- und Ferntourismus und ruiniert auch noch den übrigen Planeten.
Crans-Montana |
Und Verzicht auf eine Geburt hat weit mehr Effekt auf den CO2-Footprint als alle anderen Einzelmassnahmen zusammen:
Wenn wir immer noch eine Weltbevölkerung von 2,5 Milliarden hätten, wie 1941, so wäre die Umweltkatastrophe wohl leichter abzuwenden. Mit einer Weltbevölkerung, die gegen 8, 10 Milliarden und darüberhinaus marschiert wird es hingegen mehr als fraglich, ob wir die Kurve noch kriegen können. Und, selbst wenn wir sie kriegen - Verzicht auf Autos, Flüge und Fleisch ginge ja noch - aber eine Welt ohne Kühe, Milch, Butter, Käse, mit Protein aus Heuschrecken und Maden...?
Es überrascht deshalb, wie sehr Überlegungen zur Überbevölkerung tabusiert und gar dämonisiert werden. Ein gutes Beispiel war die Schweizer Volksinitiative "Ecopop", welche gewisse Mittel der staatlichen Entwicklungshilfe auch für Unterstützung der freiwilligen (!) Geburtenkontrolle in Entwicklungländern einsetzen wollte. Von den Initianten kenne ich Benno Büeler, einen völlig integren Mathematiker und Agronomen, der in vielen Entwicklungsländern selber vor Ort gesehen hat, wie katastrophale Übernutzung von Weide- und Ackerflächen die Lebensgrundlagen zerstört, und zwar unabhängig von der Klimaerwärmung.
Alle Parteien haben sich gegen diese Initiative gestellt. Das ginge ja noch, aber man war befremdet, den grünen Nationalrat und Fraktionspräsidenten Balthasar Glättli als Autor des Buchs "Die unheimlichen Ökologen" zu entdecken, in dem er Büeler und die Leute von Ecopop in die Nähe von braunem Gedankengut und Faschismus rückt, eine bösartige und gemeine Verleumdung, und, was schlimmer ist, der Beweis, dass er vom Problem überhaupt nichts begriffen hat, genausowenig wie die grüne Parteipräsidentin Regula Rytz, welche mit frommem Blick eifrig-missionarisch in diesen Chor einstimmte. Nur die grünen Nationalräte Bastien Girod und Yvonne Gilli versuchten 2009 in einem vorsichtigen Arbeitspapier, auch bei den Grünen dieses Thema anzudiskutieren, wurden dabei aber intern gestoppt.
Ich konnte Nationalrat Glättli bei einer Buchpräsentation mit Diskussion in Bern persönlich zur Rede stellen, und er musste mir zugeben, dass Benno Büeler informiert und integer sei, und dass nicht der geringste Anlass bestehe, ihn in die Nähe des Faschismus zu rücken.
Nachdem sich Glättli schon vorher für die Aufnahme von zehntausenden von Syrern in der Schweiz stark gemacht hatte habe ich ihm dann auseinandergesetzt, dass selbst bei Einhalten des Zweigradziels der Klimaerwärmung grosse Teile des Mittleren Ostens, Afrikas und Südeuropas austrocknen werden, und dass damit schon in den nächsten Jahrzehnten Migrationsströme von Hunderten von Millionen nach Europa zu erwarten seien. Wie er sich den Umgang mit diesem Problem vorstelle? Seine kurze Antwort "Das ist nicht mehr zu händeln" (engl. to handle, handhaben).
Er und mit ihm viele Grüne geben sich also damit zufrieden, sich in eine Wohlfühl-Gutmenschenpose zu werfen und sich in deren Erfolg ("äär isch soo mönschlich") zu sonnen, anstatt sich wirklich mit dem Problem auseinanderzusetzen. Ich nenne diese Varietät des Grüntums die Gesundbeter. Sie bilden sich ein, dass mit guten Absichten auch Erfolge garantiert seien. Aus der Medizin habe ich gelernt, dass gegenüber solcher Haltung höchstes Misstrauen angebracht ist, denn in der Regel wird das Gegenteil der Absicht erreicht.
In den sog. entwickelten Nationen haben wir zwar keine Geburtenüberschüsse mehr, aber wenn man sich dem Problem wirklich stellen wollte, müsste man zum Schluss kommen, dass wir insgesamt zuviele sind: Schon der erste Bericht des Club of Rome kam zum Schluss, dass die Ökosysteme ungefähr in der Mitte unseres Jahrhunderts kippen werden, sofern nicht verschiedene Massnahmen UND eine Stabilisierung der Bevölkerung auf Stand 1972 stattfänden. Die bestehende und zu erwartende Weltbevölkerung ist mit dem Erhalt der Lebensgrundlagen nicht in Einklang zu bringen, und schon gar nicht, wenn wir einen auch nur bescheidenen Wohlstand für alle gewährleisten wollen.
Wir sind auf dem Weg zu einer Temperaturerhöhung von 4-5 Grad bis 2100. Der Direktor des Potsdam Instituts für Klimaforschung Johan Rockström, ein Experte für die Grenzen des Planeten, meint, dass eine vier Grad wärmere Erde wohl nur noch vier Milliarden Menschen ernähren könne, und vielleicht nicht einmal das. Und was geschieht mit den anderen?
Und wenn wir mit E.O.Wilson im eigenen Interesse die Hälfte der Lebensräume den Wildtieren zuweisen würden, so hätte die Erde höchstens noch Platz für zwei Milliarden Menschen.
Fast niemand wagt, darüber zu sprechen, auch die meisten Grünen nicht. Das ist Falschmünzerei. Immerhin hat die junge US-Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez (*1989) diesbezügliche Aussagen gemacht. Und die Website "All in to save the world" listet von den Massnahmen, die jeder ergreifen kann die Einkindfamilie als erste Priorität. Wenn man zwei Milliarden Erdbewohner erreichen will, so braucht es die Einkindfamilie während zwei Generationen.