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Montag, 6. Mai 2019

Wir sind zuviele - Ein Tabu

(erschienen bei Infosperber.ch am 27.6.2019, aktualisiert am 2.10.2020)

It’s our population growth that underlies just about
every single one of the problems that we’ve inflicted
on the planet. If there were just a few of us, then the
nasty things we do wouldn’t really matter and Mother
Nature would take care of it — but there are so many
of us.” (Jane Goodall, 2010)


Megacity Tokyo (Bild dpa-tmn)

Als ich 1941 geboren wurde hatte die Erde 2,5 Milliarden Bewohner und die Schweiz vier Millionen. Jetzt marschiert die Erde gegen acht Milliarden Bewohner und die Schweiz hat acht Millionen.

Diese Zahl der Menschen zu ernähren ist nur mit einer Intensivlandwirtschaft möglich, mit massiver Zufuhr von fossiler Energie, Pestiziden und Dünger, was die Biodiversität und die Böden ruiniert. Ohnehin sollten wir wegen der Klimaerwärmung fossile Energie nicht mehr verwenden. Und die Düngerlager sind endlich, sie reichen lediglich für wenige Hundert Jahre.

Eine nachhaltige biologische Bewirtschaftung ohne Energie- und Düngerzufuhr vermöchte wohl weniger Menschen zu ernähren.

Damit sind wir aber noch nicht am Ende der Kalamitäten: Die Klimaerwärmung wird per Saldo eine Verringerung der globalen Ernteerträge bewirken und so den zu erwartenden Druck von Hunger, Migration und Kriegen verstärken. Und die Riesenzahl von Menschen, die auch konsumieren will - z.B. äussert China  Absichten, jeden Monat zwei Kohlekraftwerke zu bauen - macht die Klimaerwärmung vollends unbeherrschbar.

Die massive Zunahme der Menschen, der Haustiere und des sog. Kulturlandes hat die Lebensräume der Wildtiere (grün) derart beschnitten, dass es einem eigentlichen Abwürgen gleichkommt: 


Mittlerweile sind in der Schweiz 60 Prozent der 1143 Insektenarten vom Aussterben bedroht und weltweit eine Million der acht Millionen Arten von Lebewesen. Dieser Rückgang ist bisher nicht vor allem klimabedingt, sondern durch Verdrängung und Vergiftung von Lebensräumen durch die expandierende Menschheit

Dazu droht mittelfristig ein Verlust von zwei Fünfteln aller Pflanzen, darunter ein klimabedingter Verlust der meisten Bäume

Das ist nicht einfach Verlust an Naturromantik: Beispielsweise ist die Pflanzenwelt für Bestäubung und Fortpflanzung auf die Insekten angewiesen. Das Artensterben wird auch für die Spezies Mensch zur tödlichen Bedrohung. Deshalb fordert der berühmte Insektenforscher und Ökologe E.O.Wilson in seinem Buch "Die Hälfte der Erde", die halbe Erdoberfläche für die Wildtiere zu reservieren.

Die grosse Bevölkerungszahl hat noch weitere Konsequenzen: Eine Stadt von 100'000 Menschen kann ohne Autos und fast ohne öffentlichen Lokalverkehr betrieben werden. Erst bei grösseren Städten entstehen die grossen und ineffizient energiefressenden Pendlerströme, die uns von fossiler Energie abhängig machen und die Biosphäre mit CO2 vergiften.. 

Auch gewisse Auswüchse des Tourismus sind mit den Bevölkerungszahlen zu erklären: Gerade in der Schweiz wurden viele eigene Tourismusdestinationen durch Überbauung  und Übernutzung derart ruiniert, dass man gar keine Lust mehr hat, dorthin zu gehen, man denke nur an Davos, Sankt Moritz, oder Crans-Montana. Auf der Suche nach "unverdorbener Natur" benutzt man dann den Flug- und Ferntourismus und ruiniert auch noch den übrigen Planeten. 

Crans-Montana
Nicht zuletzt hat Gunnar Heinsohn nachgewiesen, dass ein grosser  männlicher Geburtenüberschuss sich in Krieg übersetzen kann ("Kriegsindex"), ein Mechanismus, welchen die Historiker bis jetzt übersehen hatten. 

Und Verzicht auf eine Geburt hat weit mehr Effekt auf den CO2-Footprint als alle anderen Einzelmassnahmen zusammen:  

Wenn wir immer noch eine Weltbevölkerung von 2,5 Milliarden hätten, wie 1941, so wäre die Umweltkatastrophe wohl leichter abzuwenden. Mit einer Weltbevölkerung, die gegen 8, 10 Milliarden und darüberhinaus marschiert wird es hingegen mehr als fraglich, ob wir die Kurve noch kriegen können. Und, selbst wenn wir sie kriegen - Verzicht auf Autos, Flüge und Fleisch ginge ja noch - aber eine Welt ohne Kühe, Milch, Butter,  Käse, mit Protein aus Heuschrecken und Maden...?

Es überrascht deshalb, wie sehr Überlegungen zur Überbevölkerung tabusiert und gar dämonisiert werden. Ein gutes Beispiel war die Schweizer Volksinitiative "Ecopop", welche gewisse Mittel der staatlichen Entwicklungshilfe auch für Unterstützung der freiwilligen (!) Geburtenkontrolle in Entwicklungländern einsetzen wollte.  Von den Initianten kenne ich Benno Büeler, einen völlig integren Mathematiker und Agronomen, der in vielen Entwicklungsländern selber vor Ort gesehen hat, wie katastrophale Übernutzung von Weide- und Ackerflächen die Lebensgrundlagen zerstört, und zwar unabhängig von der Klimaerwärmung. 

Alle Parteien haben sich gegen diese Initiative gestellt. Das ginge ja noch, aber man war befremdet, den grünen Nationalrat und Fraktionspräsidenten Balthasar Glättli als Autor des Buchs "Die unheimlichen Ökologen" zu entdecken, in dem er Büeler und die Leute von Ecopop in die Nähe von braunem Gedankengut und Faschismus rückt, eine bösartige und gemeine Verleumdung, und, was schlimmer ist, der Beweis, dass er vom Problem überhaupt nichts begriffen hat, genausowenig wie die grüne Parteipräsidentin Regula Rytz, welche mit frommem Blick eifrig-missionarisch in diesen Chor einstimmte. Nur die grünen Nationalräte Bastien Girod und Yvonne Gilli versuchten 2009 in einem vorsichtigen   Arbeitspapier, auch bei den Grünen dieses Thema anzudiskutieren, wurden dabei aber intern gestoppt. 

Ich konnte Nationalrat Glättli bei einer Buchpräsentation mit Diskussion in Bern persönlich zur Rede stellen, und er musste mir zugeben, dass Benno Büeler informiert und integer sei, und dass nicht der geringste Anlass bestehe, ihn in die Nähe des Faschismus zu rücken. 

Nachdem sich Glättli schon vorher für die Aufnahme von zehntausenden von Syrern in der Schweiz stark gemacht hatte habe ich ihm dann auseinandergesetzt, dass selbst bei Einhalten des Zweigradziels der Klimaerwärmung grosse Teile des Mittleren Ostens, Afrikas und Südeuropas austrocknen werden, und dass damit schon in den nächsten Jahrzehnten Migrationsströme von Hunderten von Millionen nach Europa zu erwarten seien. Wie er sich den Umgang mit diesem Problem vorstelle? Seine kurze Antwort "Das ist nicht mehr zu händeln" (engl. to handle, handhaben).

Er und mit ihm viele Grüne geben sich also damit zufrieden, sich in eine Wohlfühl-Gutmenschenpose zu werfen und sich in deren Erfolg  ("äär isch soo mönschlich") zu sonnen, anstatt sich wirklich mit dem Problem auseinanderzusetzen. Ich nenne diese Varietät des Grüntums die Gesundbeter. Sie bilden sich ein, dass mit guten Absichten auch Erfolge garantiert seien. Aus der Medizin habe ich gelernt, dass gegenüber solcher Haltung höchstes Misstrauen angebracht ist, denn in der Regel wird das Gegenteil der Absicht erreicht.

In den sog. entwickelten Nationen haben wir zwar keine Geburtenüberschüsse mehr, aber wenn man sich dem Problem wirklich stellen wollte, müsste man zum Schluss kommen, dass wir insgesamt zuviele sind: Schon der erste Bericht des Club of Rome kam zum Schluss, dass die Ökosysteme ungefähr in der Mitte unseres Jahrhunderts kippen werden, sofern nicht verschiedene Massnahmen UND eine Stabilisierung der Bevölkerung auf Stand 1972 stattfänden. Die bestehende und zu erwartende Weltbevölkerung ist mit dem Erhalt der Lebensgrundlagen nicht in Einklang zu bringen, und schon gar nicht, wenn wir einen auch nur bescheidenen Wohlstand für alle gewährleisten wollen. 

Wir sind auf dem Weg zu einer Temperaturerhöhung von 4-5 Grad bis 2100. Der Direktor des Potsdam Instituts für Klimaforschung Johan Rockström, ein Experte für die Grenzen des Planeten, meint, dass eine vier Grad wärmere Erde wohl nur noch vier Milliarden Menschen ernähren könne, und vielleicht nicht einmal das. Und was geschieht mit den anderen?   

Und wenn wir mit E.O.Wilson im eigenen Interesse die Hälfte der Lebensräume den Wildtieren zuweisen würden, so hätte die Erde höchstens noch Platz für zwei Milliarden Menschen. 

Fast niemand wagt, darüber zu sprechen, auch die
meisten Grünen nicht. Das ist Falschmünzerei. Immerhin hat die junge US-Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez (*1989) diesbezügliche Aussagen gemacht. Und die Website "All in to save the world" listet von den Massnahmen, die jeder ergreifen kann die Einkindfamilie als erste Priorität. Wenn man zwei Milliarden Erdbewohner erreichen will, so braucht es die Einkindfamilie während zwei Generationen. 

Dienstag, 30. April 2019

Verneigung vor Greta

Seit dem ersten Bericht des "Club of Rome" 1972 und seit dem Buch von Paul Ehrlich "The Population Bomb" 1968 war klar, dass die technokratische Wachstumsphilosophie eine Sackgasse ist. Zwar hat die grüne Revolution die Erträge verdoppelt und die Bevölkerungsbombe für eine Generation entschärft, aber das Problem ist nicht aufgehoben. Seit dem Jahr 2000 wurde auch immer klarer, dass die Klimaerwärmung ein ernstes Problem wird.

In der Schweiz etablierte sich seit den Siebziger- und Achtzigerjahren eine Grüne Partei, die versuchte, Antworten auf die neuen ökologischen Herausforderungen zu finden und anzubieten, zuerst durchaus im Rahmen liberal-bürgerlicher Vorstellungen. Von Anfang an wurde man von der bürgerlichen Presse - sofern man nicht überhaupt ignoriert wurde - systematisch lächerlich gemacht und als "links" abgestempelt, was zumindest in den Anfängen nicht zutraf. Die linken Kreise schauten dagegen die neue Konkurrenz scheel an. Der politische Effekt blieb eigentlich bis 2018 fast bei Null, obschon man schon 2015 zum Schluss kommen musste, dass die Klimaerwärmung das einzige Problem ist, auf das es jetzt noch ankommt. Lieber beschäftigten sich Medien und Öffentlichkeit mit Genderismus, Kopftüchern und anderen Nebensächlichkeiten.


Greta Thunberg streikt


Greta Thunberg, das 16-jährige Mädchen mit den Zöpfen hat geschafft, was die Grüne Bewegung seit vierzig Jahren nicht geschafft hat: Das Thema der zusammenbrechenden Umwelt auf den Tisch zu zwingen. Ihre Idee des Schulstreiks hält den Erwachsenen ihre Pflichtvergessenheit im Spiegel vor. Niemand kann ausweichen.

Die "Autoritäten", die das Problem weiterhin ignorieren wie Roger Köppel, Henryk M.Broder, Pater Martin Rhonheimer  oder die Redaktoren der WELT und der NZZ vermuten hinter Greta und ihrer Bewegung Manipulation, Fremdsteuerung und Kindsmissbrauch und reagieren entsprechend mit Kopfschütteln, Herablassung, Mitleid, selbstgerechter Empörung oder Hohn.

Wer dagegen das Problem sieht kann sich nur dankend verneigen.