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Sonntag, 15. Dezember 2019

Grüne sind keine Populisten - Antwort an Gerhard Schwarz von der NZZ

(aktualisiert am 5.1.2020)

Sehr geehrter Herr Schwarz

Sie sind im publizistischen Beirat der NZZ und wohl mitprägend für deren Berichterstattung. 

In Ihrem neulichen NZZ-Artikel "Der verdrängte grüne Populismus" stellen Sie die Standpunkte der Grünen mit folgenden Formulierungen in Frage: «Muss man nicht viele grüne Forderungen als populär, aber unrealistisch und nachteilig taxieren? Werden nicht gegebene Stimmungen ausgenutzt und durch apokalyptische Visionen bestärkt? Wird nicht allenthalben die Krise beschworen? Sind Grüne nicht genauso Angstspezialisten wie jene, die vor dem Islam oder der Zuwanderung warnen? Werden von ihnen nicht die Machteliten, natürlich vor allem (aber nicht nur) die wirtschaftlichen Machteliten, als verantwortungslos angeprangert? Sehen sich nicht viele Grüne im alleinigen Besitz der Wahrheit und werfen anderen Problemblindheit vor?»

Sehr geehrter Herr Schwarz. Sie behandeln das Wissen um die katastrophale Umweltsituation wie einen Glauben, den man haben oder nicht haben könne. Es handelt sich aber nicht um einen Glauben. Schauen Sie sich die Julitemperaturen der letzten 140 Jahre an: 

Die Julitemperaturen steigen seit 1980 stärker als früher, Messwerte, kein Glauben. Dieser Verlauf wurde schon 1988 von Hansen vorausgesagt und die weiteren Voraussagen lauten auf weiteren Anstieg. Diese Voraussagen werden nicht von Grünen gemacht, sondern von den besten Physikern und Klimatologen die die Hochschulen bei uns und weltweit  hervorgebracht haben. Das sind die Hochschulen und Wissenschaftler, welche auch die Kernspaltung und die Mondlandung möglich gemacht haben. Abweichende Meinungen gibt es, aber sie kommen meist von Leuten, die von Wissenschaft keine Ahnung haben oder von Experten, die sehr alt und senil sind, oder von der Erdölindustrie gekauft.

Wenn wir jetzt ansehen, was die kompetenten Experten (NICHT die Grünen) uns voraussagen ist es folgendes: 

Zunächst gibt es das IPCC, welches den Internationalen politischen Konsens der Regierungen über die Situation formuliert: Es sagt 1,5 Grad globale Temperaturerhöhung für 2040 voraus (vor wenigen Jahren hoffte man noch auf diesen Wert für 2100!). Gemäss diesen Voraussagen erhalten wir bei Einhalten der Pariser Verträge bis 2100 eine globale Temperaturerhöhung von 3,2 Grad.. Da niemand die Pariser Verträge einhält sind wir auf Kurs für global 4-5 Grad gemäss Voraussagen des IPCC. Das sagen nicht die Grünen.

Das IPCC vernachlässigt mehrere unbestritten temperaturerhöhende Mechanismen, das sagen nicht die Grünen sondern erstrangige Fachzeitschriften:    
  1. Das Abschmelzen des Eises reduziert die Rückstrahlung der Erde, was die prognostizierte -Temperaturerhöhung um 20 oder mehr Prozent erhöhen kann.
  2. Der jährliche Treibhausgasausstoss steigt, die Temperatur steigt somit immer schneller und schneller, die 1,5 Grad werden deshalb schon 2030 erreicht sein. 
  3. Seit vier Jahren steigt das Methan in der Luft, ein 30 mal stärkeres Treibhausgas als CO2. Es blubbert im Norden förmlich aus den Gewässern und dem auftauenden Permafrost. Diese Feedbackschleife hat die Kraft, die Erdtemperatur nicht in Jahrzehnten, sondern in Jahren (wenn nicht Monaten) auf unerträgliche Werte zu steigern. Das IPCC rechnet diesen Mechanismus nicht ein, weil er nicht genau voraussagbar ist.
  4. Die Regen- und Trockenwälder verschwinden rapid, was die natürliche CO2-Elimination beeinträchtigt. 
Aufgrund dieser Feedback- und Verstärkungsmechanismen kann man die IPCC-Voraussagen zur Temperatur locker erhöhen, vielleicht verdoppeln, zudem lassen sie erwarten, dass es irgendwann zu einer galoppierenden runaway-Situation kommen wird. Wenn wir die annähernd 400 Temperaturrekorde diesen Juli und den heissesten je gemessenen September und Oktober 2019 ansehen, so sind wir vielleicht schon mitten drin.

Dass die IPCC-reports nur die Hälfte sagen, man könnte auch sagen, dass sie lügen, liegt daran, dass das IPCC eine regierungsabhängige Organisation ist und nur Konsensstatements abgibt, hinter denen auch Saudiarabien und die USA stehen. Diese Verharmlosung habe ich als laienhafter Beobachter erst Ende 2018 bemerkt, vorher habe ich den Unsinn geglaubt.

Kommen dazu die übrigen Kalamitäten wie Wassermangel für einen Viertel der Weltbevölkerung, das galoppierende Artensterben (sind das Erfindungen der Grünen?) und die weitergehende Bevölkerungsexplosion. Man rechnet, dass die Ernteerträge pro Grad Anstieg um 6 Prozent zurückgehen werden. Johan Rockström, neuer Direktor des Potsdam-Instituts meint sogar, dass die Erde mit 4 Grad Temperaturerhöhung kaum 8 Milliarden Menschen, vielleicht nicht einmal die Hälfte davon ernähren könne.  

Wenn wir 2015 noch glaubten, es brauche Generationen bis zur Katastrophe, so glauben wir jetzt, dass es Jahrzehnte (wennicht nur Jahre) braucht. Bendell und andere rechnen schon innerhalb der nächsten zehn Jahre mit Auflösung der Zivilisation, die US-Army (ist die grün oder links?) gibt sich dafür noch zwanzig Jahre. Nachher kommen Hungersnöte, Seuchen, Migration von Hunderten von Millionen bis Milliarden Menschen, Kriege und Genozide, die den Verhältnissen im Dritten Reich spotten werden. Das ist alles keine Apokalypsenrhetorik, sondern es lässt sich alles mit Publikationen in erstrangigen Journals und Quellen belegen. Der führende Deutsche Klimaforscher Prof.Schellnhuber  hat mir schon 2017 gesagt, dass er für die Menschheit keinen Ausweg aus dieser Falle mehr sehe und 2019 hat er mir zugegeben: «Dein Zorn und Deine Verzweiflung darüber ist leider wissenschaftlich nicht von der Hand zu weisen», es werde «scheusslich» werden (seine Worte). 

Sie sind der mittlerweile einundzwanzigste (!) Autor der NZZ, der so tut, wie wenn es diese Fakten nicht gäbe (https://lukasfierz.blogspot.com/2019/09/nzz-gegen-wissenschaft.html). Die einzige Zeitung, die sich der Realität wirklich stellt ist der Guardian. Der unlängst verstorbene Arnold Hottinger hat mir schon 2015 gesagt, dass die Klimakrise auch einem Versagen der Medien geschuldet sei. 

Ein Arzt, der eine derart kritische Situation derart nachlässig handhaben würde, würde vor jedem Bezirksgericht wegen Kunstfehler schuldig gesprochen (https://lukasfierz.blogspot.com/2019/11/klimapolitik-als-kunstfehler.html).

Die NZZ sollte sich klar sein, dass ihre Leserschaft nicht nur aus korrupten Bankern und raffgierigen Aktionären besteht, sondern auch aus den Angehörigen von zwei der weltweit besten Hochschulen. Für diese ist die publizistische Haltung Ihres Blattes in dieser Frage kläglich und eine Beleidigung. 

Mit freundlichen Grüssen

Lukas Fierz 
https://lukasfierz.blogspot.com/2019/11/sitemap.html


N.B. Dies wurde Herrn Schwarz zuerst als mail geschickt und blieb ohne Antwort.


Donnerstag, 29. August 2019

Offener Brief an einen Tagi/BUND-Kolumnisten

Immer wieder stösst man auf Kolumnen und Berichte, die einem aufstossen. Hoffend, dass deren Verfasser zu Denkvorgängen gebracht werden können, schreibe ich diesen manchmal persönlich. Nur ausnahmsweise erhält man eine Antwort. Darum schreiben wir vielleicht lieber offene Briefe, damit wenigstens die übrige Öffentlichkeit erfahren kann, was für Stuss abgesondert wird.

Michael Hermann ist regelmässiger Kolumnist bei BUND und TAGES-ANZEIGER. Er studierte Geografie, Volkswirtschaft und Geschichte an der Universität Zürich und  promovierte am Geografischen Institut der Universität Zürich zum Thema «Werte, Wandel und Raum». Er ist Geschäftsführer des Instituts Sotomo, welches gemäss Eigenwerbung "mit  massgeschneiderten Umfragen umfassende Einblicke in die Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen der Menschen ermöglicht".  

Dieser Brief ging zuerst direkt an Herrn Herrmann. Er hat nicht reagiert.  



Lieber Herr Herrmann,

Ich lese heute etwas ratlos Ihre Kolumne aus BUND und TAGES-ANZEIGER (26.8.2019) über die bevorstehenden Wahlen: Nach Ihnen "können sich die Grünen nur selber schlagen, mit der für das progressive Spektrum so typischen, flüchtigen, in Trägheit umschlagenden Euphorie". Also die gemein-hämische Haltung gegenüber den Grünen und dem Umweltproblem, die wir seit vierzig Jahren bestens kennen, die den bürgerlichen Chefredaktoren passt und die jede Lösung bisher verunmöglicht hat.
Wie wollen Sie denn das «Geschlagen-sein» bzw. «Nicht-geschlagen-sein» definieren? Die Grünen sind doch ab 1980 in der Umweltfrage angetreten, an der sich seit dem ersten Bericht des Club of Rome nicht viel geändert hat. Die Voraussage war damals ein Kollaps der Ökosysteme ab 2030, falls nicht Massnahmen ergriffen UND die Weltbevölkerung sofort stabilisiert werde. Das Problem wäre damals noch irgendwie lösbar gewesen, aber - in Ihren Worten - "die jutesackbewehrten Grünen wurden als gefährliche Wohlstandsgefährder angesehen". Tatsächlich hatten sie bis Frühjahr 2019 nie eine Breitenwirkung. Das hat erst dank Greta geändert.
Inzwischen ist das Umweltproblem zu grossen Teilen oder wahrscheinlich überhaupt nicht mehr lösbar. Lesen Sie das Buch «Change» von Graeme Maxton oder bei Bendell (https://www.lifeworth.com/deepadaptation.pdf). Somit steht fest: Die Grünen sind geschlagen, ganz gleich, wie das Wahlergebnis ausfallen wird. Sie sind doch nicht nur Politologe, sondern auch Geograph, das sollte Ihnen klar sein.
Einige Stichworte: Der Temperaturanstieg ist hundert Mal rascher als frühere Temperaturanstiege und er beschleunigt sich in den letzten Jahren. Alle Prognosen des IPCC waren viel zu optimistisch, die 1,5 Grad Erwärmung werden nicht – wie einst erhofft - 2100 erreicht und nicht 2050, und auch nicht 2040, sondern schon 2030. Die 2 Grad somit 2040. Dann wird Südeuropa vertrocknen und unfruchtbar und der Mittlere Osten wird grossteils unbewohnbar. Bis 2100 steigt die Temperatur mit Einhaltung der Pariser Verträge um 3,2 Grad, und weil sie bisher nicht eingehalten wurden um 4-5 Grad. Damit kann die Erde vielleicht noch 1 Milliarde ernähren, wenn nicht weniger.
Vielfache Selbstverstärkungsmechanismen (Ungebremster Anstieg der Treibhausgase, Flächenbrände, Methanfreisetzung, verminderte Strahlungreflexion durch Eisschmelze) drohen den Temperaturverlauf explosiv zu machen und die höhere Biosphäre sowie die Menschheit in einer «hothouse earth» auszulöschen. Unterwegs wird zuerst das Finanzwesen zusammenbrechen (die Negativzinsen sind ein getreues Marktabbild der ausweglosen Situation), Ihre «flächendeckende Dienstleistungsgesellschaft» wird sich als überflüssig zersetzen, die Industriegesellschaft redimensioniert, es resultieren ein Heer von Arbeitslosen, soziale Unruhen und Hungersnöte. Migrationen von Milliarden und Kriege sind obligatorisch abzusehen. Die bevorstehenden Wahlen sind dafür ziemlich irrelevant.
Man kann sich fragen, wer die Kalamität zu verantworten hat. Der grosse Journalist Arnold Hottinger sagte mir, es sei auch ein Versagen «von uns» (er meinte Presse und Medien) gewesen. Es ist auch ein Versagen der Wissenschaft, die vielfach nicht klar gesprochen hat.
Ehrlich gesagt wundere ich mich, dass man darüber in den Zeitungen nichts liest. Bei der NZZ bin ich inzwischen zum Schluss gekommen, dass der Abopreis so hoch ist, weil man dafür bezahlt, nichts darüber lesen zu müssen. So kann der brave Bürger ungestört weiter schlafen.
Mit freundlichen Grüssen
Lukas Fierz
Alt-Nationalrat