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Mittwoch, 12. August 2020

Die Lebenden werden die Toten beneiden

(Zuerst publiziert in www.Journal21.ch vom 12.8.2020)

In der New York Review of Books, 20. August 2020 (-> link to original article) bespricht Bill McKibben das Buch «The last warning: Six degrees climate emergency» («Die letzte Warnung: Sechs Grad Klimanotfall») von Mark Lynas, London: 4th Estate, 372 S., 27,99 USD. Hier diese Besprechung in deutscher Übersetzung: 

54 Grad Celsius

Durch COVID bekommen wir einen Begriff von einer umfassenden globalen Krise, die alles stört: Das normale Leben - Lebensmittel einkaufen, Hochzeit halten, zur Arbeit gehen, die Eltern sehen – alles verändert sich dramatisch. Die Welt fühlt sich anders an, und jede Annahme über Sicherheit und Vorhersehbarkeit ist auf den Kopf gestellt: Wirst du einen Job haben? Wirst du sterben? Wirst du jemals wieder mit der U-Bahn fahren oder ein Flugzeug nehmen? Es ist alles anders, als wir jemals gesehen haben.

Der Umbruch durch Covid-19 ist auch eine Art Generalprobe für die globale Erwärmung. Weil die Menschen die physische Funktionsweise des Planeten Erde grundlegend verändert haben, gehen wir einem Jahrhundert von Krisen entgegen, von denen viele gefährlicher sind als das, was wir jetzt durchleben. Hauptfrage ist, ob wir den Temperaturanstieg so eingrenzen können, dass wir diese Krisen wenn auch mit Aufwand und Leid bewältigen können, oder ob unsere Zivilisation überwältigt wird. Letzteres ist eine eindeutige Möglichkeit, wie Mark Lynas neues Buch «Our Final Warning» schmerzlich deutlich macht.

Lynas ist ein britischer Journalist und Aktivist. 2007 veröffentlichte er im Vorfeld der Klimakonferenz in Kopenhagen ein Buch mit dem Titel «Sechs Grad: Unsere Zukunft auf einem heißeren Planeten». Das neue Buch erinnert an die frühere Arbeit, die schon keineswegs fröhlich war. Aber weil Wissenschaftler im letzten Jahrzehnt das Verständnis der Erdsysteme dramatisch verbessert haben, während unsere Gesellschaft dasselbe Jahrzehnt dazu verschwendete, um immer mehr CO2 in die  Atmosphäre zu pusten ist dieses Buch weit, weit dunkler. Lynas stützt sich auf solide Quellen und eine breite Palette veröffentlichter Forschungsergebnisse. Eröffnend sagt er, dass er lange davon ausgegangen sei, dass wir „den Klimawandel wahrscheinlich überleben könnten. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher."

Die Nationen, welche fossile Brennstoffe in großen Mengen verbrauchen, haben die Temperatur des Planeten seit der industriellen Revolution um mehr als ein Grad Celsius angehoben. Die Marke wurde 2015 überschritten, zufällig auch das Jahr, in dem wir in Paris die ersten wirklichen globalen Abkommen über Klimaschutzmaßnahmen erreicht haben. Ein Anstieg um ein Grad klingt nicht nach viel, aber es ist viel: Jede Sekunde fangen der Kohlenstoff und das Methan, die wir abgegeben haben, Wärme ein, die der Explosion von drei Hiroshima-Bomben entspricht. Seit 1959 wird auf dem  Vulkan Mauna Loa in Hawaii die Kohlendioxidkonzentration erfasst. Ende Mai dieses Jahres war ein neues Rekordhoch von etwa 417 ppm CO2, das sind 100 ppm mehr als zur Zeit unserer Ururgrosseltern, und mehr, als es in den letzten drei Millionen Jahren je gegeben hat (ppm = parts per million).

Während wir fahren, heizen, beleuchten und bauen, geben wir jährlich etwa 35 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre ab. Momentan nehmen Ozeane und Wälder etwas mehr als die Hälfte davon auf, aber diese Gnade wird in Zukunft nicht anhalten, und auf jeden Fall bedeutet dies, dass wir der Luft jährlich etwa 18 Milliarden Tonnen hinzufügen . Dies ist bei weitem der wichtigste Einflussfaktor  für die Zukunft des Planeten.

Der Schaden, der bei einem Grad Erwärmung angerichtet wurde, ist beunruhigend und liegt in fast allen Fällen über dem, was Wissenschaftler vor dreißig Jahren vorhergesagt hatten (Wissenschaftler sind halt von Natur aus vorsichtig).  Lynas nimmt uns auf eine Horrortour,  von Grönland (wo die Eisschmelze bereits auf dem Niveau liegt, das einst für 2070 vorhergesagt wurde); in die Wälder der Welt (auf der ganzen Welt hat die Dauer der Waldbrandsaison um ein Fünftel zugenommen); in städtische Gebiete in Asien und im Nahen Osten, in denen in den letzten Sommern die höchsten zuverlässig gemessenen Temperaturen auf der Erde gemessen wurden, gegen 54 Grad. Das ist die Welt mit einem Grad Erwärmung, in der ein Gürtel aus gebleichten Korallen über den Tropen zu sehen ist - ein 90-prozentiger Zusammenbruch entlang des Great Barrier Reef, der größten lebenden Struktur des Planeten – oder die entsetzlichen Szenen aus Australien wo im Dezember Menschen ins Meer wateten,  um den Feuerstürmen zu entkommen.

Das wäre einmal die Ausgangsbasis. Wir werden definitiv nicht cooler. Aber betrachten wir jetzt das eigentliche Problem, die zukünftige Entwicklung, welche Wissenschaftler seit vielen Jahren zu vermitteln versuchen, welche aber weder in der Öffentlichkeit noch bei den politischen Führern wirklich angekommen ist. In den Worten von Lynas:

«Auf dem aktuellen Erwärmungspfad könnten wir bereits Anfang der 2030er Jahre zwei Grad Globalerwärmung haben, die drei Grad um Mitte des Jahrhunderts und vier Grad bis 2075. Wenn wir mit positiven Feedbackschleifen Pech haben - vom Auftauen des Permafrosts in der Arktis bis zum Zusammenbruch tropischer Regenwälder - könnten wir bis zum Ende des Jahrhunderts fünf oder  sechs Grad Globalerwärmung erreichen».

Das ist ein lesenswerter Absatz, eine unverbrämte Zusammenfassung der verfügbaren Wissenschaft (eine  Anfang Juli veröffentlichte Studie schätzt, dass wir die 1,5-Grad-Schwelle bis 2025 überschreiten könnten). Diese Sicht ist keinewegs abwegig und sie impliziert eine unvorstellbare Zukunft. Zwei Grad sind nicht doppelt so schlecht wie ein Grad, oder drei Grad dreimal so schlecht. Denn der Schaden nimmt nicht linear mit der Temperatur zu, sondern eher exponentiell, wobei bei steigender Temperatur jederzeit unvorhersehbare Kippunkte drohen. (Anmerkung des Übersetzers: eine bestimmte Globalerwärmung heisst ca. das doppelte oder mehr über den Landmassen, wo die Kühlung durch das Meer entfällt). 

Aber haben sich die Staats- und Regierungschefs der Welt im Pariser Klimaabkommen nicht  verpflichtet, den Temperaturanstieg auf „weit unter“ zwei Grad Celsius und so nahe wie möglich an 1,5 Grad zu halten? Sie taten es - in der Präambel. Aber dann fügten sie ihre tatsächlichen Zusagen Land für Land hinzu. Als Wissenschaftler diese Versprechen zusammenfassten - Emissionen zu senken, erneuerbare Energien aufzubauen, Wälder zu retten - und sie in einen Computer einspeisten, spuckte der die Nachricht aus, dass wir bei Einhaltung des Pariser Abkommens in diesem Jahrhundert auf eine Globalerwärmung um etwa 3,5 Grad zusteuern. Und nicht genug Länder halten die Pariser Versprechen - tatsächlich haben sich unsere USA, die in den letzten zwei Jahrhunderten weitaus mehr Kohlenstoff produziert haben als jedes andere Land, vollständig von den Abkommen zurückgezogen, angeführt von einem Präsidenten, der den Klimawandel als Scherz bezeichnet. Der En-ROADS-Online-Simulator, der von Climate Interactive, einem gemeinnützigen Think Tank, entwickelt wurde, sagt voraus, dass wir in diesem Jahrhundert einen globalen Temperaturanstieg von 4,1 Grad  erwarten können. Alles in allem ist Lynas 'sorgfältige schrittweise Analyse eine direkte Prognose für unsere Zukunft, und gleichzeitig eine Höllentour, es sei denn, wir ergreifen Massnahmen in einem Maßstab, den derzeit nur wenige Nationen planen.

Folgen wir Lynas auf dieser Tour in die Hölle:

Bei einer um zwei Grad erhöhten Globaltemperatur sind sagt die Wissenschaft ziemlich sicher einen im Sommer eisfreien Arktischen Ozean voraus. Schon jetzt hat der Eisverlust im Norden die Wettersysteme dramatisch verändert, den Jetstream geschwächt und die Wetterverhältnisse in Nordamerika und anderswo destabilisiert. 

Bei den zwei Grad könnten 40 Prozent der Permafrostregion abschmelzen, unter massiver Freisetzung von Methan und CO2, was uns näher an die drei Grad bringen würde. Aber wir greifen vor: Zwei Grad werden wahrscheinlich auch den irreversiblen Verlust der Westantarktischen Eisdecke auslösen. Selbst vorsichtige Schätzungen des resultierenden Meeresspiegelanstieges lassen erwarten, dass dadurch 79 Millionen Menschen vertrieben werden. Und der Schutz gefährdeter Städte entlang der Ostküste der USA hinter Deichen und Mauern würde bis zu 1 Million US-Dollar pro Person kosten. Lynas folgert: «Ich vermute, niemand wird mit so hohen Kosten für Deiche bezahlen wollen, und die am stärksten gefährdeten (und ärmsten) Gemeinden werden einfach aufgegeben».

Früher hofften die Forscher, dass eine Erwärmung um zwei Grad die Lebensmittelproduktion tatsächlich leicht steigern könne, aber „jetzt sehen diese rosigen Erwartungen gefährlich naiv aus.“ Lynas zitiert jüngste Studien, in denen vorausgesagt wird, dass zwei Grad die globale Lebensmittelverfügbarkeit um etwa 99 Kalorien pro Kopf und Tag verringern werden – und auch diese Last wird selbstverständlich nicht gleichmäßig oder gerecht verteilt werden.

Städte werden stetig heißer: Die derzeitige Erwärmung bedeutet, dass sich alle Menschen auf der Nordhalbkugel mit einer Geschwindigkeit von etwa 19 km pro Jahr effektiv nach Süden bewegen. Das ist ein halber Millimeter pro Sekunde, was mit bloßem Auge eigentlich leicht zu erkennen ist: „Ein sich langsam bewegendes riesiges Förderband“, das uns „immer tiefer in die Subtropen transportiert, mit der gleichen Geschwindigkeit wie der Sekundenzeiger einer kleinen Armbanduhr . ”

Aber dieser statistische Durchschnitt maskiert Extreme: Wir können immer stärkere Hitzewellen erwarten, so dass beispielsweise in China Hunderte Millionen Menschen mit Temperaturen umgehen müssen, denen sie noch nie zuvor begegnet sind. Die natürliche Welt wird dramatisch leiden - 99 Prozent der Korallenriffe werden wahrscheinlich sterben: Eine der faszinierendsten (und produktivsten) Ecken der Schöpfung wird auf „abgeflachte, algenbedeckte Trümmer“ reduziert.

Wenn wir darüber hinaus zu drei Grad Globalerwärmung gehen, "wird das unsere Zivilisation bis zum Zusammenbruch belasten." Die drei Grad bringen uns auf ein Niveau globaler Hitze, das noch kein Mensch erlebt hat – letztmals so warm war es vor drei Millionen Jahren im Pleistozän.

In seinem ersten Buch berichtete Lynas, dass Wissenschaftler den Zusammenbruch der Westarktischen Eisdecke bei vier Grad erwarteten. Wie oben ausgeführt erwartet man den Zusammenbruch heute  früher, bei zwei Grad Erwärmung ist er eine tödliche Möglichkeit, bei drei Grad eine Gewissheit. Höhere Meeresspiegel bedeuten, dass Sturmfluten wie der Superstorm Sandy vom Jahr 2012 durchschnittlich dreimal im Jahr zu erwarten sind.

In einer Dreigrad-Welt werden die rekordverdächtigen Hitzewellen von 2019 „als ungewöhnlich kühler Sommer gelten“. Über eine Milliarde Menschen würden in Zonen des Planeten leben, "in denen es unmöglich wird, außerhalb künstlich gekühlter Umgebungen sicher zu arbeiten, selbst im Schatten". Der Amazonas stirbt,  der Permafrost bricht zusammen. Die Veränderung verstärkt sich selber: Bei drei Grad wird die Reflexion des Planeten stark vermindert, weil weißes Eis, das den Sonnenschein zurück in den Weltraum reflektiert, durch blaues Meer oder braunes Land ersetzt wird, das diese Strahlen absorbiert und den Prozess verstärkt.

Und dann kommen die vier Grad: Der Mensch als Spezies ist damit nicht vom Aussterben bedroht - noch nicht. Aber die fortschrittliche industrielle Zivilisation mit ihrem ständig steigenden Materialverbrauch, Energieverbrauch und Lebensstandard - das System, das wir Modernität nennen – kommt ins Wanken.

In Orten wie Texas, Oklahoma, Missouri und Arkansas werden die Höchsttemperaturen jedes Jahr höher sein als die 50 und mehr Grad, die man jetzt im Death Valley findet. Drei Viertel der Weltbevölkerung werden „mehr als 20 Tage pro Jahr tödlicher Hitze ausgesetzt sein ” – in New York 50 Tage pro Jahr, in Jakarte alle Tage des Jahres. Ein „Gürtel der Unbewohnbarkeit“ wird durch den Nahen Osten verlaufen, den größten Teil Indiens, Pakistans, Bangladeschs und Ostchinas. Die Ausweitung der Wüsten wird ganze Länder "vom Irak bis nach Botswana" verbrauchen.

Je nach Studie steigt das Risiko von „sehr großen Bränden“ in den westlichen USA zwischen 100 und 600 Prozent; Das Hochwasserrisiko in Indien steigt um das Zwanzigfache. Derzeit ist das Risiko, dass die größten Getreideanbaugebiete aufgrund von Dürre gleichzeitig Ernteausfälle erleiden, „praktisch Null“, aber bei vier Grad „steigt diese Wahrscheinlichkeit auf 86%“. Riesige «marine Hitzewellen“ werden die Ozeane durchkämmen: „Eine Studie geht davon aus, dass die Meerestemperaturen in einer Welt mit vier Grad in vielen tropischen Meeresökoregionen über der thermischen Toleranzschwelle von 100% der Arten liegen werden.“ Das Aussterben an Land und auf See wird sicherlich das schlimmste seit dem Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren sein, als ein Asteroid dazu beitrug, das Zeitalter der Dinosaurier zu beenden. "Der Unterschied", bemerkt Lynas, "besteht darin, dass der" Meteor "diesmal Jahrzehnte im Voraus sichtbar war, aber wir haben uns einfach abgewandt, als er am Himmel immer größer wurde."

Wir werden nicht lange bei Lynas' Beschreibungen darüber verweilen,  was bei fünf oder sechs Grad Globalerwärmung passiert. Diese sind leider nur allzu plausibel -  besonders wenn die Menschheit sich nicht auf eine Kursänderung einigt - aber sie sind pornographisch. Wenn die Erwärmung dieses Ausmass erreicht, werden die Lebenden die Toten wirklich beneiden: Eine Welt, in der die Menschen versuchen, sich nach Patagonien oder vielleicht auf die Südinsel Neuseelands zu drängen, eine Welt, in der massive Monsune den Boden bis zum Felsen wegspülen. wo die Ozeane anoxisch oder völlig ohne Sauerstoff sind. Vergessen wer die Praezedenzfälle der Kreidezeit und der Asteroideneinschläge - bei sechs Grad nähern wir uns dem Schaden, der zu Ende des Perms eintrat, der größten biologischen Katastrophe in der Geschichte des Planeten, als vor 250 Millionen Jahren 90 Prozent der Arten verschwanden. Ist das übertrieben? Nein, denn momentan erhöhen unsere Autos und Fabriken die CO2-Konzentration des Planeten ungefähr zehnmal schneller als die riesigen sibirischen Vulkane, die damals die Katastrophe ausgelöst haben.

Angesichts der Klimakrise ist die Rückkehr zum „Normalen“ kein realisierbares Ziel - niemand wird einen Impfstoff herstellen (*). Das heißt nicht, dass wir keine Möglichkeiten haben. Tatsächlich haben wir derzeit mehr Optionen als zu irgendeinem früheren Zeitpunkt, aber wir müssten sie in dramatischem Umfang und mit dramatischer Geschwindigkeit einsetzen.

Zum einen haben die Ingenieure ihre Arbeit gut gemacht. Vor etwa einem Jahrzehnt begann der Preis für erneuerbare Energien zu sinken, und dieser Rückgang beschleunigt sich weiter. Der Preis pro Kilowattstunde Solarenergie ist seit 2010 um 82 Prozent gefallen. In diesem Frühjahr wurde in den sonnigen Wüsten Dubais der Zuschlag für die weltweit größte Solaranlage abgegeben, sie produziert für etwas mehr als einen Cent pro Kilowattstunde. Der Preis für Windkraft ist fast ebenso dramatisch gefallen. Jetzt rasen die Batterien die gleiche Kurve hinunter. In vielen Jahren wird es vielerorts tatsächlich billiger sein, neue Solaranlagen zu bauen, als bereits gebaute und bezahlte Gas- und Kohlekraftwerke weiter zu betreiben. (Das liegt daran, dass die Sonne die Kraft gratis liefert).

Aus diesen Gründen und aufgeschreckt durch Kampagnen setzen sich Investoren für erneuerbare Energien ein. Damit wird auch die Macht der fossilen Brennstoffindustrie geschwächt, die ihre Schlagkraft seit drei Jahrzehnten genutzt hat, um den Übergang zu neuen Energieformen zu blockieren.

Aber die Wirtschaft selbst wird uns nicht schnell genug bewegen. Trägheit ist eine mächtige Kraft - Trägheit und die Notwendigkeit, Billionen an „gestrandeten Vermögenswerten“ aufzugeben: Riesige  Öl- und Gasreserven, die derzeit den Wert von Unternehmen (und von Ländern, die sich wie Unternehmen verhalten – man denke an Saudi-Arabien) stützen, müssten im Boden belassen werden. Infrastrukturen wie Pipelines und Kraftwerke müssten lange vor Ablauf ihrer Nutzungsdauer geschlossen werden. Dieser Prozess würde wahrscheinlich mehr Arbeitsplätze schaffen als beseitigen, denn fossile Energie ist in der Regel kapitalintensiv, während erneuerbare Energien arbeitsintensiver sind. Aber die politischen Systeme reagieren eher auf drohende Arbeitsplatzverluste als auf ihren möglichen Ersatz. Von den ärmsten Nationen sollte nicht erwartet werden, dass sie für den Übergang so viel bezahlen wie die reichen Nationen: Sie sind bereits belastet mit den horrenden Kosten des Meeresspiegelanstiegs und der Gletscherschmelze, zu deren Verursachung sie kaum beigetragen haben. Auch ohne Führer wie Trump ist der erforderliche Aufwand enorm - genau deshalb blieben die Zusagen der Unterzeichner in Paris so weit hinter den selbst gesetzten Zielen zurück. Und Führer wie Trump scheinen sich zu vermehren: Der Brasilianer Jair Bolsonaro kann die Klimamathematik im Alleingang umschreiben, indem er einfach weiterhin den Amazonas entwaldet. Es wird eine mächtige und andauernde Bewegung erfordern, um den Wandel zu beschleunigen.

Was Lynas 'Buch vielleicht etwas deutlicher hätte machen sollen, ist, wie wenig Spielraum wir haben, um diese Aufgaben zu erfüllen. In einer Coda schreibt er tapfer: „Es ist nicht zu spät, und tatsächlich wird es nie zu spät sein. So wie 1,5 ° C besser als 2 ° C ist, so ist 2 ° C besser als 2,5 ° C, 3 ° C ist besser als 3,5 ° C und so weiter. Wir sollten niemals aufgeben.“ Dies ist zumindest emotional unbestreitbar. Nur machen die von ihm zitierten Studien deutlich, dass zwei Grad Erwärmung Rückkoppelungen erzeugen können, die uns automatisch höher bringen. Ab einem bestimmten Punkt wird es zu spät sein. Die erste dieser Fristen könnte 2030 sein - das Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC)  teilte 2018 mit, dass wir bis zu diesem Datum eine „grundlegende Umgestaltung“ der Energiesysteme benötigen, da sonst die in Paris festgelegten Ziele unerreichbar blieben (Mit „grundlegender Transformation“ war ein Rückgang der Emissionen um 50 Prozent gemeint). Das heißt, die Jahre, in denen wir noch größte Hebelwirkung und Einfluss haben können wir unseren zehn Fingern abzählen.

Die Covid-Pandemie zeigt, wie wichtig der Zeitfaktor in solchen Krisen ist. Südkorea und die USA meldeten die ersten Fälle am selben Januartag. Amerikas Regierung und Präsident verschwendeten den Februar mit Zögern und Twittern. Und jetzt ist Seoul nahe an der Normalität, und in den USA sind wir dem Chaos nahe (An einem einzigen Julitag  meldete Florida mehr Fälle, als Südkorea in der ganzen Pandemie). Und so wie die USA den Februar verplemperten, verplemperten wir für den Planeten dreißig Jahre. Geschwindigkeit ist wichtiger denn je. Die Proteste gegen Black Lives Matter erinnern daran, dass Aktivismus erfolgreich sein kann und dass Umweltbemühungen stark mit anderen Kampagnen für soziale Gerechtigkeit verbunden sein müssen. Der von der Biden-Kampagne im vergangenen Monat angekündigte Klimaplan ist ein glaubwürdiger Start für die notwendigen Anstrengungen.

Die Pandemie gibt auch einen tauglichen Masstab dafür, wie viel wir ändern müssen, um die Klimakrise zu bewältigen. In diesem Frühjahr haben wir «business as usual» eine Zeit lang beendet, fast auf der ganzen Welt - und unseren Lebensstil weitaus mehr verändert, als wir je für möglich gehalten hatten. Wir haben aufgehört zu fliegen, haben aufgehört zu pendeln, haben viele Fabriken gestoppt. Im Endeffekt sind die Emissionen gesunken, aber nicht so stark, wie man hätte erwarten können: Nach vielen Berechnungen kaum mehr als 10 oder 15 Prozent. Das deutet darauf  hin, dass der größte Teil der Faktoren, die unsere Erde zerstören, fest in unseren Systemen eingebaut und verdrahtet sind. Nur wenn wir diese Systeme angreifen - indem wir die mit fossilen Brennstoffen betriebenen Eingeweide herausreißen und durch erneuerbare Energien und weitaus effizientere  Techniken ersetzen, können wir die Emissionen so weit senken, dass wir eine Chance haben. Und zwar – das macht Lynas leider klar - nicht die Chance, die globale Erwärmung zu stoppen. Aber wenigstens eine Chance, zu überleben.

(*) Einige fordern "Geoengineering"-Lösungen für die globale Erwärmung - Techniken wie das Sprühen von Schwefeldioxid in die Atmosphäre, um die einfallenden Sonnenstrahlen zu blockieren. Das würde nichts dazu beitragen, die andere schlimme Krise zu verlangsamen, die durch den Kohlenstoffstoß verursacht wird: Die Versauerung der Ozeane. Und man könnte damit durchaus neue Formen des Chaos anrichten.

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Übersetzung: Lukas Fierz, Bern.

Veröffentlicht mit Genehmigung New York Review of Books.

Link zum Originalartikel: https://www.nybooks.com/articles/2020/08/20/climate-emergency-130-degrees/

 

 

Sonntag, 10. November 2019

NZZ steckt Kopf in Sand

(Update 4.4.2020)

Sehr geehrter Herr Scheu,

Als Abonnenten der NZZ lesen wir heute den mindestens neunzehnten Artikel gegen die Klimaproteste, diesmal aus Ihrer Feder gegen die Extinction Rebellion. Die anderen waren meist im Feuilleton, Sie werden sie kennen, teils zeichneten sie sich durch unsägliche Dummheit aus (Bolz, Acklin, Mai), andere sind hier.

Ich möchte Ihnen als verantwortlichem Feuilletonredaktor deshalb die Frage stellen: Sind Sie sich eigentlich klar darüber, dass die schon genug schlimmen Voraussagen des IPCC vier bekannte verschlimmernde Faktoren unterschlagen?
  1. Das Abschmelzen des Eises vermindert die Erdreflexion was den vorausgesagten Temperaturanstieg um 20 oder mehr Prozent erhöhen kann.
  2. Die CO2-Konzentration in der Luft und der jährliche CO2-Ausstoss bleiben nicht stabil sondern steigen weiter an, was das IPCC nicht berücksichtigt.
  3. Das Treibhausgas Methan steigt stark an, freigesetzt durch Erwärmung von Feuchtgebieten und Permafrost, durch Landwirtschaft und Fossilindustrie. 
  4. Die Ur- und Regenwälder gehen weltweit durch Rodung, Trockenheit und Brände zurück, können so immer weniger CO2 binden, und strafen damit den CO2-Ablasshandel mit Zertifikaten Lügen.
Das sind alles keine alarmistischen Behauptungen sondern unbestrittene Fakten.
 
Alle diese Feedbackschleifen müssen irgendwann zu einer sich beschleunigenden Runaway-Situation führen. Die immer schneller ansteigenden Temperaturkurven und der jetzige Sommer mit fast 400 gebrochenen Temperaturrekorden sowie die diesjährigen heissesten je gemessenen September und Oktober wecken den Verdacht, dass wir schon mitten in diesem Prozess sind. Hansen hat 1988 das erste gute und bis jetzt funktionierende Klimamodell eingeführt. Er ist der Meinung, dass wir den Point of No Return schon 2010 überschritten haben und seine Prognosen sind dramatisch.            


Wir können somit die Prognosen des IPCC in die Kategorie der politischen Schönrednerei einordnen. Und was die Politik bisher weltweit und hierzulande getan hat ist völlig ungenügend. Die Forderung nach radikalen Massnahmen ist angesichts dieser Inertie verständlich und berechtigt, man müsste nur noch diskutieren, welche radikalen Massnahmen nötig sind. Im Rahmen unseres bisherigen Denkens werden sie jedenfalls nicht liegen.
 
Es ist mir rätselhaft, wie die NZZ angesichts dieser dramatischen Situation soviel ihres von uns dummen Abonnenten bezahlten wertvollen redaktionellen Raums für Bagatellisierer und Schwätzer reservieren kann und daneben über das wirkliche Problem nur sporadisch und zögerlich berichtet. Auch Ihr Spezialist Herr Tietz scheint mir das Problem nicht wirklich begriffen zu haben oder begreifen zu wollen, oder vielleicht darf er auch nicht schreiben was er denkt, falls er denkt.

Mit freundlichen Grüssen

Lukas Fierz



Freitag, 8. November 2019

Klimapolitik als Kunstfehler

(erschienen im Tages-Anzeiger vom 9.11.2019, aktualisiert 6.7.2020)

Für einen Arzt ist der Umgang mit der Klimakrise durch Publikum, Politik sowie viele Medien und Experten eigenartig, um nicht zu sagen befremdlich. Ab Beginn der Ausbildung wird dem Arzt klargemacht, das er im Falle einer Fehlleistung - eines sogenannten Kunstfehlers - vor Gericht und sogar ins Gefängnis kommen kann. Kunstfehler können z.B. darin bestehen, dass man eine schlimme, eine noch schlimmere, oder die schlimmste Möglichkeit verpasst. Diese schlimmen Möglichkeiten mögen selten und sehr selten sein, aber das wird vor Gericht nicht helfen. Ein oft angeführtes Beispiel ist die Blutung aus dem Enddarm: Weit häufigste und wahrscheinlichste Ursache sind natürlich harmlose Haemorrhoiden, aber was für den Arzt vor allem zählt ist der Dickdarmkrebs. Wenn er diesen übersieht, und nur Haemorrhoiden behandelt, die auch vorhanden sein können, so kann daraus ein Gerichtsfall werden.


Vergessene Schere
Deshalb ist ist die schlimmste Möglichkeit für den Arzt eine dauernde Sorge, wir suchen sie, wir bereiten uns darauf vor und die harmlosen und häufigen Ursachen sind fast eine Nebensache. Dafür haben wir eine Art doppelte Buchführung im Kopf, zwei Algorithmen: Der eine sucht und berechnet dauernd die wahrscheinlichste Möglichkeit von Ursache/Verlauf/Endresultat,  der andere die schlimmste. Im Zweifel geht man von der schlimmeren Möglichkeit aus. Weil die Medizin ein unpräzises und unvorhersehbares Geschäft ist müssen wir uns oft mit Näherungsresultaten begnügen.  

Die Experten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) verhalten sich anders: Sie beliefern uns mit einleuchtenden Voraussagen in der Mitte eines angeblichen Wahrscheinlichkeitskorridors. Als Arzt wäre man reflexartig interessierter an den schlimmsten Möglichkeiten. Aber - wie erst letztes Jahr allgemein durchsickerte - vernachlässigt das IPCC mehrere bekannte verschlimmernde Faktoren und Selbstverstärkungsmechanismen (*) und liefert damit nicht einmal den wahrscheinlichsten Verlauf, gar nicht zu sprechen vom schlimmsten, welche jedoch unser Verhalten bestimmen sollten. Das überrascht nicht sehr, ist doch das IPCC ein von Regierungen abhängiges Gremium: Alle Regierungen wollen im Sattel bleiben und deshalb werden Probleme in der Regel nicht voll zugegeben. 
      
Jedermann spricht von Kippmechanismen und dem Punkt ohne Wiederkehr, welche jederzeit eintreten können, wenn sie nicht schon eingetreten sind. Wenn ich die zunehmend beschleunigten Temperaturkurven betrachte, die fast 400 Temperaturrekorde letzten Sommers, den letzten September, Oktober und Mai - die wärmsten je gemessenen - und wenn ich an das Methan denke, das aus Gewässern und auftauendem Permafrost sprudelt, oder an den immer noch steigenden Output von CO2 und SUV's, an das brennende Australien und an das anhaltende Tabu auf Diskussionen über die Bevölkerungsgrösse, so sagen mir meine internen Algorithmen, dass die Auflösung der Zivilisation in den nächsten Dekaden nicht mehr ein worst-case Szenario ist, sondern das wahrscheinlichste. Worst-case wäre, dass alles schon in den nächsten Jahren passiert.  

Wenn man die Haltung und Reaktion der offiziellen Stellen auf die Klimakrise mit den Massstäben misst, die routinemässig auf ärztliches Handeln angewandt werden, so wäre das ein Fall fürs Gericht. Weil es die ganze Welt betrifft und in einer Art Holocaust 2.0 enden wird müsste man sich etwas wie einen Nürnberger Gerichtshof für die ganze Welt überlegen. Nun könnte man einwenden, dass das schlimme Ende noch nicht bestätigt ist.  Aber wenn es bestätigt ist, wird es für Gerichtsverhandlungen zu spät sein.

Um das Thema auf den Tisch zu legen könnte man sich eine gespielte Gerichtsverhandlung vorstellen, ähnlich Ferdinand von Schirachs Theaterstück "Terror": Ankläger wären  Kinder, Tiere, Pflanzen und ihre Vertreter. Angeklagte wären Regierungen, Firmen, Experten usw. Das Publikum wäre die Geschworenen. Vielleicht könnte eine solche Inszenierung das Bewusstsein über die Dringlichkeit der Situation schärfen.      
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(*) Von den IPCC-Prognosen nicht berücksichtigte Selbstverstärkungsmechanismen: 
  1. Das Abschmelzen des Eises vermindert die Erdreflexion was den vorausgesagten Temperaturanstieg um 20 oder mehr Prozent erhöhen kann.
  2. Die Treibhausgase und ihr jährlicher Ausstoss bleiben nicht stabil sondern steigen weiter an, was den Temperaturanstieg gegenüber den Voraussagen weiter beschleunigt. 
  3. Seit vier Jahren steigt das Methan stark an, weiterer Anstieg ist durch Erwärmung von Feuchtgebieten und Permafrost programmiert, im schlimmsten Fall kann das zu fatalem Temperaturanstieg innert weniger Jahre führen.
  4. Die Ur- und Regenwälder gehen weltweit durch Rodung, Trockenheit und Brände zurück und können so immer weniger CO2 binden, strafen zugleich den CO2-Ablasshandel mit Zertifikaten Lügen.
  5. Seit 2019 sagen verschiedene Klimamodelle mit weiterer Erwärmung einen Schwund der Wolkendecke voraus, was die Erwärmung verstärken könnte. 




Malpractice in climate politics

(translated from "Klimapolitik als Kunstfehler", Tages-Anzeiger 9.11.2019, updated 6.7.2020)

From a physicians viewpoint the approach to global warming by the public, by politics and some media and leading climate professionals seems rather strange: From the beginning of his training a physician is made aware that he will go before court and even to jail if found faulty of malpractice. Possible mistakes could be that you miss a grave, a worse or worst condition. These bad possibilities may be rare, but this  will not help you in court. An often cited example is bleeding from the end of the bowel: Most frequently and most probably this is caused by harmless hemorrhoids. But what counts for a physician is the worst case, and this is carcinoma of the bowel. If you do not rule this out before treating haemorrhoids (which indeed also may be there) it may become a case for court. That’s why for a physician in any situation the worst case is of constant concern, we look and prepare for it, and the harmless and most frequent causes are an aside.

Forgotten scissors
Therefore we have so to speak a sort of double bookkeeping in our heads, two algorithms, one permanently calculating the most probable cause/course/outcome and the other one the worst, and in doubt the latter one overriding the first. Medicine being an unprecise and unpredictable business we often have to make do with rough approximations.  

This is in contrast to the behaviour of the experts of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC): They present us with some probable or plausible middle-of the road projections. A physician would be more interested in worst cases. Anyway - as became clear last year - IPCC omits several known aggravating factors and feedback loops (*) and therefore does not even take into account the most probable outcomes, not to speak of the worst, which however really should determine our behaviour. IPCC being a semigovernmental body this is  not at all surprising: all governments want to stay in the saddle, that’s why as a rule they never report the full scandal.

Everybody mentions tipping points and the point of no return which both of course are to be expected anytime if they did not already happen:  If I consider the accelerating temperature curves, last summers nearly 400 broken temperature records and also last September, October and May being the warmest ever measured  as well as the reports about Methane bubbling out of lakes and permafrost, the still rising output of CO2 and SUV’s, the burning Australia and the still general taboo on discussing population size my internal algorithms tell me that the impending dissolution of civilisation in the next few decades is not anymore a worst-case scenario but the most probable one. The worst case would be that it already happens in the next years. If you measure the attitude of official bodies towards such outcomes by the standards routinely applied to physicians this would be a case for court. Because this concerns the whole world and ends in a sort of Holocaust 2.0 one could consider something like a world Nuremberg tribunal. Now one could object that the worst outcomes have not been confirmed yet. But if they will be confirmed it will be too late for a court.

To put the theme on the table one could imagine a mock tribunal (similar to Ferdinand von Schirachs successful drama “Terror") in a theatre. Accusers could be children, animals, plants and their lawyers etc. Defendants could be governments, corporations, experts etc. The public should be the jury. Perhaps such a staging would rise awareness about the urgency of the situation. 
___________________________________________________

(*) Some aggravating mechanisms and feedback loops not accounted for by the IPCC:  

  1. Disapperance ice and snow reduces the reflection of the earth which can increase the predicted temperature raises by 20 or more percent. 
  2. The CO2-concentration and the CO2-immissions are not stable but increase year by year. 
  3. Since several years there is a raise of methane concentration in the air. Sources include warmed wetlands and permafrost, agriculture and fossil industry. In the worst case this can cause a dangerous raise of the temperatures within years or even months. 
  4. Large-scale destruction of rainforests by clearing, drought and wildfires reduces their capacity to bind CO2 and at the same time invalidate the concept of climate certificates by CO2-compensation.
  5. Since 2019 year several climate models predict a reduced cloud cover of the earth with further warming, which could self-reinforce further warming. 



Donnerstag, 15. August 2019

Und was, wenn wir uns nicht retten können?

(Artikel zuerst erschienen im Journal 21 vom 15.8.2019, aktualisiert am 7.2.2022)

Viktor Vasnetsov (1887): Die vier apokalyptischen Reiter. 

Neu ist, dass sich alles beschleunigt: Das Eis schmilzt rascher als gedacht und wenn es die Strahlung nicht mehr reflektiert steigt die CO2-bedingte Erwärmung nochmals um 20 oder mehr Prozent (1). Das Meer erwärmt sich rascher und steigt rascher (2) als vorausgesagt. Die Treibhausgase steigen weiter, der Temperaturanstieg beschleunigt sich nach wie vor, und die fatale Selbstverstärkung durch Methanfreisetzung und Grosswaldbrände hat eben erst begonnen. Seit Frühjahr 2019 wurden Hunderte von Temperaturrekorden gebrochen, unter anderem mit den wärmsten je gemessenen Monaten Januar, Mai, Juni und Juli.  

Temperatur im Juli (global) 1880-2019

Die vier apokalyptischen Reiter sind: Die Klimaerhitzung (3), die bis hundert mal schneller abläuft, als frühere Erwärmungen. Der Wassermangel (4), der einen Viertel der Menschheit bedroht. Das Artensterben (5) durch Schwund und Vergiftung der Lebensräume. Und nicht zuletzt die Überbevölkerung (6), die Grundursache, die weiter zunimmt. Jeder Faktor kann allein tödlich sein, aber sie wirken zusammen. Der Direktor des Potsdam Instituts für Klimaforschung Johan Rockström, ein Experte für die Grenzen des Planeten sagt, dass es schwierig sei, sich vorzustellen, wie eine 4 Grad wärmere Erde noch acht Milliarden Menschen, oder auch nur die Hälfte davon ernähren könne (7). Und die andere Hälfte? 

Viele rufen nach Massnahmen, und viele balgen sich mit jenen, die die Probleme leugnen. Aber ist das sinnvoll? Gibt es aus diesem vierfachen Overkill überhaupt noch ein Entrinnen? 

Beispielsweise erlebte der Amerikaner Roy Scranton als Soldat im Irakkrieg Schrecken und Staatszerfall. Zurück in den USA dämmerte ihm, dass dieselben Entwicklungen den Industriestaaten bevorstünden. Wie der Soldat das Sterben lernen müsse, müssten im Anthropozän auch wir lernen, zu sterben, und zwar nicht nur als Einzelindividuen, sondern als Kollektiv wie er in seinem Buch
«Learning to Die in the Anthropocene» (8) schreibt.

Unabhängig von ihm sagen die Franzosen Pablo Servigne und Raphaël Stevens in ihrem Buch 
«Comment tout peut s'éffondrer- Petit manuel de collapsologie à l'usage des générations présentes» (9) den Kollaps der Zivilisation voraus. Dazu hier ein zusammenfassendes Interview (10).

Drei persönliche Erlebnisse bestärken meine Sorge: Ein in den Medien dauerpraesenter prominenter Klimatologe, der öffentlich einen milden, lösungsorientierten Optimismus verbreitet sagte uns vor mehr als drei Jahren in privatem Rahmen, dass er nach wissenschaftlichem Ermessen für die Menschheit keinen Ausweg aus dieser Falle mehr sehe.

Und ca. 1973, das heisst kurz nach dem ersten Bericht des Club of Rome, hatte ich einen lebhaften Traum. Ich stand am Rande einer mittelgrossen Kiesgrube, die teils locker renaturiert war. Dort unten zwischen Büschen, in vielleicht zwanzig Metern Distanz war eine kleine Gruppe von nackten ganz grünen Menschen, etwa drei an der Zahl, wohl erwachsen, aber nicht alt. Sie bemerkten mich nicht und sagten zueinander von sich "Wir sind die letzten Menschen". Ich hielt das für einen bedeutungsvollen, einen sog. "grossen" Traum, konnte damit rational nicht viel anfangen und brachte ihn höchstens hypothetisch mit der Umweltsituation in Verbindung. Aber immerhin pflegte C.G.Jung einen Rabbiner zu zitieren, der geschrieben hatte: "Der Traum ist seine Deutung"...

Mein Vater, Markus Eduard Fierz (1912-2006), theoretischer Physiker der ersten Stunde, kannte Pauli, Bohr, Heisenberg, Einstein, arbeitete und lehrte in Basel, Princeton, am CERN und an der ETH. Er hatte eine grosse Intuition und war ein Virtuose für sog. Fermi-Schätzungen, d.h. dem Abschätzen von Grössen aus unzureichenden Vorgaben (Die berühmte Fermi-Frage war: "Wieviele Klavierstimmer gibt es in Chicago?"). Im Alter wurde er äusserst besorgt über die Umwelt und sagte einen allgemeinen Ökokollaps ab ca. 2020 voraus: Natürlich könne man das nicht aufs Jahr genau voraussagen. Aber wenn es einmal beginne werde es aus mathematisch-physikalischen Gründen sehr rasch bergab gehen. Nachdem ich sowohl Traum als auch Vater jahrzehnte- und jahrelang nicht verstanden hatte, könnten beide am Ende recht behalten. 


Aufschlussreich ist Inhalt und Schicksal eines Artikels von Prof. Jem Bendell (11), des Englischen Hochschullehrers für Nachhaltigkeit, der aufgrund einer grossen Literaturübersicht vertritt, dass die Umweltsituation ausser Kontrolle und unumkehrbar sei. Schon im nächsten Jahrzehnt müsse man mit grossen Krisen, ja mit beginnender Auflösung der Zivilisation rechnen. Dieser Artikel wurde von einer Fachzeitschrift nicht akzeptiert, weil er nicht genug wissenschaftliche Literatur zum Zivilisationskollaps zitiere (es gibt fast keine) und weil er die Leserschaft erschrecken könnte. 

Bendell, die Schnauze voll von dieser akademischen Korrektheit, veröffentlichte den Artikel im Netz, wo er inzwischen eine halbe Million Mal heruntergeladen und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Dort und in einem Interview kommt er zusammen mit dem Klimatologen Wolfgang Knorr (12) zum Schluss, dass auch die Wissenschaft das Publikum nicht wahrheitsgetreu informiere: z.B. vernachlässigten die Berichte des International Panel on Climate Change (IPCC) die beschleunigte Erderwärmung durch steigende Treibhausgase bzw. durch schwindende Strahlungsreflexion wegen Eisschmelze und seien deshalb durchwegs viel zu optimistisch - die beiden Gelehrten sagen wörtlich: "Science is letting down humanity". 

Tatsächlich wird die Katastrophenperspektive überall ausgeblendet: Zwar warnen Wissenschaftler und teils auch Medien seit fünfzig Jahren, aber regelmässig nur sektoriell, vorsichtig und objektiv abgewogen. Mal redet einer von schwindenden Gletschern, ein anderer bespricht die Zukunft des Wintersports, einer berichtet über Insektenschwund, noch einer studiert die Bienen, ein anderer das Gift in den Gewässern, weitere warnen vor den Temperaturen in den Städten, andere betrachten Ernteausfälle oder erforschen Migrationsgründe. Sie haben die Teile in der Hand, aber für die Erkenntnis, dass alles zusammen auf eine selbstverstärkende globale Katastrophe herausläuft fehlt leider das geistige Band. Und so fehlt auch der dringend angebrachte Bezug auf unser eigenes Schicksal und jeglicher Alarmismus. Einig sind sie sich nur darin, weitere Forschung und Geld zu fordern. Und das bewilligen die Politiker nur allzu gern, wenn sie nur sonst untätig bleiben können. 

Haben die Wissenschaftler Angst vor dem eigenen Mut? Fürchten sie Verlust von Kredit und Krediten in der Öffentlichkeit, Verlust der Sendefenster in den Medien, Verlust von Ansehen bei den Kollegen, wenn sie den Klartext redeten, der angebracht wäre und der wehtäte?

Die Weigerung, reinen Wein einzuschenken vermeidet zwar Erschrecken und Depression bei den Adressaten, hat aber die fatale Folge, dass diese sich weiter an die Hoffnung des Weiter-So und klammern. Erst Erschrecken und Depression würden den Weg zu radikalem Umdenken schaffen.


Lange war mir ein Rätsel, wie ein zweifellos so gescheiter, beredter und gebildeter Mann wie Herr Nationalrat Köppel behaupten kann, dass sich die Klimawissenschaft irre. Beim Schreiben dieses Texts ist mir etwas eingefallen: In der praktischen Tätigkeit als Arzt habe ich erfahren, dass einem fast immer geglaubt wird, wenn man deutsch, deutlich und direkt sagt, was Sache ist. Könnte es sein, dass Nationalrat Köppel und andere Skeptiker dumpf und ganz richtig spüren, dass etwas mit den IPCC- und anderen Berichten nicht stimmt und dass sie diese deshalb nicht glauben? Ausgeschlossen scheint das nicht.  

Die fragmentierte Betrachtungsweise finden wir nicht nur bei Wissenschaftlern, sondern auch bei den Besorgten und Grünen. Diese predigen gutgemeinte Einzelmassnahmen wie Vegetarismus oder Plasticverzicht, verschweigen aber fast durchgehend, dass das niemals genügt - man will schliesslich die Wähler nicht verschrecken. Nur die Kinder und die Narren sagen die Wahrheit und führen verzweifelte Kreuzzüge... 

Alle zusammen blenden die Bevölkerungsfrage aus, aber sowieso werden sie überstimmt von den dumpfen Mehrheiten, die Trump, Bolsonaro und Morrison wählen, jene Politiker, die im Grunde schon das Ende der Zivilisation ankündigen. Dazwischen die "gesunde" Mitte der meinungslosen Konsumbürger, der Medien, welche Tatsachen als Meinungen in Frage stellen und der quallenartigen Politiker, die nach Umfrageergebnissen navigieren. Das Resultat ist eine bewegungsunfähige Masse, die in Wellness narkotisiert auf die Katastrophe wartet, wie die Weihnachtstruthähne auf ihrer Truthahnfarm. Ein Arzt, der eine kritische Situation derart nachlässig handhabt landet vor Gericht und im Gefängnis

Was kommen wird zeigt schon jetzt der Nahe Osten mit Hitze, Dürre, Hunger, Staatszerfall, Willkürherrschaft, Seuchen, Krieg und Massenmigration. Das wird sich schubweise auf weitere Regionen und bis zu uns ausbreiten. Besonders störanfällig sind komplexe Systeme wie Grossstädte, Grossverteiler, Hochkultur, Geldwert, Banken, Finanzcasino, Fernverkehr, Altersvorsorge oder Rechtssicherheit. Das Gerede von Menschenrechten und Klimagerechtigkeit wird als Hohn auf der Strecke bleiben. Wir sind in einer suizidalen Kultur mitgefangen und mitgehangen.

Mittlerweile warnt sogar der Generalsekretär der UNO (13), dass wir nur noch bis 2020 haben, um ein Kippen der Situation zu vermeiden. Und doch gibt es kaum eine Reaktion. Protestierende werden eingesperrt oder ausgewiesen. So entsteht die nächste Frage: Wenn wir uns nicht retten wollen oder können, was dann? 

Dann heisst dies das Ende mancher Nationen, mancher Kulturen, vielerorts der Menschlichkeit, Massensterben von Menschen und grosser Teile der belebten Welt, vielleicht überhaupt das Ende der Menschheit. Manch alter Mensch beschäftigt sich mit seinem individuellen Ende. Im Mittelalter gab es sogar die Kunst des Sterbens (Ars moriendi), welche auf einen guten Tod vorbereiten sollte und auf die vier letzten Dinge - Tod, Gericht, Himmel oder Hölle. Immerhin konnten sich Sterbliche mit Nachfahren trösten, welche ihre Ideale, ihr Können, ihre Kultur und ihre Gene weiterführten. Dem Tod der Zivilisation fehlt dieser Trost. Aber irgendwie müssen wir die Haltung zum Tod des Individuums in eine zum Tod der Zivilisation übersetzen. 


Robert Bringhurst and seine Partnerin Jan Zwicky, zwei kanadische Naturwissenschafter, Philosophen und Dichter meinen in ihrem Büchlein  "Learning to die - Wisdom in the Age of Climate Crisis" (14), dass, wenn überhaupt, höchstens einige Menschen das sechste Massensterben überleben dürften, nicht überleben werde aber unsere Zivilisation. Und danach werde niemand von Plato, Bach oder Rembrandt wissen. 

Bringhurst ist kenntnisreicher Buchautor über
Mythen und Kultur der Amerikanischen Ureinwohner (15). Er beschreibt, wie diese sich als Teil einer Natur verstanden, die man nicht dominieren kann. Fremd sei ihnen die abendländische Einstellung, welche die Natur dominieren will, ausgedrückt schon in der Genesis 1:28 "Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht", jene Einstellung also, die eigentlich der Grund für unsere Katastrophe ist.  

Zwicky fragt, welche moralischen Qualitäten wir am Ende unserer Zivilisation bräuchten. Es seien die Qualitäten, die es seit jeher im Leben gebraucht habe: Erkenntnis und das Wissen, dass diese begrenzt sei, Bescheidenheit, Mut, Selbstkontrolle, Gerechtigkeit, Geduld und Barmherzigkeit. Bescheidenheit brauche es, um das Ego aus dem Weg zu räumen, erst das gebe den Mut, den Tatsachen in die Augen zu blicken. Und Mitleid brauche es für jene, welche den Tatsachen nicht in die Augen blicken könnten. Ohnehin seien die eigenen Handlungen und die der anderen nur Gesten in der Luft, die verschwänden wie Musik. Wie die bisherigen Massensterben werde auch das jetzige irgendein Leben zurücklassen, Leben aus dem anderes entstehen werde.  

Diese Streiflichter müssen genügen, aber dieses Büchlein zeigt, dass man das ganze Problem auch ganz anders ansehen kann, als mit Abwehr, Panik, Massnahmenkatalogen und erhobenem Zeigefinger, nämlich mit philosophischer Gelassenheit.  

Wenn das Lebensende des Individuums unausweichlich ist und nur noch aus Leiden besteht, dessen Sinn schwer einsehbar ist, so stellt sich die Frage der Sterbehilfe, die heute manchmal praktiziert wird. Diese Frage wird sich auch stellen, wenn Gesellschaften in Hunger, Seuchen, Plünderung und gegenseitigem Totschlag zugrunde gehen. Die Idee ist nicht neu, im Endzeitroman "On the Beach" 1957 (16) lässt Nevil Shute die letzten Überlebenden des Atomkrieges sich mit Zyankali umbringen, um diesen Endstadien zu entrinnen. 

Es geht auch darum, wie man die letzten Stunden gestaltet: Als die Kinder des von 
Janusz Korczak geführten Waisenhauses (17) das Warschauer Ghetto verlassen mussten gaukelte er ihnen einen Ausflug aufs Land vor und zog sie so schön wie möglich an. Korczak ging mit, vor dem Zug der zweihundert Kinder spielte ein Bub die Geige, händchenhaltend, geschmückt und singend zogen sie zu den Viehwagen, die sie in Treblinka abladen sollten zur unverzüglichen Vergasung. Le style c'est l'homme.


 Weiterführende Hinweise und Literatur:

  1. Wadhams, P. (2016) A Farewell to Ice, Oxford University Press, Oxford.
  2. https://edition.cnn.com/2019/10/30/world/rising-sea-cities-study-intl-hnk-scli-sci/index.html
  3. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/07/redet-endlich-klartext-holocaust-2.html
  4. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/08/wassermangel.html
  5. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/05/wie-biosysteme-kippen.html
  6. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/05/wir-sind-zuviele-ein-tabu.html
  7. https://www.theguardian.com/environment/2019/may/18/climate-crisis-heat-is-on-global-heating-four-degrees-2100-change-way-we-live
  8. Roy Scranton: Learning to Die in the Anthropocene, City Light Editions 2016
  9. Pablo Servigne und Raphaël Stevens : Comment tout peut s'éffondrer- Petit manuel de collapsologie à l'usage des générations présente, Seuil, 2015
  10. https://www.letemps.ch/societe/pablo-servigne-faut-faire-deuil-monde-ecrire-une-nouvelle-histoire
  11. https://www.lifeworth.com/deepadaptation.pdf
  12. https://jembendell.com/2019/07/31/climate-scientist-speaks-about-letting-down-humanity-and-what-to-do-about-it/
  13. https://www.un.org/sg/en/content/sg/statement/2018-09-10/secretary-generals-remarks-climate-change-delivered
  14. Richard Bringhust and Jan Zwicky: Learning to Die – Wisdom in the Age of Climate Crisis, University of Regina Press, 2018
  15. Richard Bringhurst: A story as sharp as a knife, Douglas & McIntyre, 2011
  16. Nevil Shute: On the Beach, Vintage, 2010
  17. https://de.wikipedia.org/wiki/Janusz_Korczak

Letting down Humanity

(Translation of "Und was, wenn wir uns nicht retten können?" in this Blog, which first appeared in Journal 21, 15.8.2019. Updated 7.2.2022)

What is new is that everything accelerates: the ice melts faster than predicted. Its lack of reflection increases CO2-related warming by 20 or more percent (1). The sea warms up faster and rises faster (2) than predicted. Greenhouse gases continue to rise, global warming accelerates and the fatal self-boosting feedbacks by methane release and large-scale forest fires have only begun. Since spring 2019 hundreds of temperature records have been broken and we had the warmest months of January, Mai, June and July ever. We notice it ourselves: The summers get mercilessly warmer and warmer. 

July temperatures (global) 1880-2019

The four apocalyptic horsemen are: Global Warming (3), which is occurring up to a hundred times faster than earlier warmings. The lack of water (4), which threatens one fourth of humanity. Species extinction (5) due to wasting and poisoning of habitats. And last but not least overpopulation (6), the root cause, which continues to increase. Each of these factors can be fatal on its own and they reinforce each other. E.g. the co-director of the Potsdam Institute of Climate Research Johan Rockström, an expert on the limits of the planet said that with global warming of 4 degrees (which is possible before 2100) he has difficulty to see how the earth could nourish eight billion of people or even half of that (7). And what will happen to the rest?



Viktor Vasnetsov (1887): The four apocalyptic horsemen

Many call for action, and many clash with those who deny the problems. But does that make sense? Is there any escape from this fourfold overkill?

For example, the American Roy Scranton experienced terror and state collapse as a soldier in the Iraq war. Back in the US, it dawned upon him that the same fate awaited the developed nations. He concluded that, just as the soldier must learn to die, in the Anthropocene we also have to learn to die, not just as individuals, but as a collective (8).


Independently of him, the French Pablo Servigne and Raphaël Stevens in their book "Comment tout peut s'éffondrer- Petit manuel de collapsologie à l'usage des générations présentes" (9) predict the collapse of civilization. Here is a summary interview in French (10).

Three personal experiences reinforce my concern: Prof. John Schellnhuber, the most prominent German climatologist omnipresent in the media who in public exudes a mild, solution-oriented optimism told us already 2017 in private that he no longer sees any way out of this trap for humanity.

And about 1973, that is shortly after the first report of the Club of Rome, I had a vivid dream. I stood on the edge of a medium-sized gravel pit, which was partially restored, that is, renatured. Down there among bushes, maybe a hundred yards away, was a small group of nude, quite green people, about three in number, mostly grownups, but not old. They did not notice me and said to each other "We are the last human beings". I felt that this was a meaningful, a so-called "big" dream, but rationally could not do much with it, and at best hypothetically linked it to the environmental situation. But after all, C.G. Jung used to quote a rabbi who had written: "The dream is its interpretation"...

My father, Markus Eduard Fierz (1912-2006), was a theoretical physicist "of the first hour", who knew Pauli, Bohr, Heisenberg, Einstein, and worked and taught in Basel, Princeton, CERN and ETH. He had great intuition and was a virtuoso at so-called Fermi estimates, the estimation of sizes from inadequate information (The famous Fermi question was: "How many piano tuners are there in Chicago?"). Later in life he became very concerned about the environment and from 1990 on predicted a general ecological collapse starting around 2020 saying that of course it was not possible to predict the year exactly, but once it started it would go downhill very quickly for mathematical-physical reasons. After failing to understand both dream and father for decades and years, I now realize both could end up being right.

I found the content and fate of an article (11) by Prof.Jem Bendell, the English university teacher of sustainability revealing: Based on a large literature review he argues that the environmental situation is out of control and irreversible. Already in the next decade, one would have to reckon with great crises, even with the beginning of the dissolution of civilization. This article was not accepted by a journal because it does not cite enough scholarly literature on collapse of civilisation (there is almost none) and because it could scare the readership.

Bendell, fed up with this academic correctness, published the article on the web, where it has been downloaded half a million times and translated into several languages. There, and in an interview with climatologist Wolfgang Knorr (12), he comes to the conclusion that even the scientists do not truthfully inform the public: All the reports of the International Panel on Climate Change (IPCC) up to 2020, written under the pressure of oil-producing nations, neglected the acceleration of global warming caused by multiple positive feedbacks. Therefore they are consistently too optimistic. To quote Bendell and Knorr: “Science is letting down humanity”.

In fact, the disaster perspective is concealed by everybody: Although scientists and some media have been warning us for fifty years, this happens regularly only in a piecemeal way, carefully and objectively weighed. Somebody is talking about dwindling glaciers, somebody else about the future of winter sports, someone dwells on insect extinction, another one is studying bees, there is talk about poison in rivers, or warnings about the temperatures in the cities, others are considering crop failures or exploring reasons for migration. They have the pieces in their hand, but, alas, lack the mental bond for the realization that it all comes down to a self-reinforcing global catastrophe. And therefore there is no urgent reference to our own destiny and the necessary alarm is not sounded. The only point the scientific community always agrees upon is the demand for further research and more money, which the politicians are only too happy to grant if only they can remain inactive.

Are the scientists afraid of their own courage? Are they afraid of loss of public esteem and public money, do they fear loss of media coverage, loss of reputation among colleagues when they talk the plain talk that would be appropriate, although it would hurt?

Incidentally, if refusing to call a spade a spade avoids arousing fright and depression in the addressees, this has the fatal consequence that they can continue to cling to their false hopes and pursue business as usual. Only fright and depression would pave the way for radical rethinking.

For a long time it was a mystery to me how even some of the most clever and highly educated politicians could claim that climate science is wrong. While writing this text I've come up with something: In my practical work as a doctor, I learned that one is almost always believed if one speaks up clearly, bluntly and directly. Could it be that such sceptics feel indistinctly but rightly that something is wrong with the scientific information and the IPCC reports, and that is why they do not believe them? To me this does not seem impossible.

We find this fragmented approach not only among scientists, but also among the worried and the Greens. These preach well-meant individual measures such as vegetarianism and renouncing plastic bags, but often fail to mention that this is never enough – they do not want to scare the voters after all. Only children and fools tell the truth and lead desperate crusades...

All of them are ignoring the population issue, but they are anyway overruled by the dull majorities that vote Trump, Bolsonaro, and Morrison into office, those politicians who basically already announce the end of civilization. Between these political poles lie the "healthy" middle of mindless consumer citizens, and the media, which question facts as opinions, as well as the jellyfish-like politicians who navigate according to the latest surveys. The result is an immobile crowd waiting in anesthetized wellness for disaster, like Christmas turkeys on their turkey farm. A physician managing a critical situation with such indifference would end up in court and jail for malpractice.

What is coming can already be seen in the Middle East with heat, drought, hunger, state disintegration, tyranny, epidemics, war and mass migration. This will gradually spread to other regions and to us. Particularly susceptible are complex systems such as large cities, major distributors, high culture, monetary value, banks, the financial casino, long-distance transport, old-age provision or legal security. The talk of human rights and climate justice will be left behind as mockery. We are caught in a suicidal culture and will perish with it.

Meanwhile, even the Secretary-General of the UN warns that we have only until 2020 to avoid the tipping point of the situation (13). And yet there is hardly any reaction. Protesters are imprisoned or expelled from the country. Therefore the next question arises: If we do not want to or cannot save ourselves, what then?

I
t means then the end of many nations, of many cultures, of human values (Menschlichkeit) in many places, of very many human beings and large parts of the living world, perhaps of humanity as a whole. Many old people are concerned with their individual end. In the Middle Ages, there was even the art of dying (Ars Moriendi), which prepared adepts for a good death and for the four last things - Death, Judgment, Heaven or Hell. But after all, mortals could console themselves with descendants, who continued their ideals, their skills, their culture and their genes. The death of civilization lacks this comfort. But somehow we have to translate the knowledge about the death of the individual into one about our collective dying.


Robert Bringhurst and his partner Jan Zwicky, two Canadian scientists, philosophers and poets, in their booklet "Learning to die - Wisdom in the Age of Climate Crisis" (14), believe that, even if a few people should survive the sixth mass extinction, our civilisation will not. And then nobody will know anymore about Plato, Bach or Rembrandt.

Bringhurst writes knowledgeable books about the myths and cultures of Native Americans (15). He describes how these natives understood themselves as part of a nature that cannot be dominated. This in contrast to the Western attitude that nature should be dominated as expressed in Genesis 1:28 "
Be fruitful, and multiply, and replenish the earth, and subdue it: and have dominion over the fish of the sea, and over the fowl of the air, and over every living thing that moveth upon the earth...", the attitude that is actually the cause of our predicament.

Zwicky asks what moral qualities we need at the end of our civilization. These are the qualities that have always been needed in life: knowledge and the awareness that our knowledge is limited, modesty, courage, self-control, justice, patience and mercy. Only with modesty can we get rid of the ego, which gives us the courage to look the facts into the eye. And compassion is needed for those who cannot face the facts. In any case, our own actions and those of others are but gestures in the air that disappear like music. Like the previous mass extinctions, the present one will leave some life behind which will give rise to other forms of life.

These highlights must suffice, but this booklet shows that you can view the whole problem quite otherwise than with rejection, panic, schedules for action or a raised index finger, namely with philosophical composure.

If the end of life of an individual is inevitable and consists only of suffering, whose meaning is difficult to see, then the question of euthanasia arises, and indeed it is sometimes practiced today. This question will also arise when societies perish in hunger, disease, plunder and mutual manslaughter. The idea is not new. In the end-time novel "On the Beach" (1957, 16), Nevil Shute lets the last survivors of nuclear war kill themselves with cyanide to escape these final stages.

It's also about how to shape the last hours: When the children of the orphanage run by Janusz Korczak (17) had to leave the Warsaw Ghetto, he tricked them into believing they were going on a countryside trip and dressed them as nicely as possible. Korczak went along and preceding the procession of twohundred children a boy played the violin - the Germans love music. Holding their little hands, adorned and singing, they moved to the cattle cars, which were to unload them in Treblinka for immediate gassing. Le style c'est l'homme.


References and Links:
  1. Wadhams, P. (2016) A Farewell to Ice, Oxford University Press, Oxford.
  2. https://edition.cnn.com/2019/10/30/world/rising-sea-cities-study-intl-hnk-scli-sci/index.html
  3. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/08/call-spade-spade-its-holocaust-2.html
  4. https://lukasfierz.blogspot.com/2020/02/how-biosystems-tip-over.html
  5. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/05/wir-sind-zuviele-ein-tabu.html
  6. https://www.theguardian.com/environment/2019/may/18/climate-crisis-heat-is-on-global-heating-four-degrees-2100-change-way-we-live
  7. Roy Scranton: Learning to Die in the Anthropocene, City Light Editions 2016
  8. Pablo Servigne und Raphaël Stevens : Comment tout peut s'éffondrer- Petit manuel de collapsologie à l'usage des générations présente, Seuil, 2015
  9. https://www.letemps.ch/societe/pablo-servigne-faut-faire-deuil-monde-ecrire-une-nouvelle-histoire
  10. https://www.lifeworth.com/deepadaptation.pdf
  11. https://jembendell.com/2019/07/31/climate-scientist-speaks-about-letting-down-humanity-and-what-to-do-about-it/
  12. https://www.un.org/sg/en/content/sg/statement/2018-09-10/secretary-generals-remarks-climate-change-delivered
  13. Richard Bringhust and Jan Zwicky: Learning to Die – Wisdom in the Age of Climate Crisis, University of Regina Press, 2018
  14. Richard Bringhurst: A story as sharp as a knife, Douglas & McIntyre, 2011
  15. Nevil Shute: On the Beach, Vintage, 2010
  16. https://de.wikipedia.org/wiki/Janusz_Korczak