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Donnerstag, 15. August 2019

Und was, wenn wir uns nicht retten können?

(Artikel zuerst erschienen im Journal 21 vom 15.8.2019, aktualisiert am 7.2.2022)

Viktor Vasnetsov (1887): Die vier apokalyptischen Reiter. 

Neu ist, dass sich alles beschleunigt: Das Eis schmilzt rascher als gedacht und wenn es die Strahlung nicht mehr reflektiert steigt die CO2-bedingte Erwärmung nochmals um 20 oder mehr Prozent (1). Das Meer erwärmt sich rascher und steigt rascher (2) als vorausgesagt. Die Treibhausgase steigen weiter, der Temperaturanstieg beschleunigt sich nach wie vor, und die fatale Selbstverstärkung durch Methanfreisetzung und Grosswaldbrände hat eben erst begonnen. Seit Frühjahr 2019 wurden Hunderte von Temperaturrekorden gebrochen, unter anderem mit den wärmsten je gemessenen Monaten Januar, Mai, Juni und Juli.  

Temperatur im Juli (global) 1880-2019

Die vier apokalyptischen Reiter sind: Die Klimaerhitzung (3), die bis hundert mal schneller abläuft, als frühere Erwärmungen. Der Wassermangel (4), der einen Viertel der Menschheit bedroht. Das Artensterben (5) durch Schwund und Vergiftung der Lebensräume. Und nicht zuletzt die Überbevölkerung (6), die Grundursache, die weiter zunimmt. Jeder Faktor kann allein tödlich sein, aber sie wirken zusammen. Der Direktor des Potsdam Instituts für Klimaforschung Johan Rockström, ein Experte für die Grenzen des Planeten sagt, dass es schwierig sei, sich vorzustellen, wie eine 4 Grad wärmere Erde noch acht Milliarden Menschen, oder auch nur die Hälfte davon ernähren könne (7). Und die andere Hälfte? 

Viele rufen nach Massnahmen, und viele balgen sich mit jenen, die die Probleme leugnen. Aber ist das sinnvoll? Gibt es aus diesem vierfachen Overkill überhaupt noch ein Entrinnen? 

Beispielsweise erlebte der Amerikaner Roy Scranton als Soldat im Irakkrieg Schrecken und Staatszerfall. Zurück in den USA dämmerte ihm, dass dieselben Entwicklungen den Industriestaaten bevorstünden. Wie der Soldat das Sterben lernen müsse, müssten im Anthropozän auch wir lernen, zu sterben, und zwar nicht nur als Einzelindividuen, sondern als Kollektiv wie er in seinem Buch
«Learning to Die in the Anthropocene» (8) schreibt.

Unabhängig von ihm sagen die Franzosen Pablo Servigne und Raphaël Stevens in ihrem Buch 
«Comment tout peut s'éffondrer- Petit manuel de collapsologie à l'usage des générations présentes» (9) den Kollaps der Zivilisation voraus. Dazu hier ein zusammenfassendes Interview (10).

Drei persönliche Erlebnisse bestärken meine Sorge: Ein in den Medien dauerpraesenter prominenter Klimatologe, der öffentlich einen milden, lösungsorientierten Optimismus verbreitet sagte uns vor mehr als drei Jahren in privatem Rahmen, dass er nach wissenschaftlichem Ermessen für die Menschheit keinen Ausweg aus dieser Falle mehr sehe.

Und ca. 1973, das heisst kurz nach dem ersten Bericht des Club of Rome, hatte ich einen lebhaften Traum. Ich stand am Rande einer mittelgrossen Kiesgrube, die teils locker renaturiert war. Dort unten zwischen Büschen, in vielleicht zwanzig Metern Distanz war eine kleine Gruppe von nackten ganz grünen Menschen, etwa drei an der Zahl, wohl erwachsen, aber nicht alt. Sie bemerkten mich nicht und sagten zueinander von sich "Wir sind die letzten Menschen". Ich hielt das für einen bedeutungsvollen, einen sog. "grossen" Traum, konnte damit rational nicht viel anfangen und brachte ihn höchstens hypothetisch mit der Umweltsituation in Verbindung. Aber immerhin pflegte C.G.Jung einen Rabbiner zu zitieren, der geschrieben hatte: "Der Traum ist seine Deutung"...

Mein Vater, Markus Eduard Fierz (1912-2006), theoretischer Physiker der ersten Stunde, kannte Pauli, Bohr, Heisenberg, Einstein, arbeitete und lehrte in Basel, Princeton, am CERN und an der ETH. Er hatte eine grosse Intuition und war ein Virtuose für sog. Fermi-Schätzungen, d.h. dem Abschätzen von Grössen aus unzureichenden Vorgaben (Die berühmte Fermi-Frage war: "Wieviele Klavierstimmer gibt es in Chicago?"). Im Alter wurde er äusserst besorgt über die Umwelt und sagte einen allgemeinen Ökokollaps ab ca. 2020 voraus: Natürlich könne man das nicht aufs Jahr genau voraussagen. Aber wenn es einmal beginne werde es aus mathematisch-physikalischen Gründen sehr rasch bergab gehen. Nachdem ich sowohl Traum als auch Vater jahrzehnte- und jahrelang nicht verstanden hatte, könnten beide am Ende recht behalten. 


Aufschlussreich ist Inhalt und Schicksal eines Artikels von Prof. Jem Bendell (11), des Englischen Hochschullehrers für Nachhaltigkeit, der aufgrund einer grossen Literaturübersicht vertritt, dass die Umweltsituation ausser Kontrolle und unumkehrbar sei. Schon im nächsten Jahrzehnt müsse man mit grossen Krisen, ja mit beginnender Auflösung der Zivilisation rechnen. Dieser Artikel wurde von einer Fachzeitschrift nicht akzeptiert, weil er nicht genug wissenschaftliche Literatur zum Zivilisationskollaps zitiere (es gibt fast keine) und weil er die Leserschaft erschrecken könnte. 

Bendell, die Schnauze voll von dieser akademischen Korrektheit, veröffentlichte den Artikel im Netz, wo er inzwischen eine halbe Million Mal heruntergeladen und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Dort und in einem Interview kommt er zusammen mit dem Klimatologen Wolfgang Knorr (12) zum Schluss, dass auch die Wissenschaft das Publikum nicht wahrheitsgetreu informiere: z.B. vernachlässigten die Berichte des International Panel on Climate Change (IPCC) die beschleunigte Erderwärmung durch steigende Treibhausgase bzw. durch schwindende Strahlungsreflexion wegen Eisschmelze und seien deshalb durchwegs viel zu optimistisch - die beiden Gelehrten sagen wörtlich: "Science is letting down humanity". 

Tatsächlich wird die Katastrophenperspektive überall ausgeblendet: Zwar warnen Wissenschaftler und teils auch Medien seit fünfzig Jahren, aber regelmässig nur sektoriell, vorsichtig und objektiv abgewogen. Mal redet einer von schwindenden Gletschern, ein anderer bespricht die Zukunft des Wintersports, einer berichtet über Insektenschwund, noch einer studiert die Bienen, ein anderer das Gift in den Gewässern, weitere warnen vor den Temperaturen in den Städten, andere betrachten Ernteausfälle oder erforschen Migrationsgründe. Sie haben die Teile in der Hand, aber für die Erkenntnis, dass alles zusammen auf eine selbstverstärkende globale Katastrophe herausläuft fehlt leider das geistige Band. Und so fehlt auch der dringend angebrachte Bezug auf unser eigenes Schicksal und jeglicher Alarmismus. Einig sind sie sich nur darin, weitere Forschung und Geld zu fordern. Und das bewilligen die Politiker nur allzu gern, wenn sie nur sonst untätig bleiben können. 

Haben die Wissenschaftler Angst vor dem eigenen Mut? Fürchten sie Verlust von Kredit und Krediten in der Öffentlichkeit, Verlust der Sendefenster in den Medien, Verlust von Ansehen bei den Kollegen, wenn sie den Klartext redeten, der angebracht wäre und der wehtäte?

Die Weigerung, reinen Wein einzuschenken vermeidet zwar Erschrecken und Depression bei den Adressaten, hat aber die fatale Folge, dass diese sich weiter an die Hoffnung des Weiter-So und klammern. Erst Erschrecken und Depression würden den Weg zu radikalem Umdenken schaffen.


Lange war mir ein Rätsel, wie ein zweifellos so gescheiter, beredter und gebildeter Mann wie Herr Nationalrat Köppel behaupten kann, dass sich die Klimawissenschaft irre. Beim Schreiben dieses Texts ist mir etwas eingefallen: In der praktischen Tätigkeit als Arzt habe ich erfahren, dass einem fast immer geglaubt wird, wenn man deutsch, deutlich und direkt sagt, was Sache ist. Könnte es sein, dass Nationalrat Köppel und andere Skeptiker dumpf und ganz richtig spüren, dass etwas mit den IPCC- und anderen Berichten nicht stimmt und dass sie diese deshalb nicht glauben? Ausgeschlossen scheint das nicht.  

Die fragmentierte Betrachtungsweise finden wir nicht nur bei Wissenschaftlern, sondern auch bei den Besorgten und Grünen. Diese predigen gutgemeinte Einzelmassnahmen wie Vegetarismus oder Plasticverzicht, verschweigen aber fast durchgehend, dass das niemals genügt - man will schliesslich die Wähler nicht verschrecken. Nur die Kinder und die Narren sagen die Wahrheit und führen verzweifelte Kreuzzüge... 

Alle zusammen blenden die Bevölkerungsfrage aus, aber sowieso werden sie überstimmt von den dumpfen Mehrheiten, die Trump, Bolsonaro und Morrison wählen, jene Politiker, die im Grunde schon das Ende der Zivilisation ankündigen. Dazwischen die "gesunde" Mitte der meinungslosen Konsumbürger, der Medien, welche Tatsachen als Meinungen in Frage stellen und der quallenartigen Politiker, die nach Umfrageergebnissen navigieren. Das Resultat ist eine bewegungsunfähige Masse, die in Wellness narkotisiert auf die Katastrophe wartet, wie die Weihnachtstruthähne auf ihrer Truthahnfarm. Ein Arzt, der eine kritische Situation derart nachlässig handhabt landet vor Gericht und im Gefängnis

Was kommen wird zeigt schon jetzt der Nahe Osten mit Hitze, Dürre, Hunger, Staatszerfall, Willkürherrschaft, Seuchen, Krieg und Massenmigration. Das wird sich schubweise auf weitere Regionen und bis zu uns ausbreiten. Besonders störanfällig sind komplexe Systeme wie Grossstädte, Grossverteiler, Hochkultur, Geldwert, Banken, Finanzcasino, Fernverkehr, Altersvorsorge oder Rechtssicherheit. Das Gerede von Menschenrechten und Klimagerechtigkeit wird als Hohn auf der Strecke bleiben. Wir sind in einer suizidalen Kultur mitgefangen und mitgehangen.

Mittlerweile warnt sogar der Generalsekretär der UNO (13), dass wir nur noch bis 2020 haben, um ein Kippen der Situation zu vermeiden. Und doch gibt es kaum eine Reaktion. Protestierende werden eingesperrt oder ausgewiesen. So entsteht die nächste Frage: Wenn wir uns nicht retten wollen oder können, was dann? 

Dann heisst dies das Ende mancher Nationen, mancher Kulturen, vielerorts der Menschlichkeit, Massensterben von Menschen und grosser Teile der belebten Welt, vielleicht überhaupt das Ende der Menschheit. Manch alter Mensch beschäftigt sich mit seinem individuellen Ende. Im Mittelalter gab es sogar die Kunst des Sterbens (Ars moriendi), welche auf einen guten Tod vorbereiten sollte und auf die vier letzten Dinge - Tod, Gericht, Himmel oder Hölle. Immerhin konnten sich Sterbliche mit Nachfahren trösten, welche ihre Ideale, ihr Können, ihre Kultur und ihre Gene weiterführten. Dem Tod der Zivilisation fehlt dieser Trost. Aber irgendwie müssen wir die Haltung zum Tod des Individuums in eine zum Tod der Zivilisation übersetzen. 


Robert Bringhurst and seine Partnerin Jan Zwicky, zwei kanadische Naturwissenschafter, Philosophen und Dichter meinen in ihrem Büchlein  "Learning to die - Wisdom in the Age of Climate Crisis" (14), dass, wenn überhaupt, höchstens einige Menschen das sechste Massensterben überleben dürften, nicht überleben werde aber unsere Zivilisation. Und danach werde niemand von Plato, Bach oder Rembrandt wissen. 

Bringhurst ist kenntnisreicher Buchautor über
Mythen und Kultur der Amerikanischen Ureinwohner (15). Er beschreibt, wie diese sich als Teil einer Natur verstanden, die man nicht dominieren kann. Fremd sei ihnen die abendländische Einstellung, welche die Natur dominieren will, ausgedrückt schon in der Genesis 1:28 "Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht", jene Einstellung also, die eigentlich der Grund für unsere Katastrophe ist.  

Zwicky fragt, welche moralischen Qualitäten wir am Ende unserer Zivilisation bräuchten. Es seien die Qualitäten, die es seit jeher im Leben gebraucht habe: Erkenntnis und das Wissen, dass diese begrenzt sei, Bescheidenheit, Mut, Selbstkontrolle, Gerechtigkeit, Geduld und Barmherzigkeit. Bescheidenheit brauche es, um das Ego aus dem Weg zu räumen, erst das gebe den Mut, den Tatsachen in die Augen zu blicken. Und Mitleid brauche es für jene, welche den Tatsachen nicht in die Augen blicken könnten. Ohnehin seien die eigenen Handlungen und die der anderen nur Gesten in der Luft, die verschwänden wie Musik. Wie die bisherigen Massensterben werde auch das jetzige irgendein Leben zurücklassen, Leben aus dem anderes entstehen werde.  

Diese Streiflichter müssen genügen, aber dieses Büchlein zeigt, dass man das ganze Problem auch ganz anders ansehen kann, als mit Abwehr, Panik, Massnahmenkatalogen und erhobenem Zeigefinger, nämlich mit philosophischer Gelassenheit.  

Wenn das Lebensende des Individuums unausweichlich ist und nur noch aus Leiden besteht, dessen Sinn schwer einsehbar ist, so stellt sich die Frage der Sterbehilfe, die heute manchmal praktiziert wird. Diese Frage wird sich auch stellen, wenn Gesellschaften in Hunger, Seuchen, Plünderung und gegenseitigem Totschlag zugrunde gehen. Die Idee ist nicht neu, im Endzeitroman "On the Beach" 1957 (16) lässt Nevil Shute die letzten Überlebenden des Atomkrieges sich mit Zyankali umbringen, um diesen Endstadien zu entrinnen. 

Es geht auch darum, wie man die letzten Stunden gestaltet: Als die Kinder des von 
Janusz Korczak geführten Waisenhauses (17) das Warschauer Ghetto verlassen mussten gaukelte er ihnen einen Ausflug aufs Land vor und zog sie so schön wie möglich an. Korczak ging mit, vor dem Zug der zweihundert Kinder spielte ein Bub die Geige, händchenhaltend, geschmückt und singend zogen sie zu den Viehwagen, die sie in Treblinka abladen sollten zur unverzüglichen Vergasung. Le style c'est l'homme.


 Weiterführende Hinweise und Literatur:

  1. Wadhams, P. (2016) A Farewell to Ice, Oxford University Press, Oxford.
  2. https://edition.cnn.com/2019/10/30/world/rising-sea-cities-study-intl-hnk-scli-sci/index.html
  3. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/07/redet-endlich-klartext-holocaust-2.html
  4. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/08/wassermangel.html
  5. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/05/wie-biosysteme-kippen.html
  6. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/05/wir-sind-zuviele-ein-tabu.html
  7. https://www.theguardian.com/environment/2019/may/18/climate-crisis-heat-is-on-global-heating-four-degrees-2100-change-way-we-live
  8. Roy Scranton: Learning to Die in the Anthropocene, City Light Editions 2016
  9. Pablo Servigne und Raphaël Stevens : Comment tout peut s'éffondrer- Petit manuel de collapsologie à l'usage des générations présente, Seuil, 2015
  10. https://www.letemps.ch/societe/pablo-servigne-faut-faire-deuil-monde-ecrire-une-nouvelle-histoire
  11. https://www.lifeworth.com/deepadaptation.pdf
  12. https://jembendell.com/2019/07/31/climate-scientist-speaks-about-letting-down-humanity-and-what-to-do-about-it/
  13. https://www.un.org/sg/en/content/sg/statement/2018-09-10/secretary-generals-remarks-climate-change-delivered
  14. Richard Bringhust and Jan Zwicky: Learning to Die – Wisdom in the Age of Climate Crisis, University of Regina Press, 2018
  15. Richard Bringhurst: A story as sharp as a knife, Douglas & McIntyre, 2011
  16. Nevil Shute: On the Beach, Vintage, 2010
  17. https://de.wikipedia.org/wiki/Janusz_Korczak

Letting down Humanity

(Translation of "Und was, wenn wir uns nicht retten können?" in this Blog, which first appeared in Journal 21, 15.8.2019. Updated 7.2.2022)

What is new is that everything accelerates: the ice melts faster than predicted. Its lack of reflection increases CO2-related warming by 20 or more percent (1). The sea warms up faster and rises faster (2) than predicted. Greenhouse gases continue to rise, global warming accelerates and the fatal self-boosting feedbacks by methane release and large-scale forest fires have only begun. Since spring 2019 hundreds of temperature records have been broken and we had the warmest months of January, Mai, June and July ever. We notice it ourselves: The summers get mercilessly warmer and warmer. 

July temperatures (global) 1880-2019

The four apocalyptic horsemen are: Global Warming (3), which is occurring up to a hundred times faster than earlier warmings. The lack of water (4), which threatens one fourth of humanity. Species extinction (5) due to wasting and poisoning of habitats. And last but not least overpopulation (6), the root cause, which continues to increase. Each of these factors can be fatal on its own and they reinforce each other. E.g. the co-director of the Potsdam Institute of Climate Research Johan Rockström, an expert on the limits of the planet said that with global warming of 4 degrees (which is possible by 2100) he has difficulty to see how the earth could nourish eight billion of people or even half of that (7). And what will happen to the rest?



Viktor Vasnetsov (1887): The four apocalyptic horsemen

Many call for action, and many clash with those who deny the problems. But does that make sense? Is there any escape from this fourfold overkill?

For example, the American Roy Scranton experienced terror and state collapse as a soldier in the Iraq war. Back in the US, it dawned upon him that the same fate awaited the developed nations. He concluded that, just as the soldier must learn to die, in the Anthropocene we also have to learn to die, not just as individuals, but as a collective (8).


Independently of him, the French Pablo Servigne and Raphaël Stevens in their book "Comment tout peut s'éffondrer- Petit manuel de collapsologie à l'usage des générations présentes" (9) predict the collapse of civilization. Here is a summary interview in French (10).

Three personal experiences reinforce my concern: Prof. John Schellnhuber, the most prominent German climatologist omnipresent in the media who in public exudes a mild, solution-oriented optimism told us already 2017 in private that he no longer sees any way out of this trap for humanity.

And about 1973, that is shortly after the first report of the Club of Rome, I had a vivid dream. I stood on the edge of a medium-sized gravel pit, which was partially restored, that is, renatured. Down there among bushes, maybe a hundred yards away, was a small group of nude, quite green people, about three in number, mostly grownups, but not old. They did not notice me and said to each other "We are the last human beings". I felt that this was a meaningful, a so-called "big" dream, but rationally could not do much with it, and at best hypothetically linked it to the environmental situation. But after all, C.G. Jung used to quote a rabbi who had written: "The dream is its interpretation"...

My father, Markus Eduard Fierz (1912-2006), was a theoretical physicist "of the first hour", who knew Pauli, Bohr, Heisenberg, Einstein, and worked and taught in Basel, Princeton, CERN and ETH. He had great intuition and was a virtuoso at so-called Fermi estimates, the estimation of sizes from inadequate information (The famous Fermi question was: "How many piano tuners are there in Chicago?"). Later in life he became very concerned about the environment and from 1990 on predicted a general ecological collapse starting around 2020 saying that of course it was not possible to predict the year exactly, but once it started it would go downhill very quickly for mathematical-physical reasons. After failing to understand both dream and father for decades and years, I now realize both could end up being right.

I found the content and fate of an article (11) by Prof.Jem Bendell, the English university teacher of sustainability revealing: Based on a large literature review he argues that the environmental situation is out of control and irreversible. Already in the next decade, one would have to reckon with great crises, even with the beginning of the dissolution of civilization. This article was not accepted by a journal because it does not cite enough scholarly literature on collapse of civilisation (there is almost none) and because it could scare the readership.

Bendell, fed up with this academic correctness, published the article on the web, where it has been downloaded half a million times and translated into several languages. There, and in an interview with climatologist Wolfgang Knorr (12), he comes to the conclusion that even the scientists do not truthfully inform the public: All the reports of the International Panel on Climate Change (IPCC) up to 2020, written under the pressure of oil-producing nations, neglected the acceleration of global warming caused by multiple positive feedbacks. Therefore they are consistently too optimistic. To quote Bendell and Knorr: “Science is letting down humanity”.

In fact, the disaster perspective is concealed by everybody: Although scientists and some media have been warning us for fifty years, this happens regularly only in a piecemeal way, carefully and objectively weighed. Somebody is talking about dwindling glaciers, somebody else about the future of winter sports, someone dwells on insect extinction, another one is studying bees, there is talk about poison in rivers, or warnings about the temperatures in the cities, others are considering crop failures or exploring reasons for migration. They have the pieces in their hand, but, alas, lack the mental bond for the realization that it all comes down to a self-reinforcing global catastrophe. And therefore there is no urgent reference to our own destiny and the necessary alarm is not sounded. The only point the scientific community always agrees upon is the demand for further research and more money, which the politicians are only too happy to grant if only they can remain inactive.

Are the scientists afraid of their own courage? Are they afraid of loss of public esteem and public money, do they fear loss of media coverage, loss of reputation among colleagues when they talk the plain talk that would be appropriate, although it would hurt?

Incidentally, if refusing to call a spade a spade avoids arousing fright and depression in the addressees, this has the fatal consequence that they can continue to cling to their false hopes and pursue business as usual. Only fright and depression would pave the way for radical rethinking.

For a long time it was a mystery to me how even some of the most clever and highly educated politicians could claim that climate science is wrong. While writing this text I've come up with something: In my practical work as a doctor, I learned that one is almost always believed if one speaks up clearly, bluntly and directly. Could it be that such sceptics feel indistinctly but rightly that something is wrong with the scientific information and the IPCC reports, and that is why they do not believe them? To me this does not seem impossible.

We find this fragmented approach not only among scientists, but also among the worried and the Greens. These preach well-meant individual measures such as vegetarianism and renouncing plastic bags, but often fail to mention that this is never enough – they do not want to scare the voters after all. Only children and fools tell the truth and lead desperate crusades...

All of them are ignoring the population issue, but they are anyway overruled by the dull majorities that vote Trump, Bolsonaro, and Morrison into office, those politicians who basically already announce the end of civilization. Between these political poles lie the "healthy" middle of mindless consumer citizens, and the media, which question facts as opinions, as well as the jellyfish-like politicians who navigate according to the latest surveys. The result is an immobile crowd waiting in anesthetized wellness for disaster, like Christmas turkeys on their turkey farm. A physician managing a critical situation with such indifference would end up in court and jail for malpractice.

What is coming can already be seen in the Middle East with heat, drought, hunger, state disintegration, tyranny, epidemics, war and mass migration. This will gradually spread to other regions and to us. Particularly susceptible are complex systems such as large cities, major distributors, high culture, monetary value, banks, the financial casino, long-distance transport, old-age provision or legal security. The talk of human rights and climate justice will be left behind as mockery. We are caught in a suicidal culture and will perish with it.

Meanwhile, even the Secretary-General of the UN warns that we have only until 2020 to avoid the tipping point of the situation (13). And yet there is hardly any reaction. Protesters are imprisoned or expelled from the country. Therefore the next question arises: If we do not want to or cannot save ourselves, what then?

I
t means then the end of many nations, of many cultures, of human values (Menschlichkeit) in many places, of very many human beings and large parts of the living world, perhaps of humanity as a whole. Many old people are concerned with their individual end. In the Middle Ages, there was even the art of dying (Ars Moriendi), which prepared adepts for a good death and for the four last things - Death, Judgment, Heaven or Hell. But after all, mortals could console themselves with descendants, who continued their ideals, their skills, their culture and their genes. The death of civilization lacks this comfort. But somehow we have to translate the knowledge about the death of the individual into one about our collective dying.


Robert Bringhurst and his partner Jan Zwicky, two Canadian scientists, philosophers and poets, in their booklet "Learning to die - Wisdom in the Age of Climate Crisis" (14), believe that, even if a few people should survive the sixth mass extinction, our civilisation will not. And then nobody will know anymore about Plato, Bach or Rembrandt.

Bringhurst writes knowledgeable books about the myths and cultures of Native Americans (15). He describes how these natives understood themselves as part of a nature that cannot be dominated. This in contrast to the Western attitude that nature should be dominated as expressed in Genesis 1:28 "
Be fruitful, and multiply, and replenish the earth, and subdue it: and have dominion over the fish of the sea, and over the fowl of the air, and over every living thing that moveth upon the earth...", the attitude that is actually the cause of our predicament.

Zwicky asks what moral qualities we need at the end of our civilization. These are the qualities that have always been needed in life: knowledge and the awareness that our knowledge is limited, modesty, courage, self-control, justice, patience and mercy. Only with modesty can we get rid of the ego, which gives us the courage to look the facts into the eye. And compassion is needed for those who cannot face the facts. In any case, our own actions and those of others are but gestures in the air that disappear like music. Like the previous mass extinctions, the present one will leave some life behind which will give rise to other forms of life.

These highlights must suffice, but this booklet shows that you can view the whole problem quite otherwise than with rejection, panic, schedules for action or a raised index finger, namely with philosophical composure.

If the end of life of an individual is inevitable and consists only of suffering, whose meaning is difficult to see, then the question of euthanasia arises, and indeed it is sometimes practiced today. This question will also arise when societies perish in hunger, disease, plunder and mutual manslaughter. The idea is not new. In the end-time novel "On the Beach" (1957, 16), Nevil Shute lets the last survivors of nuclear war kill themselves with cyanide to escape these final stages.

It's also about how to shape the last hours: When the children of the orphanage run by Janusz Korczak (17) had to leave the Warsaw Ghetto, he tricked them into believing they were going on a countryside trip and dressed them as nicely as possible. Korczak went along and preceding the procession of twohundred children a boy played the violin - the Germans love music. Holding their little hands, adorned and singing, they moved to the cattle cars, which were to unload them in Treblinka for immediate gassing. Le style c'est l'homme.


References and Links:
  1. Wadhams, P. (2016) A Farewell to Ice, Oxford University Press, Oxford.
  2. https://edition.cnn.com/2019/10/30/world/rising-sea-cities-study-intl-hnk-scli-sci/index.html
  3. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/08/call-spade-spade-its-holocaust-2.html
  4. https://lukasfierz.blogspot.com/2020/02/how-biosystems-tip-over.html
  5. https://lukasfierz.blogspot.com/2019/05/wir-sind-zuviele-ein-tabu.html
  6. https://www.theguardian.com/environment/2019/may/18/climate-crisis-heat-is-on-global-heating-four-degrees-2100-change-way-we-live
  7. Roy Scranton: Learning to Die in the Anthropocene, City Light Editions 2016
  8. Pablo Servigne und Raphaël Stevens : Comment tout peut s'éffondrer- Petit manuel de collapsologie à l'usage des générations présente, Seuil, 2015
  9. https://www.letemps.ch/societe/pablo-servigne-faut-faire-deuil-monde-ecrire-une-nouvelle-histoire
  10. https://www.lifeworth.com/deepadaptation.pdf
  11. https://jembendell.com/2019/07/31/climate-scientist-speaks-about-letting-down-humanity-and-what-to-do-about-it/
  12. https://www.un.org/sg/en/content/sg/statement/2018-09-10/secretary-generals-remarks-climate-change-delivered
  13. Richard Bringhust and Jan Zwicky: Learning to Die – Wisdom in the Age of Climate Crisis, University of Regina Press, 2018
  14. Richard Bringhurst: A story as sharp as a knife, Douglas & McIntyre, 2011
  15. Nevil Shute: On the Beach, Vintage, 2010
  16. https://de.wikipedia.org/wiki/Janusz_Korczak



Sonntag, 11. August 2019

Warum dieser Blog?

(aktualisiert 11.11.2019)

Der Grund für diese Blog-Artikel ist folgender: Ich habe ab ca. 1970 politisiert und die Grünen mitbegründet. Aber ab 1991 habe ich aufgegeben, weil ich den Eindruck hatte, dass wir damit überhaupt keine Wirkung hatten, und dieser Eindruck blieb bis im Frühjahr 2019.

Dann bin ich mit meinen 78 Jahren zweimal an Klimademos gegangen, hauptsächlich dabei waren Kinder und Jugendliche von 12-18 Jahren (bei der 68-er Bewegung waren es Studenten). Es war rührend und traurig zugleich, hier erstmals die breite Reaktion zu sehen, die nach dem ersten Bericht des Club of Rome 1972 so nötig gewesen wäre, die aber nicht stattgefunden hat.



Dann wurde berichtet, dass die Jugendlichen in Vollversammlungen wieder dieselben Fragen diskutieren, die wir bei den Grünen in den Achtzigerjahren auch diskutiert hatten. Ich hatte damals manche dieser Sitzungen organisiert. 

Da dachte ich, ich schreibe mal auf, was ich noch weiss und inzwischen herausgefunden habe. Viele Beiträge sind zuerst in anderen Gefässen erschienen, wie Tages-Anzeiger, Inside Paradeplatz, Bieler Tagblatt, Infosperber, Journal21 u.a.   

Lukas Fierz 

Dienstag, 6. August 2019

Wassermangel droht einem Viertel der Weltbevölkerung

Der weltberühmte Biologe E.O.Wilson nennt drei existentielle Gefährdungen für die Biosphäre: Erwärmung, Artensterben und Trinkwassermangel, wobei der Grundtreiber für alle drei die Überbevölkerung sei. 

Über den Trinkwassermangel hat das World Resources Institute soeben einen Bericht veröffentlicht, den der Englische Guardian in untenstehender Karte zusammenfasst: Länder mit unmittelbar  drohendem Trinkwassermangel sind violett (in absteigender Dringlichkeit, eingeklammert Bevölkerung in Mio): Quatar (3), Israel (9), Libanon (6), Palaestina (5), Iran (80), Jordanien (10), Libyen (7), Kuwait (5), Saudiarabien (34), Eritrea (5), Vereinigte Arabische Emirate (9), San Marino (0), (Bahrain 2), Indien (1400), Pakistan (200), Turkmenistan (6), Oman (14), Botswana (2). 

Rot eingezeichnete Länder haben ebenfalls ein hohes Risiko von Wassermangel, u.a.: Chile (17), Zypern (1), Yemen (27), Belgien (11), Mexiko (125), Afghanistan (35), übriges Nordafrika (ca. 200), ganz Südeuropa (130),  Türkei (82), Syrien (ca.15), Irak (39), Usbekistan (33), Kirgisistan (6), Nepal (29), Südwesten der USA (57).  


Der hochgradige Wassermangel konzentriert sich besonders auf den Mittleren Osten und Nordafrika, die sog. MENA-Region. Global bedroht er akut 1,8 Milliarden Menschen, d.h. einen Viertel der Weltbevölkerung und subakut weitere 0,7 Milliarden, zusammen bis einen Drittel der Weltbevölkerung, die irgendwann einmal auf die Wanderschaft gehen müssen. Und dazu werden noch andere kommen, z.B. werden Teile Südasiens wegen Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit unbewohnbar werden, obschon es dort genug Trinkwasser gibt. Entsprechend schätzte der Chef des Deutschen Bundesnachrichtendienstes in einem Vortrag das weltweite Migrationspotential auf weit über eine Milliarde

Trinkwassermangel hängt mit den übrigen Kalamitäten und Ursachen eng zusammen. Teils ist er Folge der Klimaerwärmung, teils direkte Folge der in vielen kritischen Regionen nach wie vor zunehmenden Übervölkerung, die zu Übernutzung der Trink- und Grundwasserquellen führt, wie z.B. im IranDie weltweite Nachfrage nach Frischwasser hat sich seit 1960 verdoppelt

Mit Abstand grösster Süsswasserverbraucher ist die Landwirtschaft. Pro Kilo Weizen braucht es um die 2000 Liter Wasser. Pro Kilo Fleisch aus der Tiermast ist der Wasserverbrauch fünf bis zehnmal mal höher. Man stelle sich vor, was dies für das wasserarme Indien bedeutet, das gerade zum Fleischkonsum übergeht. 

Die Folgen sind vielfältig: Wassermangel trägt zum Artensterben bei. Im Mittelmeerraum soll bei Erreichen der zwei Grad Erwärmung der Anbau von Wein, Zitrusfrüchten und Oliven unmöglich werden. Die arabische Halbinsel wird durch Wassermangel und Erhitzung weitgehend unbewohnbar werden. Wassermangel kann zu Revolutionen und Kriegen führen: In Syrien z.B. führte zunehmende Dürre zu Landflucht in die Städte, wo deswegen Unruhen ausbrachen. Das Regime reagierte mit untauglichen Gegenmassnahmen, was zum Ausbruch des Bürgerkrieges und zur Flüchtlingskrise führte. Ähnliche Unruhen können jederzeit anderswo ausbrechen, z.B. in Ägypten. Überhaupt ist abzusehen, dass sich in Zukunft Nationen gegenseitig das Wasser abgraben werden, z.B. im Himalayagebiet oder im Quellgebiet des Nils, was auch zu Konflikten führen wird.   

Nicht allen Ländern macht der Wassermangel etwas aus: Wenn ein steigender Meeresspiegel Pakistan unter Wasser setzt, spielt Trinkwassermangel keine Rolle mehr. 

Samstag, 27. Juli 2019

Redet endlich Klartext: Holocaust 2 (*)


(Erschienen in Bieler Tagblatt vom 17.8.2019, aktualisiert 31.7.2021)

Alle reden von Klimawandel, ein Begriff ohne Richtung oder Bedrohlichkeit, der eigentlich vernebelt, was Sache ist. Besser wäre "Klimaerwärmung", aber auch das ist noch zu angenehm. Treffender vielleicht "Klimaerhitzung". Immerhin kann Hitze schon beeinträchtigen. Aber trifft das den Sachverhalt?

Fossil by Heartless Machine (9)
Jede Sekunde wird die Erde mit der Energie von drei bis sechs Hiroshimabomben aufgeheizt (3). Vor dem Pariser Klimaabkommen von 2015 wurde davon gefaselt, den Temperaturanstieg bis ins Jahr 2100 auf 1,5 Grad zu begrenzen, aber selbst bei dessen Erfüllung würde die Temperatur um 2,4 Grad steigen. Weil sich niemand daran hält gehen die offiziellen Prognosen von 3,2 Grad Globalerwärmung bis 2100 aus. Deshalb musste man schon 2017 die 1,5 Grad auf Mitte unseres Jahrhunderts vorverschieben und 2018 hat das IPCC die 1,5 Grad offiziell auf 2040 vorverlegt (4)

Aber selbst dieser dramatische Bericht blendet aus, dass der Temperaturanstieg durch die weiter steigenden Treibhausgase weiter beschleunigt wird: Die 1,5 Grad sind schon 2030 oder vorher zu erwarten, wie die angesehene Zeitschrift Nature schreibt (5), eine Vorverlegung um sieben Jahrzehnte innert ca. sieben Jahren! Und das abschmelzende Poleis wird diese Effekte wegen verminderter Reflexion um 20 oder mehr Prozent verstärken, auch das nicht im IPCC-Bericht. 

Mit anderthalb Grad Erwärmung gehen 70-90 Prozent aller Korallenriffe zugrunde. Der nächste Schritt, die zwei Grad  zerstören 99 Prozent der Korallenriffe, in Südeuropa wird der Anbau von Zitrusfrüchten, Oliven und Wein unmöglich. Teile des Mittleren Ostens und Nordafrikas (6) sowie Südostasiens werden hitzebedingt unbewohnbar. Jede erreichte Erhitzung ginge sogar bei stabilisierten Treibhausgasen während Jahrzehnten weiter. Fatale Selbstverstärkungs- und Kippmechanismen können jederzeit dazukommen, soweit sie nicht schon jetzt ablaufen. Teils unabhängig und ebenso bedrohlich ist das galoppierende Artensterben durch Lebensraumzerstörung, Chemie und Hitze sowie der zunehmende Trinkwassermangel, alles verschärft durch unkontrolliert steigende Bevölkerung. Der Deutsche Bundesnachrichtendienst rechnet mit einer Milliarde Menschen, die flüchten und sich bekriegen werden, und das ist ja nur der Anfang, danach wird zusammen mit Zivilisation und Menschenrechten auch ein Grossteil der Biosphäre untergehen. 


Der Klimaforscher Prof. Joachim Schellnhuber benannte sein Buch "Selbstverbrennung" (7), David Wallace-Wells das seinige "Die unbewohnbare Erde" (8,9). Darum geht es doch, dass wir durch Gier, Dummheit und Herdentrieb alles zerstören, Mensch und Natur durch Hitze, Gift und Dürre. Der englische Guardian will deshalb nicht mehr von "global warming" reden, sondern nimmt Greta Thunbergs Vorschläge auf wie "Klimazusammenbruch", "Klimakrise", "Klimanotstand", "ökologische Krise" etc (10). E.O.Wilson redet vom "Zusammenbruch des Ökosystems" (11).  Nur bezeichnen alle diese Ausdrücke etwas abstraktes, etwas ausserhalb liegendes, etwas wie eine Überschwemmung oder eine Lawinenkatastrophe, dem man sich stellen kann. Sie machen nicht bewusst, dass damit alles endet.   


Seit Jahren bringt die Neue Zürcher Zeitung mit schöner Regelmässigkeit alle paar Monate sehr anschauliche und präzise Artikel zum Holocaust. 
Wohlig gruselnd wird mit Fingern auf die Bösewichte gezeigt, auf die Ausschaltung der Menschlichkeit durch Hunger, Waffen, Gift und Krematorien, und - ach, sagen sich die Bürger in ihren Pantoffeln, wie sind wir doch so gut... Aber ich wundere mich, wieso gilt die gleiche Anschaulichkeit und Präzision nicht für die  kommende Ausschaltung von Menschlichkeit und Zivilisation durch Hunger, Flucht, Krieg, Umweltvergiftung und globale Verbrennung? Was vor uns liegt ist der Holocaust 2, diesmal mit grauenhaften Folgen nicht nur für Mensch und Menschlichkeit, sondern für die ganze Biosphäre. Genauso vorsätzlich wie der erste Holocaust, denn Ursachen und Folgen sind bekannt und sichtbar. Aber in Ausmass und Vollständigkeit der Auslöschung um Grössenordnungen schlimmer. All das hat schon begonnen, und derweil streiten wir uns um Cannabisfreigabe, COVID, Gendersprache, Krankenkassenbeiträge und Pensionsalter, wie wenn das daneben noch irgendeine Rolle spielte. 


Nein, es ist nicht eine Klimaveränderung, es ist der Holocaust 2. Und ja, wir können totschweigen, einsperren und des Landes verweisen, wer dagegen protestiert. Aber das löst das Problem genau so wenig, wie das feige Augenverschliessen vor der Realität.   

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(*) Es wurde verschiedentlich bezweifelt, ob der Ausdruck "Holocaust 2" (aus dem Griechischen, eigtl. Totalverbrennung) zulässig sei. Ich habe diesen Text deshalb einem Halbjuden und einem Zigeuner vorgelegt, welche beide in Auschwitz Angehörige verloren hatten und somit befugt sind, zu urteilen. Beide bejahten, dass der Ausdruck treffe und gebraucht werden dürfe. 

Vorauszuschicken ist, dass der Begriff Holocaust schon lange vor den Nazis, d.h. seit 1600 gebraucht wurde. Von solchen, die den Ausdruck ablehnten wurde verschiedenes  vorgebracht: Es wurde behauptet, der erste Holocaust sei eine industrielle Vernichtung gewesen, der zweite nicht. Ja, aber ist der zweite nicht industriell par excellence, nämlich überhaupt eine Folge der Industrialisierung? Es wurde auch behauptet, der erste sei absichtlich gewesen, der zweite nicht. Ja, aber wusste nicht Exxon Jahrzehnte vor den Grünen, dass der Treibhauseffekt in die Katastrophe führe und finanzierte trotzdem Desinformationskampagnen mit Hunderten von Millionen Dollars? Und die Koch Brothers und alle die bestochenen "Experten", und die Redaktionen, die nicht auf die Wissenschaft hören oder sie verunglimpfen (es ist doch schon kurios: Wenn die Ingenieure und Physiker Brücken, Eisenbahnen, Flugzeuge, Kraftwerke berechnen, anvertrauen wir ihnen diskussionslos unser Leben, nur wenn sie vom Klima sprechen soll alles gelogen sein, da stimmt doch etwas nicht)? Es wurde eingewendet, der erste Holocaust sei bewusst betrieben worden, und der zweite sei ja "unbewusst": Mir scheinen die Unterschiede klein, auch nach dem zweiten Weltkrieg hiess es bekanntlich überall in selbstbemitleidendem Ton "davon haben wir ja alle nichts gewusst", obschon sehr viele von den öffentlich sichtbaren Enteignungen und Vertreibungen profitiert hatten, wie der Historiker Götz Aly nachgewiesen hat, und obschon mindestens Hunderttausende wennnicht Millionen von Soldaten von den Massenerschiessungen im Osten wussten, soweit sie nicht überhaupt Zeugen oder Täter waren. Genauso jetzt: Die meisten "wissen von dem ja überhaupt nichts", obschon die Informationen frei zugänglich sind, und viele Jugendliche es auch ganz genau wissen. Es wurde auch eingewendet, das besondere am ersten Holocaust sei der Rassenwahn gewesen, - aber der zweite, wird der nicht auch wegen einem Wahn geführt? Diesmal Wachstumswahn oder Konsumwahn, dafür sind die Konsequenzen noch entsetzlicher. Es wurde gesagt, der erste sei so besonders, weil er spezifisch gegen Juden und Zigeuner geführt worden sei. Soweit so gut, aber auch der zweite betrifft genauso Juden und Zigeuner, und das noch totaler als der erste, darin sind sie deckungsgleich, nur betrifft der Holocaust 2 jetzt alle anderen auch, incl. der ganzen Biosphäre. Der erste ist in diesem Sinne lediglich eine Teilmenge des zweiten. Manchmal ging die Argumentation auch in irrationale Polemik über, z.B. sei die Verwendung des Ausdrucks Holocaust rassistisch, oder man pöbelte gegen den Autor als Überbringer einer schlechten Nachricht. 

Das ist alles Spiegelfechterei,man streitet um Worte, um sich der Sache nicht stellen zu müssen. Die Frage ist doch, ob man das uns bevorstehende Grauen überhaupt adaequat benennen darf und kann. Und da scheinen alle anderen Worte zu sauber, zu objektivierend, - kurz ungenügend, um das bevorstehende Staatsversagen und den sicheren Untergang von Menschlichkeit und Zivilisation zu fassen. Überwiegend hatte ich in diesen Diskussionen den Eindruck, dass man sich gegen den Ausdruck wehrt, um sich unter einem zimperlich-schöngeistig-ethischen Mäntelchen vor der Realität zu drücken - und lalala, schon hat alles keine Dringlichkeit mehr, wir können zur Tagesordnung übergehen: Schule halten wie bisher, einkaufen wie bisher, arbeiten wie bisher, die Autobahnen und Flughäfen weiter ausbauen und müssen uns der Situation nicht stellen. Lieber lassen wir doch alles in der Vernebelung, oder?... Genau diese Haltung hat uns in diese Situation gebracht.
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(1) https://www.youtube.com/watch?v=_7bs7ShEVHM&t=35
(7) https://www.exlibris.ch/de/buecher-buch/deutschsprachige-buecher/hans-joachim-schellnhuber/selbstverbrennung/id/9783570102626
(8) https://www.exlibris.ch/de/buecher-buch/deutschsprachige-buecher/david-wallace-wells/die-unbewohnbare-erde/id/9783453281189
(9) http://nymag.com/intelligencer/2017/07/climate-change-earth-too-hot-for-humans.html
(10) https://www.theguardian.com/environment/2019/may/17/why-the-guardian-is-changing-the-language-it-uses-about-the-environment
(11) https://lukasfierz.blogspot.com/2019/07/klimaerwarmung-wassermangel.html

Freitag, 5. Juli 2019

Klimaerwärmung-Wassermangel-Artensterben: Ursache

Bilanz des weltberühmten Biologen E.O.Wilson

(Bericht und Interview von Marian Starkey in Population Connection Magazine Juni 2019, gekürzt)

Ich verbrachte eine schlaflose Nacht damit, auf das Interview mit ihm zu warten, Prof.Edward Osborne Wilson,  40 Jahre lang Professor an der Harvard Universität, Träger von über hundert Preisen, Autor von 35 Büchern und über 400 wissenschaftlichen Artikeln, weltweit führende Autorität der Ameisenforschung und Denker über Biologie, Evolution und Gesellschaft.

Meine Einschüchterung war unbegründet, er begrüsste mich mit einem warmen Lächeln. Wilson war gerade 90 geworden und versucht zur Zeit, sich an einen Stock zu gewöhnen, den er aber gar nicht nötig zu haben scheint. Er ist witzig, gut gepflegt und aktiver als viele andere Leute, die gerade das College abgeschlossen haben. Er braucht ein iPhone und zum Mittagessen hatte er Avocado-Toast gegessen. Abgesehen von äusseren Alterserscheinungen könnte er auch 30 Jahre alt sein. Im Grunde ist er ein «Millenial», der in den Körper eines Neunzigjährigen geraten ist.  Wilson ist mein neues Vorbild für das Pensionsalter.

Wilson, so bescheiden er auftrat, hatte viel über den Druck der Menschen auf die Umwelt zu sagen und darüber, wie wir versuchen sollten, aus dem Chaos herauszukommen, das wir angestellt hatten:

«Ich denke, das Epizentrum all unserer Umweltprobleme ist das außer Kontrolle geratene Bevölkerungswachstum. Ich weiss, besonders im Buch «Die Hälfte der  Erde», war ich optimistisch, dass sich das Übervölkerungsproblem von allein löse. Aber das Problem bleibt, es kommt von zuvielen Kindern, vom Verlangen zuvieler Leute in zuvielen Ländern nach höherem Lebensstandard. Und deshalb kann die Welt nicht in den Zustand kommen, in den sie kommen sollte.»

Er entschuldigte sich, dass er wie ein Harvard-Professor in der Vorlesung rede, um dann die aktuell kritischen Umweltprobleme zu identifizieren. Aber vorher müsse er wiederholen, dass das Bevölkerungswachstum der zentrale und wichtigste Treiber der Umweltprobleme sei, unter denen es  drei Hauptkrisen gebe: Die Klimaerwärmung, den Wassermangel und das Artensterben.     

«Alle drei Krisen haben als Hauptursache die menschliche Übervermehrung. Neben der Klimaerwärmung droht der Mangel an Frischwasser:  Etwa 4% des Wassers in der Welt sind  in Seen und Flüssen. Dieses Wasser geht rasch zur Neige, und das ist in einigen Teilen der Welt eine Hauptursache für Migration. Die dritte Krise ist das Massensterben von Arten. Wir wissen nicht genau, wie sich Ökosysteme bilden, was sie stabil macht oder wie sie sich anpassen. Wir können nicht voraussagen, was passiert, wenn eine unscheinbare kleine Tierart herausgenommen wird. Man kann das nicht einmal erraten.»

Wilson glaubt, dass die Erforschung von Ökosystemen das "nächste große Ding in der Biologie" sind, sie sind jetzt sein Forschungsschwerpunkt. Zu seinen Stärken gehört es, Wissenschaft für Laien zugänglich zu machen. Und das sei nötig, denn ohne weitverbreitete Besorgnis über die Umweltkrise werde kein politischer Wille zur Lösung entstehen.

«Wir brauchen einen Begriff, der die baldige grosse Wirkung ausdrückt: Ich nenne es den Zusammenbruch des Ökosystems. Das können die Leute verstehen. Dies bedeutet den Zusammenbruch von Arten, die für den Erhalt von natürlichen Ökosystemen und oft auch für die menschliche Existenz unerlässlich sind, z. B. für die Wasserscheidenwälder oder für fruchtbares Ackerland. Wir möchten die Menschen dazu bringen, über Dinge zu sprechen, die sie selber verstehen und die sie selbst als potenziell zerstörerisch ansehen können. Die Menschen machen sich keine Sorgen, solang sie glauben, dass die Menschheit das Recht hat, die natürliche Welt zu kontrollieren und dass diese Kontrolle unseren Wohlstand und unsere Sicherheit befördert. Aber das Gegenteil ist der Fall.  Und das sollte selbst Menschen beunruhigen, die sonst nur über ihr Privatleben nachdenken und über die persönlichen Möglichkeiten, die sie haben oder nicht haben.»

Wilson glaubt, dass die Stärkung der Stellung der Frau zur Lösung des Bevölkerungsproblems beitragen kann.

«Sobald Frauen irgendwie eine Unabhängigkeit erlangen, neigen sie dazu, die Anzahl ihrer Kinder zu verringern. Das ist  psychologisch und kommt auch aus der Erkenntnis, dass sie und ihre Familie so ein besseres Leben haben werden. Man kann sich fragen - sollen Nationen eine Bevölkerungspolitik haben? Sollen Religionen eine Bevölkerungspolitik haben? Aber es scheint mir, dass man sich am Rand faschistischer Ideen bewegt,  wenn man den Menschen sagt, wie viele Kinder sie haben dürfen. Das würde die gesamte Natur der Gesellschaft verändern.

(Übersetzung: Lukas Fierz)